Stelter strategisch

Von wegen sichere Cash-Polster

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

US-Konzerne sitzen auf 1200 Milliarden Dollar Cash - größtenteils in Anleihen. Damit verdienen sie gutes Geld. Aber wie sicher sind diese Reserven? Je nach Szenario sind sie ein hohes Risiko für die Kapitalmärkte.

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Dollarscheine. Quelle: REUTERS

Immer wieder habe ich an dieser Stelle für Qualitätsaktien geworben. Unternehmen, die über starke und stabile Markpositionen in attraktiven Märkten mit überschaubarer Regulierung und hohen Eintrittsbarrieren verfügen, gut geführt sind und vor allem eine gesunde Bilanz vorweisen. Letzteres gemessen an vertretbarer Verschuldung und einem soliden Liquiditätspolster. Diese Unternehmen mögen zwar auf kurze Sicht wenig Fantasie versprechen, auf lange Sicht – und darum geht es bei Stelter Strategisch ja – schlagen Aktien mit diesem Profil den Markt.

1200 Milliarden Cash-Polster

Unter diesen Voraussetzungen sind hohe Liquiditätspolster positiv zu beurteilen. Es macht die Unternehmen unabhängiger von den Launen der Kreditgeber und sie können so besser auf Rezessionen und eigene Probleme reagieren.

Dachte ich bisher.

Das runderneuerte Portfolio von Warren Buffett

Doch dann kam die FT in der vergangenen Woche mit einer sehr interessanten Analyse auf den Markt. Alleine 30 US-Großkonzerne verfügen demnach über ein Cash-Polster von beeindruckenden 1200 Milliarden US-Dollar. Die Ursachen für den hohen Cash-Bestand sind vielfältig:

- Einige der Unternehmen – wie Microsoft und Apple – erzielen derart hohe Gewinne, dass sie schlichtweg keine vernünftigen Investitionsmöglichkeiten finden. Zugleich ist der Wandel in ihren Industrien so groß, dass sie immer über eine ausreichend große Kriegskasse für mögliche Übernahmen verfügen müssen.

- Die Anti-Trust-Behörden versagen seit Jahren in ihrer Kernaufgabe und lassen zu, dass in vielen Branchen der Wettbewerb unzureichend ist und damit Überrenditen dauerhaft bestehen.

- Das Wachstum der Realwirtschaft ist so gering, dass es nicht nötig ist, in großem Umfang zu investieren. Die Kapazitäten sind immer noch nicht ausgelastet.

- Anreizsysteme für das Management sind am kurzfristigen Erfolg ausgerichtet. Investitionen mit Zeithorizont lohnen sich daher nicht für das Management.

- Das US-Steuerrecht gibt einen starken Anreiz, ausländische Gewinne nicht in die USA zurückzuholen. Die Unternehmen bunkern deshalb das Geld im Ausland und verschulden sich im Inland, um Dividenden und Aktienrückkäufe zu finanzieren.

Insgesamt besitzen US-Nicht-Finanz-Unternehmen nach Daten der amerikanischen Notenbank 2000 Milliarden US-Dollar. Zeitgleich ist die Verschuldung der US-Unternehmen auf einen neuen Rekordstand gestiegen. Zum einen leihen sich Unternehmen mit hohem Cash-Bestand Geld für Dividenden und Aktienrückkäufe, zum anderen geht es längst nicht allen US-Unternehmen so gut. Allen gemein ist, dass sie über financial engineering Gewinne und Bewertungen treiben, während fundamental kaum Fortschritte zu erzielen sind.

Nicht wie Dagobert Duck

2000 Milliarden Dollar sind natürlich ein großer Brocken. Das wirft die Frage auf, was die Unternehmen damit machen. Sie werden nicht wie Dagobert Duck das Geld in einem Tresor aufbewahren und gelegentliche Bäder veranstalten. Sie sind gezwungen, dass Geld ertragsbringend anzulegen, vor allem wenn sie gleichzeitig auf der anderen Seite Zinsen für Kredite zahlen, die sie aufgenommen haben, um Ausschüttungen an die Aktionäre zu leisten. Die Unternehmen machen also ein Arbitragegeschäft und stehen unter Druck, entsprechende Renditen zu erwirtschaften.

