Ulrich „Richie“ Engler Die unglaubliche Geschichte eines Betrügers

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Wie gleichgeschaltete Papageien

Haben Sie es verstanden? „Ja“, sagt Jürgen Kuprath, ehemaliges Vorstandsmitglied der LBS Bausparkasse, über 30 Jahre im Immobiliengeschäft. „Engler hat mir erklärt, dass er vorbörslich handelt, Aktien kauft, bevor die Börse aufmacht. Dass er beim ersten Kursanstieg verkauft, auch wenn die Aktie weiter steigt. Eine konservative Trading-Strategie nannte er das.“ Und Sie haben das alles kapiert? „Ich war ja selbst lange Zeit im Bankgeschäft“, sagt Jürgen Kuprath. „Ich dachte, wenn es über eine Bank läuft, ist das Geschäft sauber. Ich habe ja das Konto mit den Namen und Kontoständen der Anleger gesehen.“

„Engler wirkte immer so vertrauenswürdig“, sagt Karola Kuprath. „Aus heutiger Sicht ist es einfach zu sagen, man hätte es wissen müssen“, sagt Jürgen Kuprath. „Wie denn?“ Keiner der Vermittler verstand so richtig, was Engler ihnen erzählte. Seine Sätze klangen schlüssig, aber die Vermittler waren ja keine Börsenexperten. Und trotzdem wiederholten sie bei den Kunden Englers Worte wie gleichgeschaltete Papageien, plapperten seine Lügen nach. Und warum sollten die Vermittler nachhaken? Warum sollten sie kaputt machen, woran sie alle so gut verdienten? Warum sollten sie sich fragen, wie ein System jeden Monat sechs Prozent Gewinn für die Kunden abwerfen konnte, üppige Provisionen für die Vermittler und Luxuskarossen für Engler?

Auch Axel Schulz hoffte auf die schnelle Geldvermehrung. Der ehemalige Boxprofi legte insgesamt 262.000 Euro bei Engler an - und verlor alles. Quelle: Handelsblatt Online

Ab Ende 2006 flossen allein bei den Kupraths Provisionen aufs Konto so hoch, dass die Gedanken stillstanden. Erst 30.000, dann 50.000, irgendwann 8. 000 Dollar im Monat. 80.000 gute Gründe für Englers Ehrlichkeit. Wer Engler in Florida besuchte, den führte er in die besten Restaurants. Ins Roy's, wo man ihn zur Begrüßung umarmte. Er ließ die Namen seiner Gäste mit Schokolade auf Teller schreiben, ließ Garnelen und Champagner servieren. Er führte seine Vertrauten durch seine Villa - über den Marmorboden, am Pool entlang zur Garage, wo der Bentley stand und manchmal ein Rolls Royce.

Im November 2006 ließ der Multimillionär seine 60 besten Vermittler nach Florida einfliegen. Es erwarteten sie drei Tage Show nach Engler'scher Art: Schlafen im besten Hotel, Abendessen für Tausende Dollar und ein Geschenk im einzigen Format, das Engler noch kannte: XXL. Den besten Vertretern spendierte er einen Mercedes S600, das protzigste Modell. Die Gegenleistung der Vermittler: totale Unterwerfung.

Als einer von ihnen bei Englers Vortrag auf die Toilette wollte, raunzte der ihn zurecht: Er solle es sich gefälligst verkneifen. Engler stand jetzt im Mittelpunkt. Er führte seine angeblichen Trading-Ergebnisse vom Vortag vor. Tat, als sei er ein Mix aus Gordon Gekko und Warren Buffet. Der Einzige mit Verstand für den Markt. Zeigte Schaubilder und Kurskurven. Es gab nur einen Haken: Engler hatte gar nicht gehandelt. Genau genommen handelte er nie.

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