Tief beim Ölpreis Comeback der Ölbunker auf See

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Niedrige Preise nicht auf Dauer haltbar

Auch der renommierte Ölhändler Andrew Hall geht davon aus, dass die schwimmenden Öllager prinzipiell wieder Sinn ergeben könnten, weil der Ölpreis bei spätestens 40 Dollar je Fass einen Boden finden und sich im zweiten Halbjahr merklich erholen werde.

„Die derzeitigen Preise haben mehr mit Politik und kurzfristiger Einflussnahme von außen zu tun, als mit Angebot und Nachfrage. Sie sind daher nicht auf die Dauer haltbar“, schrieb Hall.  "Die Kombination aus kurzen, heftigen Einbrüchen beim Ölpreis und nach wie vor hoher Nachfrage auf die lange Sicht macht hier Spekulationen grundsätzlich interessant,” sagte Halls.

Einträgliche Ölgeschäfte in der Finanzkrise

Das war schon 2008 und 2009 zu beobachten, als die Rohstoffpreise im Zuge der Finanzkrise ebenfalls unter die Räder kamen und Investmentbanken und Hedgefonds vollgeladene Tanker um den Erdball schippern ließen, um kurzfristige Ölpreisdellen auszusitzen. Mehr als 100 Millionen Barrel Öl sollen damals Ölhändler und Hedgefonds über mehrere Monate auf den Weltmeeren geparkt haben, um das Öl dem Markt temporär zu entziehen und später mit Gewinn zu verkaufen.

Die Gewinner und Verlierer des billigen Öls
Das weltweite Überangebot und die schwächelnde Nachfrage setzen dem Ölpreis immer stärker zu. In den vergangenen sechs Monaten verbilligte sich die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee um fast die Hälfte. Mit 62,75 Dollar kostet ein Barrel (Fass zu 159 Liter) derzeit so wenig wie zuletzt im Juli 2009. Die US-Sorte WTI ist sogar bereits unter die 60-Dollar-Grenze gefallen. Ein Ende dieser Talfahrt ist der Internationalen Energieagentur zufolge nicht in Sicht. Sie geht davon aus, dass sich das Überangebot in der ersten Jahreshälfte 2015 auf zwei Millionen Barrel täglich vergrößern wird. Gleichzeitig senkten die Experten ihre Prognose für das Nachfragewachstum um 230.000 auf 900.000 Barrel pro Tag. Wegen des Ölpreis-Verfalls schraubten die Förderfirmen zwar ihre Investitionen bereits zurück, fügt die IEA hinzu. Eine baldige deutliche Kürzung der Fördermengen sei dennoch nicht zu erwarten. Nachfolgend finden Sie die Gewinner und Verlierer des niedrigen Ölpreises. Quelle: REUTERS
Zu den Leidtragenden des fallenden Ölpreises zählen die Förderländer, deren Haupteinnahme-Quelle der Export des Rohstoffs ist. Besonders hart trifft es Russland, dessen Wirtschaft zusätzlich unter den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise leidet. Der Moskauer Aktienindex RTS brach aus diesem Grund binnen weniger Monate um rund ein Drittel ein. Gleichzeitig taumelt der Rubel zum Dollar und Euro von Rekordtief zu Rekordtief. Quelle: REUTERS
Das Gleiche wie für Russland und den Rubel gilt für die Währung Nigerias. Obwohl die Notenbank des Landes binnen Jahresfrist etwa 20 Prozent ihrer Devisenreserven für Stützungskäufe aufgewendet hat, fallen die Naira-Kurse. Öl und Erdgas machen nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) fast die kompletten Exporte des Landes aus und 80 Prozent der Staatseinnahmen. Sogar eine Staatspleite ist nicht mehr auszuschließen. Quelle: dpa
Finanzielle Schlagseite hat auch Venezuela, dessen Deviseneinnahmen zu 96 Prozent aus dem Ölexport stammen. Daher werfen Anleger die Staatsanleihen des südamerikanischen Landes in hohem Bogen aus ihren Depots. Dies treibt die Rendite der Papiere mit einer Laufzeit bis 2027 auf 23,4 Prozent - im Sommer lag sie nur halb so hoch. Gleichzeitig stürzt die venezolanische Währung ab. Auf dem Schwarzmarkt müssen für einen Dollar 175 Bolivar gezahlt werden. Der offizielle Kurs liegt dagegen bei 6,30 Bolivar. Quelle: REUTERS
Die Aktienbörsen der Opec-Staaten Saudi-Arabien und Kuwait stehen zwar ebenfalls unter Druck. Da diese beiden Staaten Rohöl aber relativ günstig fördern und immer noch Gewinn machen, halten sich die Kursverluste hier in Grenzen. Außerdem können die Regierungen in Riad und Kuwait City Einnahme-Ausfälle mit ihren dicken Finanzpolstern abfedern, betonen die Experten der DekaBank. Quelle: dpa
Auf Unternehmensseite macht die Talfahrt des Ölpreises vor allem Förderfirmen wie Exxon, BP & Co. zu schaffen. Die im europäischen Branchenindex gelisteten Firmen haben seit Jahresmitte zusammengerechnet etwa 300 Milliarden Dollar an Börsenwert eingebüßt. Das entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung Dänemarks. Quelle: REUTERS
Bei den russischen Konzernen Gazprom und Rosneft seien sogar die Dividenden für das laufende Jahr in Gefahr, warnt Analyst Pawel Sorokin vom Bankhaus Morgan Stanley. Außerdem müsse für 2015 mit deutlichen Gewinneinbußen gerechnet werden. Quelle: REUTERS

