Stelter strategisch

Das Märchen von der bewältigten Finanzkrise

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Notenbanker verschärfen deflationären Druck

In ihrem Bemühen die Gefahr einer Deflation zu bekämpfen, haben die Notenbanken alles getan, um das Kreditwachstum und damit die Nachfrage zu befeuern. Diese Politik muss zwangsläufig zu Blasen an den Vermögensmärkten führen. Ohne diese Politik hätte es die Technologieblase 1999/2000 und die Immobilienblasen in den USA, Spanien und Irland nicht gegeben. Ohne die einfache Verfügbarkeit von billigem Geld sind Blasen nicht denkbar.

Was den Euro zuletzt nach oben getrieben hat

Mit der Bekämpfung einer eigentlich harmlosen deflationären Tendenz in der Realwirtschaft haben die Notenbanken die Grundlagen für die gefährliche Schuldendeflation wie in den 1930er Jahren erst gelegt. Sie haben das Monster erst geschaffen, welches sie nun seit Jahren mit noch mehr Geld vorgeben zu bekämpfen, in Wahrheit jedoch immer mehr füttern.

  • So wächst der Schuldenüberhang, der den deflationären Druck erhöht.
  • So bleiben Unternehmen und Kapazitäten im Markt, die eigentlich bei normalem Zinsniveau schon längst ausgeschieden wären. Sie erhöhen Überkapazitäten und damit den Preisdruck für alle anderen.
  • So bleibt den Unternehmen kein anderer Weg, als über immer mehr Leverage die Eigenkapitalrendite zu steigern.
  • So wächst die weltweite Ungleichheit, weil naturgemäß nur die Vermögenden vom Anstieg der Vermögenspreise profitieren.

Kurz gefasst: die Notenbanken haben alles getan, um die Grundlage für den nächsten Crash zu legen. Wann er eintritt, kann niemand mit Gewissheit vorhersagen. Doch legt die Geschichte der vergangenen dreißig Jahre nahe, dass es in jedem Jahrzehnt mindestens einmal kracht.

Krise macht Pause

Wenn heute Aussagen getroffen werden, wonach die Krise „überwunden sei“, es keine neue Krise mehr zu „unseren Lebzeiten“ geben kann (Janet Yellen) oder wir heute ein „sicheres, einfacheres und faireres Weltfinanzsystem“ hätten (Mark Carney), ist das angesichts der Güte der früheren Vorhersagen der Notenbanker ein Warnsignal erster Ordnung.

Die Behauptung, die Krise sei Dank des tatkräftigen Eingreifens der Notenbanken und Regierungen bewältigt worden, wird trotz gebetsmühlenhafter Wiederholung in den Medien nicht zutreffend. Richtig ist, dass die Notenbanken in der akuten Phase der Krise mit ihren Maßnahmen eine deflationäre Depression verhindert haben. Ebenso richtig ist jedoch, dass wir ohne die Politik der Notenbanken gar nicht in diese Lage gekommen wären und sie durch die Fortsetzung der Politik die Grundlage für eine noch größere Fortsetzung der Krise gelegt haben. Die Krise, die vor zehn Jahren begann ist noch nicht bewältigt.  

Nutzen wir die Zeit

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbanken ihren Kurs ändern, liegt bei Null. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Krise in eine noch dramatischere Phase eintritt, ist erheblich. Lediglich der Zeitpunkt ist offen. Sicher ist, dass die Notenbanken genau das fortsetzen werden, was sie seit Jahren machen. Sie werden den Schuldnern helfen, die Illusion der Werthaltigkeit ihrer Vermögenswerte und Schuldentragfähigkeit aufrecht zu erhalten. Das können sie nur mit einer immer weitergehenden Monetarisierung der Schulden wie hier immer wieder diskutiert. Die „Helikopter mit den Geldsäcken“ stehen schon bereit.

Für uns bleibt die Herausforderung, in einem strukturell deflationären Umfeld mit einer strategisch inflationären Geldpolitik Vermögenserhalt zu betreiben. Glaubt man an die Allmacht der Notenbanken, greift man zu Vermögenswerten, egal was sie kosten und kauft auf Kredit. Zweifelt man an der Macht der Notenbanken, stellt man sich auf die unweigerliche Schuldendeflation mit Pleiten, Schuldenrestrukturierung und Vermögensabgaben ein. Das Dilemma ist: wir müssen mit beidem rechnen.

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