Versicherungen Auf welche Argumente Kunden hereinfallen

Versicherungsvermittler haben nicht nur im Herbst Hochsaison. Doch Vorsicht ist geboten! Mit welchen Argumenten Berater Kunden ködern - und wie hoch ihr Wahrheitsgehalt ist.

Nur eine Minderheit der Altersvorsorge-Berater ist auch neutral und unabhängig. Ausschließlich die so genannten „Versicherungsberater“ beraten ihre Kunden individuell und in deren Interesse. Um ihre Neutralität und Unabhängigkeit zu gewährleisten, beziehen sie keine Provisionen von Versicherungen, sondern beraten Kunden auf Honorarbasis. Meistens wird dabei eine Stundensatzvergütung vereinbart. Deutschlandweit gibt es nur rund 200 Versicherungsberater. Die knapp 45.000 Versicherungsmakler sind zwar nicht vertraglich an eine oder mehrere Gesellschaften gebunden und können grundsätzlich frei zwischen den Versicherern und deren Tarifen wählen. Insoweit sind sie zwar unabhängig bei der Auswahl ihrer Angebote, erhalten aber Provisionen bei Vertragsabschluss von den Versicherern. Versicherungsvermittler sind Handelsvertreter, die von einem oder mehreren Versicherungsunternehmen beauftragt sind, deren Versicherungen zu vermitteln. Sie erhalten Provision, wenn der Kunde einen Vertrag abschließt. Mehr als 210.000 Vermittler gibt es in Deutschland.
Zahlreiche Zeitschriften, Institute, Anlegerbriefe und auch Internetseiten vergeben Siegel für angeblich empfehlenswerte Versicherer. In der Regel bilden solche Tests aber nicht den individuellen Fall ab. Welcher Versicherer und welcher Tarif für die Bedürfnisse des Kunden taugen, lässt sich nur für den Einzelfall ermitteln. Auch einige Vergleichsportale im Internet genießen einen schlechten Ruf, da manche Betreiber als Makler fungieren und von den Provisionen der Gesellschaften leben. Zudem ist eine Auswahl anhand von Bedingungskriterien oft nur höchst eingeschränkt oder dar nicht möglich.
Aktuell liegt der Garantiezins auf 1,75 Prozent. Das ist ein Rekordtief. Zum Vergleich: Zwischen Juli 1994 und Juni 2000 lag der Satz noch bei vier Prozent.Trotzdem sollten Kunden gut überlegen, ob sie tatsächlich eine Police brauchen und keinesfalls den erstbesten Tarif wählen. Der Garantiezins wird nicht für die Beiträge, sondern nur für den Sparanteil gewährt. Real liegt der Garantiezins ab dem nächsten Jahr je nach Kostenquote der Versicherer laut Bund der Versicherten zwischen etwas unter Null Prozent und 1,0 Prozent, wenn die Lebensversicherer ihre derzeitige Kostenstruktur so beibehalten. Damit dürfte die garantierte Summe in Zukunft sehr oft unterhalb der Inflationsrate liegen. Die Verzinsung bezieht sich nur auf den Sparanteil der Beiträge. Was letztlich übrig bleibt hängt daher auch an den Kosten für Abschluss und Verwaltung. Wegen der niedrigen Garantieverzinsung müssen Versicherte daher auf die Gewinnbeteiligung der Gesellschaften hoffen. Neben dem Garantiezins bestimmt vor allem die Überschussbeteiligung die Rendite. Da kann es je nach Gesellschaft große Unterschiede geben. Wenn der Vertrag endet, kommen noch ein Schlussbonus und eine Beteiligung an den stillen Reserven hinzu. Aus diesen Werten ergibt sich die Gesamtverzinsung. Die Renditen variieren je nach Laufzeit, unter dem Strich können Kunden durchschnittlich mit vier Prozent per Anno rechnen, zum Teil werden allerdings wohl nur etwa drei Prozent herauskommen.Noch wichtiger als der Blick auf die Zinsen ist die Konstanz des Sparers. Nur wenn der Versicherte bis zum Ende einzahlt, kann eine Lebenpolice sinnvoll sein. Wer das für sich nicht sicher garantieren kann, sollte nicht abschließen.
