Auch der renommierte Ölhändler Andrew Hall geht davon aus, dass die schwimmenden Öllager prinzipiell wieder Sinn ergeben könnten, weil der Ölpreis bei spätestens 40 Dollar je Fass einen Boden finden und sich im zweiten Halbjahr merklich erholen werde.
„Die derzeitigen Preise haben mehr mit Politik und kurzfristiger Einflussnahme von außen zu tun, als mit Angebot und Nachfrage. Sie sind daher nicht auf die Dauer haltbar“, schrieb Hall. "Die Kombination aus kurzen, heftigen Einbrüchen beim Ölpreis und nach wie vor hoher Nachfrage auf die lange Sicht macht hier Spekulationen grundsätzlich interessant,” sagte Halls.
Einträgliche Ölgeschäfte in der Finanzkrise
Das war schon 2008 und 2009 zu beobachten, als die Rohstoffpreise im Zuge der Finanzkrise ebenfalls unter die Räder kamen und Investmentbanken und Hedgefonds vollgeladene Tanker um den Erdball schippern ließen, um kurzfristige Ölpreisdellen auszusitzen. Mehr als 100 Millionen Barrel Öl sollen damals Ölhändler und Hedgefonds über mehrere Monate auf den Weltmeeren geparkt haben, um das Öl dem Markt temporär zu entziehen und später mit Gewinn zu verkaufen.
Die Banken verkauften die Fracht gleich zu einem Termin im Winter. Wegen der Weltwirtschaftskrise waren damals ebenfalls die Charterkosten für Schiffe im Keller. Experten schätzten den Profit auf im Schnitt zwei Millionen Dollar im Monat je Tanker – allein für das Liegenlassen des Öls. Auch Hedgefonds verdienten bei diesem Spiel.
Diesmal müssen sich die Investmentbanken im Geschäft mit physischem Öl allerdings zurückhalten. Dass Händler und Banken auf einen Anstieg des Ölpreises spekulieren, sei kein neues Phänomen, sagt Daniel Yergin, US-Ökonom und Öl-Experte gegenüber WirtschaftsWoche Online.
„Neu ist, dass sich das Geschäft von den Banken zu den Hedgefonds verlagert. Denn nach dem US-Finanzmarktregulierungsgesetz, Dodd-Franc-Act, sind Eigenhandel und Spekulationsgeschäfte mit Rohstoffen verboten beziehungsweise streng reguliert“, so Yergin.
Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl
Deutschland kann aus eigenen Quellen gut zehn Prozent seines Bedarfs decken. Der Rest wird überwiegend aus Norwegen (gut ein Viertel) und den Niederlanden (knapp ein Fünftel) geliefert. In unterirdischen Speichern wird im Regelfall der Bedarf für mindestens zwei Monate vorgehalten. Russland ist somit größter Lieferant beider Brennstoffe für Deutschland. Beim Gas bezieht auch die EU insgesamt rund ein Viertel ihres Verbrauchs aus Russland.
Die Hälfte des russischen Gases nimmt den Weg über die Ukraine. Da beide Länder schon häufig über Preise, Transitgebühren und Lieferungen stritten und zeitweise die Versorgung unterbrochen war, wurden in Europa Alternativen gesucht. So wurde die Pipeline Nord Stream, die von Russland über den Ostseegrund direkt nach Deutschland führt, gebaut. Sie ist nicht ausgelastet und könnte weiteres Gas aufnehmen, sollte über die Ukraine nicht mehr geliefert werden. Daneben strömt ein großer Teil des Brennstoffes auch über die Jamal-Pipeline über Weißrussland und Polen nach Deutschland.
Ein weiterer Weg wäre der Import von flüssigem Erdgas etwa aus dem Nahen Osten über Tanker nach Deutschland. In der Bundesrepublik gibt es aber kein Terminal zum Entladen. Auch eine Einfuhr etwa über Rotterdam spielt kaum eine Rolle.
Gas wird in Deutschland zum Heizen, für die Industrie und die Stromherstellung gebraucht. Letztere hat im Zuge der Energiewende an Bedeutung verloren, da die Kraftwerke durch Ökostrom-Anlagen verdrängt werden.
