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Insider sind selten Gutmenschen

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In der Euphorie wurden Warnsignale ignoriert

2. Euphorie ist ein schlechter Ratgeber

Als Glencore an die Börse ging, lag ein Jahrzehnt Rohstoffboom hinter uns. Von Chinas unersättlichem Rohstoffhunger getrieben, kannten die Rohstoffe nur eine Richtung: nach oben. Man sprach bereits von einem strukturellen Wandel und einem Superzyklus. Überall wurden im Glauben an den immerwährenden Boom neue Kapazitäten geschaffen. Dabei hätte ein Blick in die Geschichte genügt. Auch früher gab es im Rohstoffsektor die Hoffnung auf einen ewigen Boom – der bitter enttäuscht wurde.

Als Rocket an die Börse ging, galt die Finanzkrise als überwunden und die Firma war das Vorzeigeunternehmen für die Digital Economy Made in Germany. Wenn es in den USA von den sogenannten Einhörnern (also Unternehmen mit mehr als einer Milliarde US-Dollar Bewertung schon vor dem Börsengang) so wimmelt, muss doch auch bei uns etwas gehen, so die Logik. Titelgeschichten über den knallharten Führungsstil des Frontmannes zeigten allen, dass es sich hier um Gewinnertypen in einem boomenden Markt handelt. Ja, die Euphorie war gedämpft, verglichen mit dem Boom Ende der 1990er Jahre, aber doch zu spüren. Deutschland hätte mit Rocket endlich auch einen gewichtigen Spieler in diesem neuen Markt, wurde da geschrieben. Dass das Portfolio überwiegend aus wenig differenzierten Handelsunternehmen und Kopien amerikanischer Wettbewerber besteht, wurde da nur am Rande erwähnt.

Das Rocket-Modell eignet sich nicht für die Börse

Was noch fehlt in der Auflistung der Warnsignale, sind hohe Verschuldung und Firmenübernahmen, die bei Glencore erheblich zur Krise beigetragen haben. Dafür ist bei Rocket das Geschäftsmodell als Ganzes kritischer zu sehen und das operative Risiko erheblich. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass sich das Rocket-Modell nicht für die Börse eignet. Wenn das Management von „Sondereffekten“ spricht, wenn es die Wertminderungen und Fair-Value-Anpassungen, die hinter dem Halbjahresverlust von 617 Millionen Euro stehen, erläutert, muss man sich schon wundern. Es ist doch gerade das Geschäftsmodell, Firmen zu gründen, rasch auf eine hohe Bewertung zu treiben und dann Kasse zu machen. Wenn die Erlöse daraus normal sind, sind es die Verluste eben auch. Der Versuch des Managements von dieser Tatsache abzulenken, ist für mich ein weiteres Warnsignal.

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Doch wie bei Glencore geht es mir auch heute nicht um die konkreten Aussichten für Rocket. Es geht um die generellen Lehren für Kapitalanleger. Immer wenn Unternehmen mit starken Eigentümern an die Börse kommen, ist Vorsicht angesagt. Natürlich waren Facebook und Google tolle Investments für jene, die beim IPO eingestiegen sind. Doch in der Mehrzahl der Fälle signalisieren diese Börsengänge, dass eine Spitze erreicht ist. Sei es an der Börse generell, in der jeweiligen Branche und/oder im betreffenden Unternehmen.

In London – so meldeten die Zeitungen am letzten Wochenende – steht eine wahre Flut an Börsengängen bevor. Aktien im Wert von bis zu 30 Milliarden Pfund sollen noch in diesem Herbst an der Börse platziert werden. Es sind vor allem Private Equity Firmen und ausländische Investoren, die den Börsenboom nach der Brexit-Entscheidung für sich nutzen wollen Kasse zu machen. Es würde mich wundern, wenn wir bei einer weiteren Erholung an den Börsen nicht auch an anderen Märkten eine Flut an Börsengängen erleben. Ein deutliches Warnsignal.

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