Superzyklus am Ende Trübe Aussichten für Rohstoffinvestments

Viele Rohstoffpreise sind im Sinkflug. Das liegt auch an der schwächelnden Weltkonjunktur und dem starken Dollar. Doch Förderländer und Unternehmen haben auch selbst dafür gesorgt.

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Rohstoffpreise unter Druck

Autofahrer und Ölverheizer dürfen für den Winter optimistisch sein. Einiges spricht dafür, dass die Öl- und Benzinpreise weiter fallen. Nach exzessiven Preissteigerungen während der Finanzkrise und der damit einhergehenden Konjunktureinbrüche weltweit hatte sich der Ölpreis noch nahezu verdoppelt und seitdem das Niveau über 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) unter Schwankungen verteidigt. Nun aber scheint der Abwärtssog zu stark. Und die Rohstoffpreise könnten noch länger fallen.

Der Preis für Öl ist an den Rohstoffmärkten vor allem seit Sommer massiv gefallen. Bei der Leichtölsorte WTI betrug das Minus 15 Prozent, bei der schweren Nordseevariante Brent war es ein Rückgang um 20 Prozent. Die schwächeren Konjunkturprognosen – etwa seitens des Internationalen Währungsfonds – drückten den Ölpreis nach unten, so die Rohstoffexperten der Commerzbank.

Aus Sicht des Commerzbank-Analysten Carsten Fritsch ist sogar ein Abrutschen des Brent-Preises unter 90 Dollar gut möglich. Mit dieser Einschätzung ist er nicht allein. Die Experten der US-Ratingagentur Fitch halten gar Preise von 80 Dollar für denkbar. "Es sieht so aus, als ob der Abwärtstrend noch nicht zu Ende ist", sagt auch Rohstoff-Experte Robin Bieber vom Erdöl-Broker PVM Oil Associates.

So funktioniert der Rohstoffhandel

Nachfrage sinkt, Angebot steigt

Dass die Konjunkturaussichten dahinter stecken, ist aber nur die halbe Wahrheit. Zwar steht und fällt die Ölnachfrage mit der weltweiten Konjunktur. Auch sorgt die starke US-Konjunktur seit dem Sommer für einen steigenden Dollarkurs. Das macht Rohstoffe generell für viele Abnehmerländer teurer, da sie zumeist in der US-Währung gehandelt werden.

Aber dass die Krisen und Kriege im Nahen Osten – dem weltweit wichtigsten Fördergebiet für Erdöl – nicht für steigende Ölpreise sorgen, ist Indiz dafür, dass der wichtige Rohstoff derzeit alles andere als knapp ist. Im Gegenteil: Öl gibt es zurzeit im Überfluss.

Die Rohstoffpreise bewegen sich auf breiter Front abwärts. Der Grund: In den vergangenen Jahren ist die Produktionsmenge für Rohstoffe für Öl, Kupfer, Stahl oder Edelmetalle gestiegen. Die Eisenerzproduktion zum Beispiel hat sich im vergangenen Jahrzehnt verdreifacht. Das Angebot ist bei vielen Rohstoffen deutlich gewachsen.

Gleichzeitig war die Entwicklung der Nachfrage verhaltener oder sogar rückläufig. Beispielswiese fielen die Wachstumsraten in China zuletzt wie schon in den Jahren zuvor niedriger aus, als viele Experten erwartet hatten. Weil das Land nach Schätzungen 40 Prozent der weltweiten Kupfer-, Zink- und Aluminiumproduktion verbraucht, hat Chinas Wachstumsprognose unmittelbaren Einfluss auf die Rohstoffpreise.

Superzyklus zeigt abwärts

Was Rohstoffexperten den Superzyklus am Rohstoffmarkt nennen, beschreibt ein generelles Problem des Marktes. In Jahren mit kräftig steigenden und hohen Rohstoffpreisen lohnen sich für die Rohstoffkonzerne Investitionen in die Erschließung neuer Vorkommen – selbst wenn die Kosten dafür höher sind als bei bestehenden Produktionsstätten.

