Stelter strategisch

Weichenstellung an den Kapitalmärkten

Daniel Stelter Quelle: Presse
Daniel Stelter Unternehmensberater, Gründer Beyond the Obvious, Kolumnist Zur Kolumnen-Übersicht: Stelter strategisch

Donald Trumps Politik könnte schon 2017 eine der größten Fragen der Wirtschaftswissenschaftler klären: Droht den Industrieländern eine Dauerstagnation? Die Antwort dürfte die Kapitalmärkte durchschütteln. So oder so.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump könnte an den Kapitalmärkten die Weichen stellen - für Jahrzehnte. Quelle: REUTERS

Im Herbst 2013 hielt der frühere US-Finanzminister und jetzige Harvard-Professor Larry Summers bei einer Konferenz des Weltwährungsfonds (IWF) eine vielbeachtete Rede, in der er der Weltwirtschaft eine jahrzehntelange Stagnation prophezeite. Ursächlich sei der Überhang an Ersparnissen, die nicht ausreichend zu Investitionen führten.

Sichtbar würde dies an den anhaltenden Handelsungleichgewichten - mit China, Japan und Deutschland als Sparer auf der einen und den USA, Großbritannien und der Peripherie Europas als Schuldner auf der anderen Seite. Die Zinsen sänken trotz des Ersparnisüberhangs nicht weit genug, um mehr Investitionen anzuregen. Ergebnis: eine mehrjährige Stagnation. Summers nannte es „säkulare Stagnation“, ich nenne es Eiszeit.

Die Folgen wären fatal. Nichts kann eine überschuldete Wirtschaft weniger gebrauchen als geringes Wachstum. Je geringer das Wachstum desto höher die Last der Schulden und die Wahrscheinlichkeit, dass diese nicht mehr bedient werden können. Die Wirkung auf Renten- und Sozialsysteme wäre ebenfalls verheerend. Die heute schon schwer zu erfüllenden Versprechungen würden vollkommen unrealistisch.

Deutsche mögen Gold, halten aber am Sparbuch fest
Fragt man die Deutschen nach attraktiven Anlageformen, sind sie sich weitgehend einig: Das Eigenheim, die betriebliche Altersvorsorge und Gold. Trotzdem setzt das Gros immer noch auf renditearme Sparbücher, Tages- und Festgeldkonten, wie das Investmentbarometer der GfK zeigt. Hier erfahren Sie, wie groß die Diskrepanz zwischen Einschätzung und Umsetzung ausfällt.Zur Studie: Seit 1999 untersucht das GfK-Investmentbarometer, wie sich Privatanleger in den USA und Europa verhalten. Für die aktuelle Studie haben die Konsumforscher im November 2016 in Deutschland, den USA, Italien, Frankreich und Großbritannien rund 5000 Menschen danach befragt, welche Finanzanlagen die Menschen besitzen und wie attraktiv sie verschiedene Sparmöglichkeiten und Finanzprodukte finden. Allein in Deutschland wurden 2000 Menschen befragt. Quelle: dpa
Rang 1: ImmobilienDie attraktivste Form der Geldanlage ist für die Deutschen die eigene Immobilie. 76 Prozent der Befragten gaben an, dass Investitionen in eine private Wohnung oder ein Haus attraktiv oder sehr attraktiv seien. De facto haben hierzulande aber nur 46 Prozent ihr Geld in eine Immobilie investiert. Auch für die Franzosen, Italiener und Briten sind Immobilien die attraktivste Form der Geldanlage. Quelle: dpa
Rang 2: Betriebliche AltersvorsorgeUm sich auf dem Altenteil nicht auf die gesetzliche Rente verlassen zu müssen, sorgen Millionen Bundesbürger vor. Die beliebteste Form: die betriebliche Altersvorsorge, auf die seit 2002 jeder Arbeitnehmer qua Gesetz Anspruch hat. Arbeitnehmer können einen Teil ihres Gehalts oder Sonderzahlungen als Beiträge in ihre betriebliche Altersvorsorge einzahlen. Der Arbeitgeber wiederum legt diesen Betrag für die Arbeitnehmer an – der Arbeitnehmer spart zudem Steuern und Sozialabgaben. 42 Prozent der Befragten gab an, die betriebliche Altersvorsorge für attraktiv oder sehr attraktiv zu halten. Die Realität zeigt: Aktuell nutzt sie nicht einmal jeder Fünfte. Nur 18 Prozent sind es. Quelle: obs
Rang 3: GoldGold gilt vor allem in unsicheren Zeiten als sichere Anlageform. 38 Prozent der Deutschen finden es als Anlageform attraktiv. Allerdings sind es nur 6 Prozent, die ihr Geld wirklich in Gold anlegen – nirgendwo ist die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität so groß. Quelle: REUTERS
Rang 4: BausparvertragDer Bausparvertrag ist insbesondere bei den Deutschen beliebt – was laut den Autoren das Bedürfnis der Deutschen nach sicheren Anlagen unterstreicht. 32 Prozent geben an, Bausparen attraktiv oder sehr attraktiv zu finden – und 29 Prozent legen ihr Geld auch wirklich so an. Quelle: dpa
Rang 5: Private RentenversicherungDie private Rentenversicherung sagt immerhin 28 Prozent der Deutschen als Form der Geldanlage zu. 21 Prozent der Befragten sorgen tatsächlich privat für ihre Rente vor. Quelle: dpa
Rang 6: Private KapitallebensversicherungDie private Kapitallebensversicherung ist eine Kombination aus Kapitalaufbau und Hinterbliebenenschutz. 21 Prozent der Befragten empfindet sie als eine attraktive Geldanlage – genauso viele legen einen Teil ihres Geldes auch dort an. Quelle: dpa

