Verkehrte (Finanz)welt

Investoren müssen nachhaltige Geldanlage endlich ernst nehmen

Geldanlagen sollen längst nicht mehr nur Rendite abwerfen, sondern nachhaltig sein und Kriterien wie Umweltbewusstsein und gute Unternehmensführung erfüllen. Emittenten müssen das ernst nehmen und Transparenz schaffen.

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Buschwindröschen Quelle: dpa

In der Finanzbranche sind schon viele Kürzel zu kurzfristigen Hypes geworden. Die Liste reicht von hochspekulativen Derivaten namens CFD (Contracts-for-Difference) bis zum VDAX-Tracker, der den Volatilitätsindex VDax nachbaut. Es wäre leicht zu glauben, dass auch ESG in diese Kategorie gehört. Doch der Fokus auf Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (Environment, Social & Governance) in der Geldanlage ist keine Modeerscheinung mehr, sondern ein säkularer Trend, der die Investmentbranche weiter prägen wird. Höchste Zeit, dass professionelle Investoren, Privatanleger und Unternehmensführer die Sache ernst nehmen.

ESG-Kapitalanlage ist keine Mode

Zahlreiche Gründe beflügeln den Aufschwung von ESG-Investments seit einigen Jahren. Zwei sind dabei besonders wichtig: Erstens, das Bewusstsein vieler Marktteilnehmer für Aspekte von Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit und rechtlicher Compliance. Zweitens, Erkenntnisse über die Auswirkung von ESG-Kriterien auf die Wertentwicklung von Kapitalanlagen.

Susana Peñarrubia Fraguas Quelle: PR

Dem ganzen liegt ein gesellschaftlicher Wandel zu Grunde. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zeigt sich deutlich, dass sich die Erwartungen von Verbrauchern, Anlegern und Geschäftspartnern verändert haben und Themen wie zum Beispiel Korruption, Kinderarbeit und Klimawandel sehr viel kritischer beurteilt und weniger toleriert werden als zuvor. Für Unternehmen, die hier Angriffsfläche bieten, können Imageschäden, Strafzahlungen oder sonstige Sanktionen bei Verstößen oder Umsatzeinbrüchen die Folge sein. Ebenso kann es bedeuten, dass sie als Emittenten weniger Kapital erhalten oder höhere Zinsen bieten müssen und eine geringere Nachfrage ihrer Wertpapieren erleben.

Zudem hat eine wachsende Zahl akademischer Studien über die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf die Performance von Finanzanlagen einen positiven oder zumindest neutralen Zusammenhang zwischen Performance und ESG-Qualität von Firmen feststellen können. Damit wäre auch ein Hauptkritikpunkt – nämlich eine vermeintliche Minderung der erwarteten Rendite – entkräftet und der Weg frei für den in den vergangenen Jahren merklichen Aufstieg von an ESG-Kriterien ausgerichteten Investoren sowie die Integration von ESG-Faktoren in die Investitionsprozesse institutioneller Endinvestoren und Kapitalanlagegesellschaften.

Integration von ESG-Kriterien: Keine Philanthropie

Bei der Integration von ESG-Faktoren in den Investitionsprozess eines Asset Managers geht es somit um deutlich mehr als bloß philanthropische Vorhaben, gute Absichten oder vom Kerngeschäft losgelöste Tätigkeiten. Vielmehr geht es um eine treuhänderische Verpflichtung, bei der Analyse und Bewertung von Renditeaussichten eines Wertpapiers über die nackten Kennzahlen hinaus, auch umliegende relevante Faktoren zu berücksichtigen. So war es beispielsweise in den letzten zehn Jahren bei europäischen Energieversorgern zu beobachten, die mit den direkten Auswirkungen des politischen und gesellschaftlichen Stimmungswandels rund um das Thema erneuerbarer Energien und Atomausstieg auf ihre Finanzstärke und Wettbewerbsposition zu kämpfen hatten.

ESG-Faktoren zu berücksichtigen hilft also sowohl Risiken zu minimieren als auch frühzeitige Chancen zu identifizieren, die vom Kapitalmarkt noch nicht angemessen eingepreist sind.

