Stelter strategisch

Inflation? - Kein Selbstmord aus Angst vor dem Tod!

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Wenn alle das gleiche erwarten, kommt es meist anders. Wenn die Deutschen plötzlich aktiv Geld anlegen, ist das der verlässlichste Indikator für eine Zeitenwende. Panik ist ein schlechter Ratgeber für Anleger.

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Wie die Deutschen ihr Geld anlegen
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Londoner Analysten beobachten sehr aufmerksam, wie wir Deutschen unser Geld anlegen. Das ist nicht als Kompliment zu sehen. Im Gegenteil. Sind die Umsätze an der Stuttgarter Zertifikate-Börse besonders hoch, steigen die Profis aus den Märkten aus. Wir gelten ähnlich wie die berühmten „belgischen  Zahnärzte“ als Indikator für bevorstehende Trendwenden an den Märkten. Leider zu recht. Man denke nur an den Boom am Neuen Markt, nachdem Aktien bereits mehr als 15 Jahre weltweiten Aufschwung hinter sich hatten. Man denke an den wilden Kauf von US-Subprime-Anleihen, als die amerikanischen Banken vom „dummen Geld aus Düsseldorf“ sprachen.  Man denke an den Run aufs Gold, als es zu Höchstständen notierte. Wann immer man zu spät zur Party kommen konnte, waren wir Deutschen dabei. Zeit, dass wir uns dieser Realität stellen.

Geschäft mit der Angst

Auch heute ist es nicht anders. Obwohl Immobilien schon deutliche Preissteigerungen erlebt haben, nimmt der Kaufdruck weiter zu. Immer mehr Menschen erzählen von ihren Investitionen in Grundeigentum zur Alterssicherung und wie viel Wertzuwachs sie schon in kurzer Zeit erwirtschaftet haben -  auf dem Papier. Risiken wie demografischen Wandel und zunehmende Regulierung – in Berlin wird beispielsweise ein fast absolutes Mieterhöhungsverbot diskutiert – blenden sie dabei völlig aus. Weist man vorsichtig darauf hin, wird einem die unmittelbar bevorstehende Inflation entgegenhalten, die sämtliche Geldvermögen vernichten würde. Da gäbe es nur den einen Weg: rein in die Sachwerte.

Regelmäßige Leser meiner Publikationen wissen, dass ich wegen der ungelösten Schulden- und Eurokrise erhebliche Risiken für Vermögen sehe. Diese wachsen mit jedem Tag der Krisenverschleppung weiter an. Jeder Reduktion von Schulden steht zwangsläufig eine entsprechende Erosion von Forderungen/Vermögen entgegen. Offen ist nur, auf welchem Wege diese Vernichtung eintritt: durch Pleiten, chaotischen Zerfall der Eurozone, Besteuerung/Vermögensabgaben, Inflation - oder von allem etwas. Vernünftige Geldanlage stellt sich auf jedes dieser Szenarien ein und setzt nicht auf eines alleine. Deshalb empfehle ich immer wieder die zwar langweilige, aber dafür langfristig erfolgversprechende Diversifizierung auf Aktien, Immobilien, Gold und Cash mit gleichzeitig regionaler Streuung.

Der Anstieg der Inflation in Deutschland bietet die willkommene Gelegenheit, mit der Angst um das Geld Geschäfte zu machen. Realwertefonds erfreuen sich besonderer Beliebtheit und sind oberflächlich betrachtet natürlich die richtige Antwort auf ein inflationäres Szenario. So es denn kommt.

Strukturell befinden wir uns nämlich nach wie vor in einem eher deflationären Umfeld mit anhaltendem Preisdruck. Dies liegt an verschiedenen Faktoren wie:

- Erheblichen Überkapazitäten in vielen Industrien.

- Unbereinigten Schulden bei Banken und Unternehmen die als Zombies zwar noch existieren, jedoch nicht zum Wachstum beitragen.

- Die demografische Entwicklung, die zu strukturell abnehmender Nachfrage führt.

- Der anhaltend geringen Produktivitätszuwächse.

Einseitige Wetten

Gegen diesen Trend zur säkularen Stagnation kämpfen die Notenbanken mit immer aggressiveren Instrumenten an und allen Beteuerungen zum Trotz dürften wir das Ende noch nicht erreicht haben. Dass bisher trotz der gigantischen Ausweitung der weltweiten Notenbankbilanzen noch keine deutliche Inflation zu sehen ist, zeigt, wie stark der deflationäre Trend ist. Auch der Anstieg der Inflation in den letzten Monaten dürfte nur ein vorübergehendes Phänomen sein.

