In ihrem Bemühen die Gefahr einer Deflation zu bekämpfen, haben die Notenbanken alles getan, um das Kreditwachstum und damit die Nachfrage zu befeuern. Diese Politik muss zwangsläufig zu Blasen an den Vermögensmärkten führen. Ohne diese Politik hätte es die Technologieblase 1999/2000 und die Immobilienblasen in den USA, Spanien und Irland nicht gegeben. Ohne die einfache Verfügbarkeit von billigem Geld sind Blasen nicht denkbar.
Was den Euro zuletzt nach oben getrieben hat
Nach der jüngsten Ratssitzung der EZB hatte Notenbankchef Mario Draghi angekündigt, im Herbst über die Anleihenkäufe beraten zu wollen. An den Märkten wurde dies als Signal verstanden, das bislang auf ein Volumen von 2,28 Billionen Euro angelegte Programm auslaufen zu lassen.
Ja. Denn bis zu den Präsidentschaftswahlen in Frankreich im Frühjahr hatten viele Anleger einen Sieg der Euro-Gegner befürchtet. Doch dann zog Emmanuel Macron - ein ausgesprochener Befürworter der gemeinsamen Währung - in den Elysee-Palast ein: "Der bei einer Wahl Marine Le Pens befürchtete rasche Niedergang und das teils ausgerufene Auseinanderbrechen des Euro fällt damit vorerst aus", so die DZ Bank. Laut Devisenhändlern verstärkte dies die Euro-Käufe.
Die Wahl des Immobilien-Milliardärs zum US-Präsidenten hatte zunächst Spekulationen auf steigende Inflationsraten in den USA ausgelöst, da Trump ein riesiges Konjunkturprogramm und radikale Steuersenkungen versprochen hat. Dies hatte Anfang des Jahres den Euro auf ein 14-Jahres-Tief von unter 1,04 Dollar gedrückt. Doch bislang wurde daraus nichts, da der Republikaner innenpolitisch unter anderem aufgrund der Russland-Affäre stark unter Druck steht.
Zudem ist sich Trump mit dem von seiner eigenen Partei dominierten US-Kongress nicht einig: Für den geplanten Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko will er einen Regierungsstillstand in Kauf nehmen. "Der Konflikt, den Trump mit dem Kongress hat, wird verschärft und es stellt sich erneut die Frage nach der Handlungsfähigkeit der US-Regierung", fasst Helaba-Analyst Ulrich Wortberg zusammen. Wenn die US-Schuldenobergrenze im Herbst nicht angehoben wird, können Haushaltsmittel für Gehälter der Staatsbediensteten oder die Auszahlung von Anleihezinsen nicht mehr freigegeben werden.
Zudem fürchten Anleger, dass die Folge des Wirbelsturms "Harvey" die Konjunktur der USA schwächen und damit die Straffung der US-Geldpolitik zusätzlich verzögern könnte.
Für Exporteure verschlechtern sich die Wettbewerbschancen, da ihre Waren auf dem Weltmarkt teurer werden. Allerdings sichern sich Konzerne meist gegen solche Entwicklungen ab. Erst wenn der Trend nachhaltig dreht oder drastisch ausschlägt, sind Unternehmen wirklich unter Druck - wie beispielsweise beim Pfund Sterling nach der Brexit-Abstimmung. Außerdem bremst ein hoher Wechselkurs über die in Dollar fakturierte Ölrechnung die Inflation und erhöht das Risiko einer Deflation, einer Spirale aus fallenden Preisen und rückläufigen Investitionen. Das Ziel der EZB ist aber eine Teuerung von knapp zwei Prozent - ein Ziel, dass sie nach Einschätzung von Beobachtern noch einige Jahre lang verfehlen wird.