Bewertung fällt schwer

Allein, diese Berücksichtigung von ESG-Faktoren ist nicht immer einfach. Die größte Herausforderung für Investoren – ob privat oder professionell – dürfte aktuell in der Berichterstattung der Unternehmen liegen.

Einerseits muss sich die Datenverfügbarkeit, Messbarkeit, Vergleichbarkeit und Transparenz von relevanten ESG Informationen verbessern. Hier zeichnet sich allerdings eine positive Entwicklung ab: So stellt die KPMG Survey of Corporate Responsibility (CR) Reporting 2015 fest, dass fast drei Viertel der 100 größten Unternehmen in jedem der 45 analysierten Länder und 90 Prozent der 250 größten Unternehmen weltweit mittlerweile über ihre unternehmerische Verantwortung berichten. Doch die Standards für eine entsprechende Berichterstattung sind noch weitestgehend uneinheitlich.

Für Anleger ist eine Vergleichbarkeit nicht nur von Unternehmen untereinander, sondern oft auch von Berichten eines Unternehmens von Jahr zu Jahr kaum gegeben. Leider stellen viele Emittenten ESG-Informationen uneinheitlich dar, sodass ein direkter Vergleich erschwert wird.

Zum anderen mangelt es oft an der Verknüpfung von ESG-Faktoren mit den finanziellen Informationen des Unternehmens. Daraus ergibt sich die berechtigte Frage, ob professionelle Investoren und Privatanleger also überhaupt in der Lage sind, die finanziellen Auswirkungen von ESG-Aspekten in Anlageentscheidung einzubeziehen, wenn diese Zusammenhänge selbst von der Firma nicht verfolgt und/ oder nicht analysiert und gemessen werden.

Wünschenswert ist eine verstärkt und gezielte Einbindung der ESG-bezogenen Daten in die Analyse und Bewertung der Emittenten, und zwar nicht wie bisher meist in Form einer getrennten Darstellung ihrer finanziellen Auswirkung, sondern im Hinblick auf die Relevanz für Strategie, Risiken und künftige Performance. Ein Versuch diese Schwierigkeit zu reduzieren kam Ende 2013 mit einem Rahmenwerk des IIRC (International Integrated Reporting Council), in dem Empfehlungen für eine "Integrierte Berichterstattung" ausgegeben wurden, um Kapitalgeber in Ihrer Anlageentscheidung zu unterstützen.

Raus aus dem Schattendasein

In Anbetracht der wachsenden Bedeutung, die ESG-Kriterien für Investmententscheidungen bereits jetzt zukommt, sollten Unternehmen darauf setzen, durch einheitliche Berichterstattung für Transparenz zu sorgen und in ihrem operativen Alltag fundierte Umsetzungsstrategien für bessere ESG-Bewertungen finden. ESG darf nicht länger ein Schattendasein im Unternehmen fristen oder als Randthema behandelt werden. Vielmehr sollten fachkundige Mitarbeiter oder sogar ganze Abteilungen mit dem Thema betraut werden.

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In der Folge müssen dann auch mögliche Wechselwirkungen zwischen zentralen ESG-Aspekten und ihrer Auswirkung auf Geschäftsmodell, strategische Ausrichtung und Wettbewerbsposition des Unternehmens analysiert und kommuniziert werden. Für Anleger schafft das die nötige Transparenz und damit auch Investitionsanreize.

Seitens der Anleger – ob privat oder institutionell – wird die Berücksichtigung von ESG-Faktoren in den Anlageprozess weiterhin entscheidend sein und damit auch eine relevante Information bei der Auswahl der Fonds. Asset Manager dürften sich daher künftig darauf fokussieren,  die ESG Ausbildung Ihrer Investment Professionals aufrechtzuerhalten und weitere Evolutionsschritte bei der Integration von ESG-Aspekten auf den verschiedenen Etappen des Investitionsprozesses, wie zum Beispiel Wertpapieranalyse und -auswahl, der Portfoliokonstruktion und -überwachung, sowie dem Reporting, vorzunehmen. Wer das Thema nicht ernst nimmt, könnte in den kommenden Jahren von der von uns prognostizierten/erwarteten der ESG-Welle überrollt werden.

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