Daran ändert auch der Druck auf die Gaspreise weltweit nichts. Zwar steigt der Energiehunger in China und Indien. Auf der anderen Seite aber hat der Boom der Schiefergas-Gewinnung, dem sogenannten Fracking, die USA von Importen unabhängig gemacht. Das Land will nun sogar Gas ausführen. Auch die Ukraine wollte das Potenzial von Schiefergas nutzen und sich unabhängiger von Russland machen. Das erste Projekt zur Schiefergasförderung wurde Anfang 2013 zwischen der ukrainischen Regierung, dem Konzern Royal Dutch Shell und dem ukrainischen Partner Nadra geschlossen. Es geht um eine Fläche von der Größe des Saarlands. Der russische Gasmonopolist Gazprom hatte sich angesichts der Fracking-Konkurrenz zuletzt verstärkt bemüht, den Absatz nach Westeuropa zu sichern.
Russland ist auch Deutschlands größter Öllieferant. An Position zwei und drei liegen Großbritannien und Norwegen mit jeweils um die zehn Prozent. Auch Libyen, Nigeria und Kasachstan spielen ein Rolle. Gespeichert wird in Deutschland Öl für den Bedarf von mindestens 90 Tagen.
Der größte Teil des russischen Öls kommt über die Pipeline Druschba (Freundschaft) über Weißrussland und Polen ins brandenburgische Schwedt. Ein zweite Leitung führt über das Gebiet der Ukraine.
Öl wird als Treibstoff, für die Chemie, aber auch in vielen anderen Grundstoff-Industrien benötigt. Auch als Heizöl wird es in Deutschland oft eingesetzt. Der Preis ist nach jahrelangem Anstieg auf dem Weltmarkt etwas zurückgegangen. Die EU und Deutschland versuchen sich über den Einsatz von Biokraftstoffen und Elektroautos langfristig unabhängiger von Erdöl zu machen. Die Abhängigkeit bleibt aber für die kommenden Jahrzehnte hoch.
Der Trick mit den Öltankern könnte aber auch ohne die Banken erneut Schule machen. Insgesamt sollen nach ersten Schätzungen bislang zwischen zwölf und 15 Millionen Barrel an Lagerkapazitäten auf See gebucht. Und es gebe weitere Anfragen, verlautete aus Schifffahrtskreisen.
Den Schifffahrtslisten zufolge kosten die Tanker zum Teil deutlich weniger Miete als sonst üblich, da es sich oft um ältere Schiffe und um langfristige Mietverträge von bis zu zwölf Monaten handelt. Die Rede ist von weniger als 40.000 Dollar am Tag, 20.000 bis 30.000 Dollar unter dem aktuellen Durchschnitt. von der Nachrichtenagentur Bloomberg im Dezember befragte Analysten schätzen die durchschnittliche Tagesmiete für 2015 auf 35.000 Dollar.
Schiffsmieten schwanken stark
Allerdings schwanken die Tankermieten auch sehr stark. Laut Weinberg sind beispielsweise die Mieten für Riesentanker der Größe VLCC (very large crude carriers), die vom Arabischen Golf nach Asien fuhren, zwischen September und Dezember von 15.000 auf 80.000 Dollar pro Tag gestiegen. Für Ölhändler und Hedgefonds lohnt sich ein schwimmendes Öllager daher nur, wenn die Schiffsmiete niedrig und ein gewisse Expertise in der Lagerhaltung von Öl vorhanden sind
Zumindest die norwegische Öltanker-Reederei Frontline Ltd., geführt vom Milliardär John Fredriksen, hat schon vom neuen Geschäft mit der Öllagerung profitiert. Im Handel an der Börse in Oslo trieb die Fantasie der Anleger den Aktienkurs vorübergehend um 13 Prozent in die Höhe, am frühen Nachmittag lag sie noch fast neun Prozent im Plus.
Schifffahrtsanalyst Eirik Haavaldsen von Pareto Securities in Oslo ist optimistisch: „Das erneute Auftauchen der schwimmenden Lager könnte den Markt für Öltanker in diesem Jahr von ziemlich gut auf ein sehr, sehr gutes Niveau hieven.“