Sie halten still - das zumindest ist der Eindruck vieler Börsianer nach dem traditionellen Notenbank-Gipfel in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming am vorigen Wochenende. Mario Draghi verzichtete darauf, sich zum Wechselkurs zu äußern, was Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann für bemerkenswert hält. Schon im Juli sei sein Schweigen als Kaufsignal verstanden worden und habe den Euro hochgetrieben. "Draghi muss diesmal also sehr genau gewusst haben, dass jede Gelegenheit, an der er nichts zur gegenwärtigen Euro-Stärke sagt, diese weiter befeuert." Vermutlich halte Draghi die Pressekonferenz nach der September-Sitzung in der nächsten Woche für den passenderen Rahmen, um sich zum Euro zu äußern
Mit der Bekämpfung einer eigentlich harmlosen deflationären Tendenz in der Realwirtschaft haben die Notenbanken die Grundlagen für die gefährliche Schuldendeflation wie in den 1930er Jahren erst gelegt. Sie haben das Monster erst geschaffen, welches sie nun seit Jahren mit noch mehr Geld vorgeben zu bekämpfen, in Wahrheit jedoch immer mehr füttern.
- So wächst der Schuldenüberhang, der den deflationären Druck erhöht.
- So bleiben Unternehmen und Kapazitäten im Markt, die eigentlich bei normalem Zinsniveau schon längst ausgeschieden wären. Sie erhöhen Überkapazitäten und damit den Preisdruck für alle anderen.
- So bleibt den Unternehmen kein anderer Weg, als über immer mehr Leverage die Eigenkapitalrendite zu steigern.
- So wächst die weltweite Ungleichheit, weil naturgemäß nur die Vermögenden vom Anstieg der Vermögenspreise profitieren.
Kurz gefasst: die Notenbanken haben alles getan, um die Grundlage für den nächsten Crash zu legen. Wann er eintritt, kann niemand mit Gewissheit vorhersagen. Doch legt die Geschichte der vergangenen dreißig Jahre nahe, dass es in jedem Jahrzehnt mindestens einmal kracht.
Krise macht Pause
Wenn heute Aussagen getroffen werden, wonach die Krise „überwunden sei“, es keine neue Krise mehr zu „unseren Lebzeiten“ geben kann (Janet Yellen) oder wir heute ein „sicheres, einfacheres und faireres Weltfinanzsystem“ hätten (Mark Carney), ist das angesichts der Güte der früheren Vorhersagen der Notenbanker ein Warnsignal erster Ordnung.
Die Behauptung, die Krise sei Dank des tatkräftigen Eingreifens der Notenbanken und Regierungen bewältigt worden, wird trotz gebetsmühlenhafter Wiederholung in den Medien nicht zutreffend. Richtig ist, dass die Notenbanken in der akuten Phase der Krise mit ihren Maßnahmen eine deflationäre Depression verhindert haben. Ebenso richtig ist jedoch, dass wir ohne die Politik der Notenbanken gar nicht in diese Lage gekommen wären und sie durch die Fortsetzung der Politik die Grundlage für eine noch größere Fortsetzung der Krise gelegt haben. Die Krise, die vor zehn Jahren begann ist noch nicht bewältigt.
Nutzen wir die Zeit
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbanken ihren Kurs ändern, liegt bei Null. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Krise in eine noch dramatischere Phase eintritt, ist erheblich. Lediglich der Zeitpunkt ist offen. Sicher ist, dass die Notenbanken genau das fortsetzen werden, was sie seit Jahren machen. Sie werden den Schuldnern helfen, die Illusion der Werthaltigkeit ihrer Vermögenswerte und Schuldentragfähigkeit aufrecht zu erhalten. Das können sie nur mit einer immer weitergehenden Monetarisierung der Schulden wie hier immer wieder diskutiert. Die „Helikopter mit den Geldsäcken“ stehen schon bereit.
Für uns bleibt die Herausforderung, in einem strukturell deflationären Umfeld mit einer strategisch inflationären Geldpolitik Vermögenserhalt zu betreiben. Glaubt man an die Allmacht der Notenbanken, greift man zu Vermögenswerten, egal was sie kosten und kauft auf Kredit. Zweifelt man an der Macht der Notenbanken, stellt man sich auf die unweigerliche Schuldendeflation mit Pleiten, Schuldenrestrukturierung und Vermögensabgaben ein. Das Dilemma ist: wir müssen mit beidem rechnen.