Vor allem die Kosten für Versicherer mit starkem Vermittlernetzwerk sind enorm. Bei vertriebsstarken Gesellschaften können sie bei der Vermittlung von privaten Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht etwa 12 bis 15 Prozent der Beiträge betragen. Die teuersten Gesellschaften verlangen sogar bis zu rund 22 Prozent. Bei Direktversicherern gehen gut sieben bis acht Prozent der Beiträge dafür drauf. Bei der Vermittlung von Kapitallebensversicherungen fallen die Kosten dagegen weit höher aus. Sie liegen laut BdV bei vertriebsstarken Versicherungsunternehmen bei etwa 20 bis 25 Prozent, zum Teil betragen sie sogar bis zu 30 Prozent. Die Kosten bei Direktversicherern hingegen betragen 16 bis 17 Prozent. "Die Höhe der Kosten ist ein wichtiger Faktor für die Höhe der Rendite“, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Entsprechende Vergleiche von Analysehäusern wie etwa von Morgen & Morgen geben Auskunft über die Sätze. „Überdurchschnittlich teure Gesellschaften sollten Versicherte konsequent meiden“ sagt Rudnik.
Vor allem für kinderreiche Familien lohnt der Abschluss zumeist wegen der Zulagen, für Gutverdienende dagegen oftmals aufgrund der Steuervorteile. Trotzdem ist ein übereilter Abschluss nicht zu empfehlen. Über die Jahre kann ein schlechter Tarif mehr kosten als ein Jahr Förderung ausmacht. Und: Die persönliche Risikoneigung muss berücksichtigt werden, damit es bei Rentenbeginn keine negative Überraschung gibt. Aufgrund der hohen Kosten von Versicherungsangeboten ist dabei meistens ein Riester-Fonds- oder Banksparplan empfehlenswerter als eine Riester-Rentenversicherung, die nur gelegentlich bei günstigen Anbietern für Sparer bis etwa 40 Jahre in Frage kommen kann. Riester-Fondspolicen scheiden dagegen fast immer aus. Wichtig: Viele Personen erhalten keine unmittelbare Förderung, darunter Selbstständige, die freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung versichert sind, Sozialhilfeempfänger und geringfügig Beschäftigte, die den Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung nicht durch eigene Beiträge aufstocken. Allerdings können auch nicht Förderberechtigte zumindest die Zulage bekommen, wenn ihr Ehepartner unmittelbar förderberechtigt ist und sie selber einen eigenen Riester-Vertrag abschließen.
Die Lebensversicherer sind gut durch die Krise gekommen. Trotzdem gibt es Risiken, wenn die Finanzkrise eskaliert und wichtige Staaten oder Banken Pleite gehen. Vergangenes Jahr hatten die deutschen Versicherer laut Standard & Poor`s rund 89 Prozent ihrer Investments in Bonds, Krediten und Bankeinlagen. Bei einem weltweiten Crash der Banken, Staaten und Finanzmärkte dürften weder Staatsgarantien noch die brancheneigene Rettungsorganisation Protektor  ausreichen, alle Gesellschaften und Einlagen zu retten. In einem solchen Fall wären aber auch alternative Anlagen betroffen.
Das Gesetz war bislang eindeutig: Seit den dreißiger Jahren ist eine Weitergabe der Provision an den Kunden untersagt. Laut Konkretisierung im  Versicherungsaufsichtsgesetz (§144a Absatz 1 Nr. 3 und Absatz 2VAG). sei ein Verstoß eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu hunderttausend Euro geahndet werden können. Ob das Gesetz weiterhin Bestand hat, wird sich aber noch klären. Ein aktuelles Urteil erlaubt Versicherungsvertretern, mittels Rabatt einen Teil ihrer Provision weiterzureichen (Verwaltungsgericht Frankfurt/Main Az. 9 K 105/11.F). Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Finanzaufsicht Bafin kann dagegen noch Rechtsmittel einlegen. In der Praxis geben Vermittler mit dem Hinweis auf Vertrauen und Verschwiegenheit immer wieder einen Teil ihrer Provision zurück – und riskieren damit eine Strafe.
Riesterrenten lassen sich ab 2012 erst ab dem 62. Lebensjahr auszahlen, wenn Versicherte nicht auf Zulagen und Steuervorteile verzichten möchten. Bislang lag die Grenze bei 60 Jahren. Diese Altersgrenze gilt auch für staatlich geförderte Basisrenten, die jedoch nicht kündbar sind. Trotzdem sollten sich potenzielle Kunden nicht zu einem schnellen Abschluss drängen lassen, sondern genau erwägen, ob und welche Produktklassen und Produktangebote individuell für ihre Altersvorsorge überhaupt taugen.