Fracking und Tiefseebohrungen lohnen plötzlich den Aufwand für die Ölförderung, bei Metallen ist der Abbau weniger gehaltvoller und schwer zugänglicher Erzvorkommen dann wirtschaftlich.

Der Haken: Bis die Rohstoffproduktion aus neuen Ölquellen oder Minen anläuft, gehen meist viele Jahre ins Land. Aber dann steigt das Rohstoffangebot und bringt die Preise unter Druck. Bis dahin kann die Weltkonjunktur Kapriolen schlagen. Ist die Konjunktur schwach, trifft zusätzliches Angebot auf sinkende Nachfrage, ergo fallen die Preise noch schneller.

Nur wenn Angebot und Nachfrage parallel steigen, gehen hohe oder gar steigende Preise mit höheren Produktionsmengen einher. In dieser Phase nähert sich ein Rohstoff-Superzyklus seinem hoch. Und wie es aussieht, ist dieser Höhepunkt seit 2011 überschritten. Seitdem fallen zum Beispiel auch die Wachstumsraten Chinas.

Immer mehr Rohstoffexperten sehen den Superzyklus am Ende – auch wenn jeder Rohstoff im Grunde für sich allein betrachtet werden muss. Beim Ölpreis wird das jedoch besonders deutlich.

Neue Anbieter, mehr Förderung

Beim Öl stammt das Überangebot vor allem vom Fracking-Boom in den USA. Die USA produzieren dank des Verfahrens, dass mittels Druck und Chemikalien Öl und Gas aus tief liegendem Schiefergestein presst, wieder mehr Öl als sie selbst verbrauchen. Mittelfristig will das Land sogar Öl exportieren, nachdem es jahrelang ein großer Importeur war.

So füllen sich die US-Rohöllagertanks seit Monaten: Allein in der vergangenen Woche nahmen sie nach Angaben des Branchenverbands American Petroleum Institute (API) um mehr als fünf Millionen Barrel à 159 Liter zu. Analysten hatten lediglich einen Zuwachs um zwei Millionen Barrel erwartet.

von Benjamin Reuter, Philipp Mattheis

Auch Kanada will seinen neuen Ölreichtum aus dem umstrittenen Abbau von Teersand in Zukunft exportieren und baut sein Pipeline-Netz kräftig aus, um das Öl zur Verschiffung an die Küste zu transportieren. In der jüngeren Vergangenheit haben selbst die OPEC-Länder, der Zusammenschluss der Erdöl exportierenden Staaten, ihre Förderung noch ausgedehnt. Vor allem Saudi-Arabien – der größte Erdölförderer der Welt – braucht die Einnahmen aus dem Ölverkauf für die Staatskasse.

Das Ölangebot wächst also von vielen Seiten, während die Nachfrage stagniert. Nun warten viele gespannt auf die OPEC-Sitzung Ende November und eine mögliche Drosselung der Fördermenge, um den weiteren Preisverfall zu stoppen. Wird Öl aber zu billig, fehlt nämlich ebenso Geld im Staatssäckel. Dafür will sich auch Venezuela, selbst eines der größten Förderländer, in der OPEC stark machen.

Droht eine Abwärtsspirale?

Ob das mittelfristig eine Abwärtsspirale beim Ölpreis verhindern kann, bleibt fraglich. Denn es droht ein Preiskampf mit Anbietern außerhalb der OPEC. Schon jetzt gewährt Saudi-Arabien Abnehmern aus Asien einen Rabatt. Die zentralistische Macht der OPEC auf dem Weltmarkt für Öl löst sich anscheinend Stück für Stück auf, andere Förderländer gewinnen an Bedeutung.

Industriemetalle unter Druck

Bei den Metallen gibt es solche mächtigen Spieler nicht, auch wenn es vor allem eine Handvoll großer Rohstoffkonzerne wie BHP Billiton, Rio Tinto oder Glencore Xstrata sind, die große Marktanteile beherrschen.