Genauso wie bei uns Privatanlegern geht die Jagd nach höherer Rendite mit entsprechend höheren Risiken einher. So hat Microsoft 84 Prozent der 133 Milliarden Dollar Liquidität in US-Staatsanleihen und Anleihen von „government agencies“ (also beispielsweise des Immobilienfinanzierers Fannie Mae) angelegt. Nur zwölf Staaten besitzen mehr Staatsanleihen der USA als Microsoft. Da diese keinen ausreichenden Ertrag abwerfen, verleiht das Unternehmen die Wertpapiere, um einen Zusatzertrag zu erzielen.

Andere Unternehmen wie Apple setzen auf Unternehmensanleihen, um einen Mehrertrag zu erwirtschaften. Immerhin 150 Milliarden des Cash-Bestandes von über 250 Milliarden hat Apple in solche Anlagen investiert. Insgesamt haben die 30 US-Unternehmen mit den größten Liquiditätsreserven für

von Hauke Reimer, Heike Schwerdtfeger

- 423 Milliarden Unternehmensanleihen und Schuldverschreibungen

- 369 Milliarden Staatsanleihen und Schulden von Agencies

- über 40 Milliarden Hypothekenanleihen

gekauft.

Immer mehr agieren sie wie typische Wall Street Player mit eigenem Handelsraum und direkter Kreditvergabe. Die FT macht gar ein Herdenverhalten aus.

Trendverstärkend

Damit kauft, wer eines dieser Unternehmen kauft, neben einem realen Geschäft zunehmend auch ein (mehr oder weniger gut gemanagtes) Portfolio an Anleihen. Da wir wissen, dass es in einer überschuldeten Welt keine gute Idee ist, Gläubiger zu sein, gilt das auch für diese Unternehmen und ihre Aktionäre. Zwar dürften Kreditausfälle nicht existenzbedrohend sein. Ertragsmindernd sind sie allemal.

Käme es wirklich zu einem Zinsanstieg – ein Szenario welches ich nach wie vor für unwahrscheinlich halte – käme die Rendite der Unternehmen von zwei Seiten unter Druck. Zum einen würden die Finanzierungskosten steigen und damit die Rechnung für den Schuldenanstieg der vergangenen Jahre, zum anderen würden die Wertpapiere im Kurs sinken und damit Abschreibungen erforderlich machen.

Kommt es zu Verwerfungen an den Finanzmärkten, dürften sich die Liquiditätspolster – abgesehen von den Staatsanleihen – als weniger liquide erweisen, als gedacht. Die Regulierung der vorigen Jahre hat dazu geführt, dass die Banken weniger Anleihen im Bestand  halten und damit auch ihre Rolle als Market-Maker nicht mehr ausreichend wahrnehmen können. Auch dies muss kein Problem sein, sofern die Unternehmen nicht verkaufen müssen, zeigt aber das grundlegende Problem.

Interessanter dürften die Folgen einer Steuerrechtsänderung in den USA sein. Sollte die US-Regierung doch noch eine Reform der Unternehmensbesteuerung auf den Weg bringen – und das ist aus meiner Sicht sehr wahrscheinlich – dürften die Unternehmen einen großen Anreiz haben, dass im Ausland gebunkerte Geld in die USA zu transferieren. Nicht um zu investieren, wie es wünschenswert wäre, sondern um Schulden zu tilgen und Aktionäre zu beglücken.

Die Folge wäre zum einen ein stärkerer US-Dollar. Nach dem letzten (temporären) Steuerrabatt legte der US-Dollar über mehrere Monate rund 15 Prozent zu. Gleiches könnte auch heute drohen. Kommen die Preise von Anleihen unter Druck, käme es in der Tat zu dieser Art des Deleveraging. Die Unternehmen würden Anleihen verkaufen und weniger nachfragen. Ein etwaiger Zinsanstieg würde so beschleunigt.

Alles nicht dramatisch, aber trendverstärkend. Problematisch sind diese Cash-Polster erst dann, wenn wir uns einer Lösung für unser Überschuldungsproblem nähern. Schuldenrestrukturierungen würden die Forderungen der Unternehmen genauso treffen, wie eine deutliche Inflation. Es ist keine gute Idee, in einer überschuldeten Welt Gläubiger zu sein. Das gilt auch für die Creme der US-Wirtschaft.

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