Die Banken verkauften die Fracht gleich zu einem Termin im Winter. Wegen der Weltwirtschaftskrise waren damals ebenfalls die Charterkosten für Schiffe im Keller. Experten schätzten den Profit auf im Schnitt zwei Millionen Dollar im Monat je Tanker – allein für das Liegenlassen des Öls. Auch Hedgefonds verdienten bei diesem Spiel.

Diesmal müssen sich die Investmentbanken im Geschäft mit physischem Öl allerdings zurückhalten. Dass Händler und Banken auf einen Anstieg des Ölpreises spekulieren, sei kein neues Phänomen, sagt Daniel Yergin, US-Ökonom und Öl-Experte gegenüber WirtschaftsWoche Online.

„Neu ist, dass sich das Geschäft von den Banken zu den Hedgefonds verlagert. Denn nach dem US-Finanzmarktregulierungsgesetz, Dodd-Franc-Act, sind Eigenhandel und Spekulationsgeschäfte mit Rohstoffen verboten beziehungsweise streng reguliert“, so Yergin.

Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl

Der Trick mit den Öltankern könnte aber auch ohne die Banken erneut Schule machen. Insgesamt sollen nach ersten Schätzungen bislang zwischen zwölf und 15 Millionen Barrel an Lagerkapazitäten auf See gebucht. Und es gebe weitere Anfragen, verlautete aus Schifffahrtskreisen.

Den Schifffahrtslisten zufolge kosten die Tanker zum Teil deutlich weniger Miete als sonst üblich, da es sich oft um ältere Schiffe und um langfristige Mietverträge von bis zu zwölf Monaten handelt. Die Rede ist von weniger als 40.000 Dollar am Tag, 20.000 bis 30.000 Dollar unter dem aktuellen Durchschnitt. von der Nachrichtenagentur Bloomberg im Dezember befragte Analysten schätzen die durchschnittliche Tagesmiete für 2015 auf 35.000 Dollar.

Schiffsmieten schwanken stark

Allerdings schwanken die Tankermieten auch sehr stark. Laut Weinberg sind beispielsweise die Mieten für Riesentanker der Größe VLCC (very large crude carriers), die vom Arabischen Golf nach Asien fuhren, zwischen September und Dezember von 15.000 auf 80.000 Dollar pro Tag gestiegen. Für Ölhändler und Hedgefonds lohnt sich ein schwimmendes Öllager daher nur, wenn die Schiffsmiete niedrig und ein gewisse Expertise in der Lagerhaltung von Öl vorhanden sind

Zumindest die norwegische Öltanker-Reederei Frontline Ltd., geführt vom Milliardär John Fredriksen, hat schon vom neuen Geschäft mit der Öllagerung profitiert. Im Handel an der Börse in Oslo trieb die Fantasie der Anleger den Aktienkurs vorübergehend um 13 Prozent in die Höhe, am frühen Nachmittag lag sie noch fast neun Prozent im Plus.

Schifffahrtsanalyst Eirik Haavaldsen von Pareto Securities in Oslo ist optimistisch: „Das erneute Auftauchen der schwimmenden Lager könnte den Markt für Öltanker in diesem Jahr von ziemlich gut auf ein sehr, sehr gutes Niveau hieven.“

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