Stelter strategisch

Von wegen sichere Cash-Polster

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Nicht wie Dagobert Duck

2000 Milliarden Dollar sind natürlich ein großer Brocken. Das wirft die Frage auf, was die Unternehmen damit machen. Sie werden nicht wie Dagobert Duck das Geld in einem Tresor aufbewahren und gelegentliche Bäder veranstalten. Sie sind gezwungen, dass Geld ertragsbringend anzulegen, vor allem wenn sie gleichzeitig auf der anderen Seite Zinsen für Kredite zahlen, die sie aufgenommen haben, um Ausschüttungen an die Aktionäre zu leisten. Die Unternehmen machen also ein Arbitragegeschäft und stehen unter Druck, entsprechende Renditen zu erwirtschaften.

Genauso wie bei uns Privatanlegern geht die Jagd nach höherer Rendite mit entsprechend höheren Risiken einher. So hat Microsoft 84 Prozent der 133 Milliarden Dollar Liquidität in US-Staatsanleihen und Anleihen von „government agencies“ (also beispielsweise des Immobilienfinanzierers Fannie Mae) angelegt. Nur zwölf Staaten besitzen mehr Staatsanleihen der USA als Microsoft. Da diese keinen ausreichenden Ertrag abwerfen, verleiht das Unternehmen die Wertpapiere, um einen Zusatzertrag zu erzielen.

Andere Unternehmen wie Apple setzen auf Unternehmensanleihen, um einen Mehrertrag zu erwirtschaften. Immerhin 150 Milliarden des Cash-Bestandes von über 250 Milliarden hat Apple in solche Anlagen investiert. Insgesamt haben die 30 US-Unternehmen mit den größten Liquiditätsreserven für

von Hauke Reimer, Heike Schwerdtfeger

- 423 Milliarden Unternehmensanleihen und Schuldverschreibungen

- 369 Milliarden Staatsanleihen und Schulden von Agencies

- über 40 Milliarden Hypothekenanleihen

gekauft.

Immer mehr agieren sie wie typische Wall Street Player mit eigenem Handelsraum und direkter Kreditvergabe. Die FT macht gar ein Herdenverhalten aus.

Trendverstärkend

Damit kauft, wer eines dieser Unternehmen kauft, neben einem realen Geschäft zunehmend auch ein (mehr oder weniger gut gemanagtes) Portfolio an Anleihen. Da wir wissen, dass es in einer überschuldeten Welt keine gute Idee ist, Gläubiger zu sein, gilt das auch für diese Unternehmen und ihre Aktionäre. Zwar dürften Kreditausfälle nicht existenzbedrohend sein. Ertragsmindernd sind sie allemal.

Käme es wirklich zu einem Zinsanstieg – ein Szenario welches ich nach wie vor für unwahrscheinlich halte – käme die Rendite der Unternehmen von zwei Seiten unter Druck. Zum einen würden die Finanzierungskosten steigen und damit die Rechnung für den Schuldenanstieg der vergangenen Jahre, zum anderen würden die Wertpapiere im Kurs sinken und damit Abschreibungen erforderlich machen.

Kommt es zu Verwerfungen an den Finanzmärkten, dürften sich die Liquiditätspolster – abgesehen von den Staatsanleihen – als weniger liquide erweisen, als gedacht. Die Regulierung der vorigen Jahre hat dazu geführt, dass die Banken weniger Anleihen im Bestand  halten und damit auch ihre Rolle als Market-Maker nicht mehr ausreichend wahrnehmen können. Auch dies muss kein Problem sein, sofern die Unternehmen nicht verkaufen müssen, zeigt aber das grundlegende Problem.

Interessanter dürften die Folgen einer Steuerrechtsänderung in den USA sein. Sollte die US-Regierung doch noch eine Reform der Unternehmensbesteuerung auf den Weg bringen – und das ist aus meiner Sicht sehr wahrscheinlich – dürften die Unternehmen einen großen Anreiz haben, dass im Ausland gebunkerte Geld in die USA zu transferieren. Nicht um zu investieren, wie es wünschenswert wäre, sondern um Schulden zu tilgen und Aktionäre zu beglücken.

Die Folge wäre zum einen ein stärkerer US-Dollar. Nach dem letzten (temporären) Steuerrabatt legte der US-Dollar über mehrere Monate rund 15 Prozent zu. Gleiches könnte auch heute drohen. Kommen die Preise von Anleihen unter Druck, käme es in der Tat zu dieser Art des Deleveraging. Die Unternehmen würden Anleihen verkaufen und weniger nachfragen. Ein etwaiger Zinsanstieg würde so beschleunigt.

Alles nicht dramatisch, aber trendverstärkend. Problematisch sind diese Cash-Polster erst dann, wenn wir uns einer Lösung für unser Überschuldungsproblem nähern. Schuldenrestrukturierungen würden die Forderungen der Unternehmen genauso treffen, wie eine deutliche Inflation. Es ist keine gute Idee, in einer überschuldeten Welt Gläubiger zu sein. Das gilt auch für die Creme der US-Wirtschaft.

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