Dieses Argument gilt nicht immer. Wegen der Beitragsgarantie können Verwalter von bestimmten Produktklassen im Falle stark fallenden Kursen gezwungen sein, in der Baisse den Aktienanteil zu verkaufen. Verluste können dann nicht ausgesessen werden. In bestimmten Konstellationen profitieren Kunden auch nicht von einem Einstieg bei niedrigen Kursen: Wegen der "Beitragsrückgewähr" ist ab einer bestimmten Verlustgrenze nur das Investment in risikoferne Anlageklassen erlaubt.
Die Beiträge für Kapitallebenpolicen sind seit dem 1. Januar 2005 für Neuverträge nicht mehr absetzbar. Der Ertrag (Kapitalauszahlungsbetrag abzüglich der Summe aller Einzahlungen) ist bei der Auszahlung voll mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Ausnahme: Wenn der Vertrag mindestens zwölf Jahre lief und ab dem 60. Lebensjahr ausgezahlt wird, muss nur die Hälfte des Ertrags versteuert werden. Bei Verrentung erfolgt die Besteuerung dagegen mit dem Ertragsanteil, also dem steuerpflichtigen Anteil der Rente. Die prozentuale Höhe dieses Anteils richtet sich danach, ab welchem Alter die Rente bezogen wird. Bei Rentenbeginn mit 62 Jahren, beläuft sich der Anteil z. B: auf 21 Prozent. Wer im nächsten Jahr abschließt, muss bei Auszahlung des Kapitals mindestens 62 Jahre alt sein, um von dem Steuervorteil zu profitieren. Im Todesfall erhalten Ehepartner die Leistungen steuerfrei. „Das Steuerargument sollte beim Anschluss einer Police aber nicht entscheidend sein“, sagt Rudnik.
Im Allgemeinen geht diese Rechnung nicht auf, weil die Rendite der Lebensversicherung geringer ist als der Darlehenszins. Reicht die Versicherungsleistung nicht zur vollständigen Tilgung aus, so ist das Restdarlehen entweder mit zusätzlichen Mitteln zu tilgen oder aber zu verlängern. Hierbei kann es zu Problemen kommen, haben sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen beim Kreditnehmer verschlechtert. Schlimmstenfalls muss die Immobilie dann verkauft werden. Verbraucherschützer warnen vor solchen Finanzierungen, da Renditen von Lebensversicherungen unkalkulierbar sind.
Das gilt nur bei wenigen Produkten. Häufig können die Kunden nicht frei unter den besten Fonds auf dem Markt wählen. Oft ist das Angebot begrenzt und nur eine begrenzte Zahl an Wechseln ist möglich. Einige Gesellschaften verlangen dafür Wechselgebühren. Weiterer Kritikpunkt: Fondspolicen akkumulieren die Kosten für die verschiedenen Produktteile. Für den Versicherungsmantel erhebt die Gesellschaft Abschluss- und Verwaltungskosten. Für den Fonds fallen zusätzlich meist jährliche Verwaltungskosten sowie weitere Gebühren an – im Einzelfall sogar Ausgabeaufschläge. Bei Dachfonds können sich die Kosten potenzieren. In der Regel bleibt das Problem der Kündigung: Versicherte müssen bis zum Ende dabei bleiben. Verbraucherschützer raten daher als Alternative häufig zu einem Fondssparplan.
Manche Vermittler drängen die Kunden zum Abschluss ständig neuer Verträge. „Solche Empfehlungen dienen häufig der Maximierung der Provision“, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten.
Verbraucherschützer raten grundsätzlich von Koppelprodukten ab. Wer seine Lebenpolice kündigen möchte oder muss, weil er finanzielle Schwierigkeiten hat, verliert unwiederbringlich seinen wichtigen Schutz bei Berufsunfähigkeit. Ein empfehlenswerter Lebensversicherer ist auch nicht zwangsläufig immer beim Berufsunfähigkeitsschutz Top. Und: Vielfach passen die versicherten Berufsunfähigkeitsrenten nicht zum individuellem Bedarf, oftmals sind sie zu niedrig.
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