Industriemetalle wie Kupfer und Aluminium sind daher dem Spiel der Märkte ausgesetzt. Der Kupferpreis stieg nach 2003 in nur fünf Jahren von 1.500 US-Dollar um das Fünffache auf etwa 8.800 Dollar. Nach einem gewaltigen Einbruch im Zuge der weltweiten Finanzkrise erholte sich der Kupferpreis in rasantem Tempo sogar bis auf 10.000.

Doch seit Anfang 2011 zeigt der Chart abwärts. Das Bild bei Aluminium ist ähnlich, auch wenn sich der Preis seit dem Jahresanfang kräftig erholte. Der Superzyklus scheint auch hier auf dem absteigenden Ast.

Mit sich aufhellender Konjunktur könnten sich die Kupfer- oder Aluminiumpreise erholen. Aber auch hier geht es seit dem Sommer abwärts, weil sich die Aussichten wieder eintrüben. Erst langsam senken die Hersteller ihre Produktion. Große Anbieter wie der US-Konzern Alcoa setzten daher vermehrt auf weiterverarbeitete oder andere Produkte. Einzig bei Nickel hat die Angst vor einem zu knappen Angebot zugenommen und die Preise getrieben. Aber auch hier läuft seit dem Sommer eine Korrektur nach unten.

Edelmetallnachfrage verlässt Krisenszenario

Bei den Edelmetallen ist die Lage wieder anders. Zwischen 2009 und 2011 waren neben Gold auch Silber, Platin und Palladium als Krisenmetalle gefragt. Die Minenkonzerne versuchten, ihre Produktion zu erhöhen. Aber je mehr die Krise ihren Schrecken verlor, umso mehr Spekulanten setzten lieber wieder auf Aktien, Anleihen und andere Wertpapiere.

Während der Goldpreis im Wesentlichen durch Nachfrager bestimmt wird, die sich gegen Anlage- und Währungsrisiken versichern wollen, sind Silber, Platin und Palladium auch für die Industrie ein wichtiger Rohstoff, etwa für die Produktion von Katalysatoren und Elektronikbauteile.

Die Schwäche der Weltkonjunktur und der Rückzug der Kriseninvestoren ließ die Preise fallen. Spätestens seit dem vergangenen Juni geht es mit den Preisen abwärts – wie bei allen Rohstoffen durch den starken Dollar beschleunigt.

Es gibt kaum einen Grund, warum die Preise den langfristigen Trend in den nächsten Monaten verlassen sollten. Denn auch wenn Edelmetalle in ihren Vorkommen begrenzt sind: wirklich knapp sind sie derzeit nicht. Erst wenn die Konjunktur und vor allem die Nachfrage der Automobilindustrie wieder deutlich anziehen, könnten die Metalle knapp werden. Dann aber dürften auch größere Förderkapazitäten zur Verfügung stehen.

Kommt es zu einer neuen Finanz- oder Geldkrise, wären Edelmetalle wieder auf einen Schlag begehrt. So mancher Anleger sieht daher in den aktuellen Preisrückgängen Kaufgelegenheiten. Gemessen an den Produktionskosten seien die Preise so niedrig, wie seit Ausbruch der Finanzkrise nicht mehr. Kehren die Krisenspekulanten an die Edelmetallmärkte zurück, dürften die Edelmetalle wieder kräftig steigen.

Agrargüter nur einzeln betrachten

Rohstoffe sind wahrlich keine homogene Anlageklasse - und nicht alle hängen an der Konjunktur. Missernten - wie beim Kaffee durch die schlimme Dürre in Brasilien - haben weit größeren Effekt auf die Preise als die Wachstumsraten in China. Auch die Lagerhaltung ist entscheidend.

Und beim Kakao ist es sogar die Sorge um die Ebola-Epidemie auf dem afrikanischen Kontinent, beim Schweinfleisch war es ein Schweinevirus in den USA. Mittelfristig belastet ein starker Dollar den Markt. Langfristig aber profitieren die Preise für landwirtschaftliche Güter von der wachsenden Weltbevölkerung. Aber auch hier schein der theoretisch intakte Superzyklus Pause zu machen. Seit 2011 zeigt zum Beispiel der Index für Agrarrohstoffe eher nach unten.

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