Dieses Szenario zu verhindern und zugleich die US-Wirtschaft wie beabsichtigt zu reflationieren, gleicht einer Quadratur des Kreises. Es müsste gelingen, die Zinsen trotz Infrastrukturprogramm, Steuersenkungen und gestiegenen Inflationserwartungen im Zaum zu halten. Wie in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg, in denen strenge Kapitalmarktregulierungen tiefe Zinsen trotz hohem Nominalwachstum garantierten. Das wäre die von führenden Volkswirten seit Jahren herbei gesehnte „finanzielle Repression“, durch die die Schulden relativ zum Bruttoinlandsprodukt gesenkt und die Gläubiger auf schleichende Weise enteignet werden.
In den 1950er Jahren haben Kapitalverkehrskontrollen und ein sehr limitiertes Angebot an Geldanlageinstrumenten die finanzielle Repression ermöglicht. Auch heute bedürfte es ähnlicher Instrumente. Dass die Regierenden bereit sind, in diese Richtung zu gehen, zeigt alleine schon die Diskussion zum Thema Bargeldverbot. Die Notenbanken müssten ebenfalls eine sehr aktive Rolle spielen und die Zusage machen, die Zinsen unter allen Umständen unten halten. Es ist umstritten, ob sie es könnten.
Ich denke mit der Zusage, alles zu einem bestimmten Preis zu kaufen, könnte es ihnen gelingen. Das wäre natürlich verbunden mit dem Verlust der Unabhängigkeit der Notenbanken. Aber, seien wir ehrlich: der ist schon jetzt absehbar. Zu sehr haben sie sich zu Erfüllungsgehilfen unwilliger und unfähiger Politiker gemacht, und nicht nur Donald Trump fordert mehr Einfluss. Dabei dürfte er, sobald im Amt, nicht mehr auf höhere Zinsen drängen, sondern auf die umfassende und nachhaltige Garantie tiefer Zinsen.
Würde es funktionieren?
Bleibt die Frage: würde es überhaupt etwas bringen? Schließlich kann auch Donald Trump an den grundlegenden Problemen Demografie und Produktivität nichts ändern. Seine Haltung zur Zuwanderung könnte das Problem verschärfen. Andererseits ist die Beschäftigungsquote der 25 bis 54jährigen Amerikaner in den letzten Jahren deutlich gefallen. Bringt er mehr von diesen Menschen wieder in den Arbeitsmarkt, hilft dies den Betroffenen – seiner Kernzielgruppe in den Wahlen – und dem kurz- und langfristigen Wachstumspotential der US-Wirtschaft. Die Produktivität der US-Wirtschaft würde von Investitionen in die Infrastruktur unzweifelhaft profitieren.
Protektionismus wäre in diesem Szenario übrigens nur konsequent, würden doch sonst vor allem China und Deutschland von dem Programm profitieren. Statt darüber zu jammern, sollten wir in Europa eher darüber nachdenken, ein ähnliches Programm – Investitionen, tiefe Zinsen, finanzielle Repression – aufzulegen und der neuen US-Regierung so den Protektionismus ausreden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit des Trumpschen-Programms wäre umso höher, je mehr Regionen der Welt mitmachen.
Gelänge dies in Verbindung mit tiefen Zinsen, könnte es also funktionieren. Höheres Nominalwachstum und damit ein „schöner Schuldenabbau“ („beautiful deleveraging“) wie es der Hedgefondsmanager Ray Dalio nennt, wäre die Folge.
Aktienquote reduzieren
Für unsere Assetallokation ändert diese Analyse grundsätzlich nichts. Wir können uns nicht einseitig auf eines der Szenarien ausrichten, stehen die Chancen doch bestenfalls 50:50. Wir brauchen Inflations- und Deflationsschutz. Cash, Gold, Aktien und Immobilien bleiben das Gebot der Strategie. Kurzfristig würde ich mich jedoch zu einer meiner seltenen taktischen Empfehlungen hinreißen lassen: Aktienquote reduzieren. Die Märkte haben die Reflation, die ich vor der Wahl skizziert hatte, bereits gespielt.
Doch ist nicht nur der Erfolg, wie diskutiert, höchst unsicher. Auch die Realisierung steht noch in den Sternen. Angesichts der hohen Bewertung von (US-)Aktien ein guter Grund, Gewinne mitzunehmen. Viel Raum nach oben gibt es nicht mehr. Aber viel nach unten.