Die Empirie scheint die Argumentation von Summers zu stützen: Die Erholung der westlichen Volkswirtschaften seit der Finanzkrise ist sehr schwach. Die Wirtschaftsleistung einiger Länder wie Italien befindet sich noch immer unter Vorkrisenniveau, überall liegt die Wirtschaft deutlich unter dem Vorkrisentrend.

Der Lösungsvorschlag von Summers liegt auf der Hand: Zinsen im deutlich negativen Bereich und schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme sollen die Stagnation überwinden. Vor allem die Länder mit großen Handelsüberschüssen sollen endlich mehr investieren und so ihren Beitrag zur Verringerung der Ersparnisüberhänge leisten. Daher auch die Diskussion um die deutschen Handelsüberschüsse.

Stagnation eher Folge von zu vielen Schulden

Regelmäßige Leser meiner Kommentare wissen, dass ich die These der Ersparnisüberhänge nicht teile. Vielmehr dürfte das geringe Wachstum Folge des massiven Schuldenüberhangs sein. Die Dimensionen des Schulden- (und damit Forderungs-!) anstiegs sind gigantisch. Seit 1980 haben sich die Schulden von Staaten, Nicht-Finanzunternehmen und privaten Haushalten in der westlichen Welt von 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukte (BIP) auf mehr als 340 Prozent des BIP verdoppelt. Real, also nach Inflation, haben Unternehmen mehr als dreimal, Staaten mehr als viermal und private Haushalte mehr als achtmal so viele Schulden wie 1980.

Verschärft wird die Stagnation durch geringe Produktivitätszuwächse – die wiederum Folge der unproduktiven Verwendung der Schulden sind – und schrumpfende Erwerbsbevölkerungen. Mein Rezept zur Überwindung der Stagnation ist denn auch ein anderes: Restrukturierung der Schulden, Investitionen in Bildung und Innovation, Erhöhung der Erwerbstätigenquote und eine radikale Automatisierung.

Die Notenbanken haben in den vergangenen Jahren alles getan, um die von Summers diagnostizierte säkulare Stagnation zu überwinden. Bisher ohne Erfolg. Als nächstes stehen notenbankfinanzierte Konjunkturprogramme, das sogenannte Helikoptergeld, auf dem Programm. Auf die Idee, dass die These der säkularen Stagnation falsch sein könnte, und es vielmehr daran liegt, dass die Geldpolitik nicht wirkt, kommt man in den Büros der Notenbanker offensichtlich nicht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%