Der Konflikt mit der Türkei dürfte Mark Rutte den Sieg gebracht haben. Er konnte beim Wähler damit punkten, dass nicht nur der populistische Rechtsaußen, Geert Wilders einen harten Kurs gegen islamistische Bestrebungen propagiert, sondern auch die Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) unter Rutte. Doch selbst wenn Wilders stärkste Kraft geworden wäre, hätte er wohl nicht regieren können. Zu fragmentiert ist die politische Landschaft, zu geschlossen die Phalanx der anderen Parteien.
Scheinsieg
Dennoch bleibt es ein Scheinsieg. Die gesamte politische Landschaft Hollands hat sich in den vergangenen Jahren in Richtung von Wilders bewegt. Man kann vermuten, dass die vorigen Tage zwischen Holland und der Türkei anders verlaufen wären, wenn es eine politische Kraft am rechten Rand nicht gegeben hätte. Schon seit Jahren verfolgen die Niederlande eine zunehmend restriktive Zuwanderungspolitik. Auch bei uns dürften einige Änderungen der vergangenen Monate auf das Erstarken alternativer Parteien zurückzuführen sein.
In ganz Europa geraten die etablierten politischen Kräfte zunehmend unter Druck. Dadurch verschiebt sich das politische Spektrum. Die alternativen Parteien müssen dazu gar nicht an die Macht kommen. Damit dürfte sich aber der Trend fortsetzen, den wir seit Jahren sehen: eine Abkehr von der EU und eine zunehmende Bereitschaft, den Euro in Frage zu stellen. Je länger die Krise der Währungsunion anhält, desto wahrscheinlicher ist der Austritt eines Landes. Als Kapitalanleger müssen wir uns darauf einstellen.
Holland besser ohne den Euro?
Schon im Februar 2014 legte das angesehene britische Forschungsinstitut Capital Economics eine Studie zu den Folgen eines EU- und Euro-Austrittes von Holland vor. Im Auftrag gegeben wurde die Studie von Geert Wilders. Obwohl die Briten dem Euro und der EU bekanntlich kritisch gegenüber stehen, wäre es zu leicht, die Studie einfach als Gefälligkeitsgutachten abzutun. Capital Economics hat einen Ruf zu verlieren.
Die Ergebnisse der Studie haben es in sich: Der durchschnittliche holländische Haushalt hätte demnach rund 9800 Euro mehr, wenn Holland nicht mehr beim Euro und in der EU mitmachte. Für die Volkswirtschaft als Ganzes berechnet Capital Economics einen Wohlstandsgewinn von mehr als 1,5 Billionen Euro. Wie immer bei derartigen Studien kommt es auf die Annahmen an. Laut Capital Economics sollen verschiedene Faktoren zu diesem Ergebnis führen:
· Als AAA-Schuldner und Kreditgeberland würde Holland außerhalb der Eurozone nicht mehr den erheblichen Wohlstandsrisiken ausgesetzt sein, die sich aus den strukturellen Problemen der Eurozone ergeben. Was die Autoren so verquast schreiben, heißt im Klartext: Die Holländer müssten nicht in ein Fass ohne Boden einzahlen.
· Nach einer Anpassungsphase direkt nach dem Austritt, ist mit einem um Zehn-Prozent-Punkte höherem Wachstum in einen Zeitraum von zehn Jahren zu rechnen.
· Ein Großteil dieses Wachstums käme von Märkten außerhalb Europas, die Holland alleine besser erschließen könnte, da derzeit der Block der Südländer Freihandelsabkommen erschwert.
· Durch nationale Regulierung statt Vorgaben aus Brüssel könnte die holländische Wirtschaft 20 Milliarden Euro pro Jahr ab dem Jahr 2035 gewinnen. So lange dauert es wohl, bis alles umgesetzt ist.
· Zusätzlich könnte der Staat ab 2035 sieben Milliarden Euro pro Jahr sparen, indem man bei der Zuwanderung nicht mehr die freizügigen Regeln der EU einhalten muss.
2017 dürfte es nochmal gut gehen
Einige der Annahmen klingen plausibel, andere wie das Thema Freihandel angesichts der neuen Töne aus den USA weniger. Letztlich ist es aus politischer Sicht egal, ob diese Studie zutrifft oder nicht. Zum Wahlkampf taugt sie allemal und auch in anderen Ländern wird man zunehmend fragen, ob EU und Euro ihr Wohlstandsversprechen halten. Auf immerhin 17 Prozent vom BIP wird der Wohlstandsverlust der Krisenländer Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien in einer neuen Studie der University of Michigan beziffert. Alles die Folge von Euro und verfehlter Rettungspolitik.
Dennoch spricht alles dafür, dass es im Jahre 2017 nicht zu Ende geht mit EU und Euro. Weder wird es Marine Le Pen gelingen an die Macht zu kommen, noch wird Italien nach Neuwahlen austreten. Dafür spricht auch die zunehmende wirtschaftliche Erholung.
Nach Jahren der Krise wachsen Nachfrage und Produktion. Das billige Geld der EZB entfaltet Wirkung und sei es nur durch leicht gestiegene Inflationsraten. Das Versprechen der EZB den Euro koste es was es wolle zu verteidigen, zeigt Wirkung. Die schleichende Enteignung der Sparer und die massiven Senkung unserer globalen Kaufkraft durch die bewusste Schwächung des Euro sind dabei nicht Nebenwirkung, sondern ausdrückliches Ziel. Doch solange das Hauptgläubigerland Deutschland, welches von diesen Maßnahmen am stärksten getroffen ist, am Projekt festhält, dürfte es weitergehen. Dazu trägt auch die gebetsmühlenhaft vorgetragene Behauptung bei, wir seien die größten Profiteure des Euro. Eine Behauptung, die man übrigens gleichermaßen hinterfragen sollte.
Europa bleibt billig
Für Kapitalanleger bleibt wiederum das Dilemma des langfristig richtig, kurz- und mittelfristig falsch. Aus Langfristgesichtspunkten bleibe ich bei meiner hier schon mehrfach vorgetragenen Auffassung, dass wir unseren Europaanteil reduzieren sollen. Der Euro kann nur zu erheblichen Wohlstandseinbußen führen.
Kurzfristig ist Europa wie in der letzten Woche hier diskutiert deutlich attraktiver als die USA. Es gibt hier ohne Zweifel Qualitätsunternehmen zu (relativ!) vernünftigen Bewertungen. Selbst wenn es zu einem Euroaustritt beispielsweise Frankreichs kommen sollte, wären Unternehmen wie L`Oreal, Danone, Saint-Gobain und JC Decaux interessant. Steigt die Nervosität in den kommenden Wochen, könnten sich gute Einstiegsgelegenheiten ergeben.
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