Inflation gibt es in diesem Umfeld nur in zwei Szenarien: entweder es kommt zu einem grundlegenden Wandel in den vier genannten Faktoren – bisher noch nicht abzusehen – oder aber es kommt zu einer Zerrüttung des Vertrauens in Geld. Letzteres ist natürlich in Teilen schon zu beobachten – unter anderem in der Flucht in Sachwerte. Wie sonst lassen sich Kaufpreise von Mietimmobilien zum 50-fachen der Jahresnettokaltmiete, wie in einigen Regionen Deutschlands zu beobachten, rechtfertigen? Von einem breiten Vertrauensverlust sind wir jedoch noch weit entfernt.

Vermögensrettung in der Inflation

Will man sich dennoch gegen das Risiko einer Inflation absichern, so sind die Antworten keineswegs so eindeutig, wie die Verkäufer einfacher Lösungen suggerieren. So zeigen Studien keine eindeutige Korrelation zwischen der Inflationsrate und dem Goldpreis, wie man eigentlich erwarten würde. Selbst Immobilien können in einem Umfeld von Inflation an Wert verlieren, weil die Zinskosten deutlich steigen. Gleiches gilt für Aktien.

Deutsches Trauma - die Hyperinflation von 1923
Ein Mann vor Geldbündeln Quelle: AKG
Derzeit liegt die Inflationsrate unter der EZB-Zielmarke von zwei Prozent, eine Hyperinflation rückt damit in weite Ferne. Aber die massive Geldmengenausweitung der Europäischen Zentralbank schürt die Sorgen vor einer deutlichen Abwertung des Euro - und damit realen Wertverlusten für Sparer und Anleger. Quelle: zwehren - Fotolia
Heute kurios - damals die harte Realität: Inflationsbriefmarken zu 2 Millionen Mark das Stück. Quelle: pit24
Spielende Kinder: Nach der Hyperinflation war die damalige Reichsmark nicht mehr als Altpapier - und damit auch Spielzeug für Kinder. Quelle: dpa
Geldscheine wurden damals für alles mögliche benutzt, nur bezahlen ging damit nicht mehr. Die Kinder gingen kreativ mit den Geldbündeln um, und bauten Skulpturen aus Geldscheinen. Quelle: dpa
Die Geldscheine wurden in dicken Bündeln gelagert. Quelle: dpa
Kinder und ein Geldturm Quelle: dpa

Kommt es zu einer Inflation in normalem Rahmen, leidet alles. Liquidität ist in so einem Umfeld nur auf den ersten Blick eine schlechte Anlage. Ermöglicht sie doch, von steigenden Zinsen zu profitieren, während alles andere fällt. Wie anfällig praktisch alle Märkte für Zinssteigerung sind, habe ich hier bereits vor Monaten gezeigt. Wer also an eine „normale Inflation“ glaubt, sollte eher in Liquidität bleiben und erst kaufen, wenn die überzogenen Bewertungen zurückgekommen sind.

Glaubt man stattdessen an eine Hyperinflation als Folge der Notenbankpolitik – vielleicht noch verstärkt durch Protektionismus und Handelskriege – dann sollte man in der Tat voll auf Realwerte setzen. Verglichen mit dann zu erwartenden Preissteigerungen von mehreren hundert Prozent spielt es wahrlich keine Rolle, wie viel man heute bezahlt. Man muss sich aber bewusst sein, dass diese Strategie, sollte die Hyperinflation ausbleiben, bestenfalls zu Nullrenditen führt – wie im Falle der Immobilie zum Faktor von 50 – oder aber zu garantierten Verlusten.

Doch selbst wenn die Hyperinflation kommt, dürfte die Freude nur von kurzer Dauer sein. Eine große Koalition der Verlierer wird sicherstellen, dass jene, die ihr Vermögen gerettet haben, zur Kasse gebeten werden. Die Geschichte ist voll von Sondersteuern auf Immobilien (Hauszinssteuer), Verboten von Goldbesitz bis hin zum Lastenausgleich.

Angesichts dieser Aussichten kommt die einseitige Wette auf die Inflation einem Selbstmord aus Angst vor dem Tod gleich.

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