Volks- und Raiffeisenbanken Wo Kontoinhaber auch Bankeigentümer sind

Seit der Finanzkrise haben kleine Volks- und Sparda-Banken viele Kunden gewonnen. Die Genossenschaftsbanken gehören ihren Kunden – ein Gegenentwurf zu profitmaximierenden Großbanken. Hält das Modell, was es verspricht?

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Genossenschaftsbanken als Gegenentwurf zu profitmaximierenden Großinstituten. Quelle: imago, Montage

Thomas Wrobel hat in 34 Jahren nie seine Bank gewechselt. Der 51-jährige Nürnberger IT-Fachmann ist Mitglied der Sparda-Bank am Ort, bei der er schon als Auszubildender Kunde wurde, um sich den ersten Lohn überweisen zu lassen. Angelockt wurde Wrobel vom kostenlosen Konto. Damals war das eine Rarität. Erst nach der Finanzkrise fingen Banken an, sich mit Gratiskonten und Begrüßungsgeldern Kunden abzujagen, um die als Stabilitätsanker begehrten Spareinlagen einzuwerben.

Ein kostenloses Konto hätte Wrobel später auch bei einer Direktbank haben können, doch er fühlte sich bei seiner Bank „gut aufgehoben“. Erst recht in Zeiten wie diesen, wo Großbanken sich mit Milliardenstrafen konfrontiert sehen wie die Deutsche Bank oder zumindest Millionenforderungen wie beim US-Geldhaus Wells Fargo, dessen Banker nicht davor zurückschreckten, ohne Zustimmung der Kunden zwei Millionen gebührenpflichtige Konten einzurichten, um die Geschäftszahlen aufzuhübschen.

Der Kunde als Eigentümer

Wrobel ist froh, bei einer Bank zu sein, die auf ein riskantes Investmentbanking verzichtet und erst gar keine internationalen Ambitionen hegt.

Das passt zu Wrobel, verheiratet, zwei Kinder. Auch er ist seiner Region und seinem Arbeitgeber vor Ort stets treu geblieben. Schon sein Vater, ein Eisenbahner, war Sparda-Mitglied, so wie die gesamte Schienenzunft damals.

Man kann das für spießig halten. Doch 18 Millionen Deutsche finden es gut. Sie sind, wie der Franke, Mitglied einer genossenschaftlichen Bank, also einer Volksbank, Raiffeisenbank, Sparda-Bank oder PSD-Bank. 55 Prozent der Deutschen bevorzugen laut einer aktuellen Umfrage diese kleinen, lokalen Banken gegenüber internationalen Großbanken.

Zahl der Mitglieder von genossenschaftlichen Banken und Spareinlagen

Sie, die Kunden, sind hier Eigentümer. Sie können bei wichtigen Weichenstellungen mitentscheiden: Bei der Wahl von Aufsichtsräten, der Aufgabe von Geschäftsbereichen, der Fusion mit anderen Instituten und der Ausschüttung des Jahresgewinns. Das geht nur bei genossenschaftlichen Banken, die auf eine über 150-jährige basisdemokratische Erfolgsgeschichte zurückblicken. Damals riefen die Sozialreformer und Finanzpioniere Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen die Genossenschaftsbewegung ins Leben. Menschen, die sonst Wucherern ausgeliefert waren, erhielten im Kollektiv Zugang zu verlässlichen und bezahlbaren Finanzdienstleistungen, vor allem Konten und Kredite. Das Konzept hat Weltkriege, Währungsreformen sowie Finanzkrisen überlebt. Und heute?

Kunden beteiligen sich kaum an Entscheidungen

Seit der Finanzkrise 2008/09 suchen immer mehr Deutsche Schutz bei Volksbanken, weil sie sich von dem bodenständigen Geschäftsmodell Skandalfreiheit versprechen. Das Versprechen halten die Genossenschaftsbanken weitgehend ein.

Klar, einen Heiligenschein haben sich die Genossenschaftsbanker nicht verdient. Auch einige ihrer Kunden bekamen gegen Provision verlustreiche Investments angedreht, etwa in geschlossene Fonds. Doch Rettungsaktionen auf Steuerzahlerkosten oder strafbewehrte Marktmanipulationen wie bei anderen Banken gab es in diesem Teil des Finanzsektors nicht.

Das gute Gefühl – irgendwo zwischen Vertrautheit und Geborgenheit – scheint den Kunden indes zu reichen. Ihre Mitspracherechte setzten die Geldgenossen kaum ein. Sie bleiben seltsam passive Eigentümer. Die Beteiligung an den Wahlen der Vertreter für die jährlichen Versammlungen ist zuweilen desaströs. Oft geben nur rund fünf Prozent der Mitglieder ihre Stimme ab. Dabei sollen die Kandidaten ihre Interessen gegenüber dem Vorstand vertreten. Wahlkampf? Fehlanzeige. Die Banken wählen die Kandidaten aus, die sie für geeignet halten, und setzen die Namen auf die Wahlliste. Es scheint, als hätten die Nachfahren von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch ihr sozialrevolutionäres Erbe aufgegeben.

Nur wenig Fortschritt in Genossenschaftsbanken

Die Sparda-Bank Nürnberg will etwas tun, um den Austausch mit ihren Mitgliedern zu verstärken. Ein digitales Mitgliedernetzwerk soll her. Über digitale Vertreterwahlen denkt Vorstandschef Stefan Schindler immerhin nach, damit lästiger Papierkram ein Ende hat. Doch mit solchen zaghaften Neuerungen sticht die Bank schon hervor. Fortschritt, so scheint es, wird bei den über 150 Jahre alten Genossenschaftsbanken nicht übers Knie gebrochen.

Die Sparda-Bank Nürnberg traut sich auch an mehr Flexibilität im Umgang mit den Geschäftsanteilen, die Mitglieder einer Genossenschaftsbank zeichnen. Normalerweise ist das Volumen je nach Satzung auf einige Hundert Euro begrenzt. Bei den Nürnbergern können Mitglieder seit diesem Sommer aber bis zu 5148 Euro in die Bank stecken. So wird die Einlage der Kunden sogar als Anlage interessant. Allerdings liegt die Dividende nur noch bei zwei Prozent. Die Sparda-Bank Augsburg zahlte dagegen noch 5,12 Prozent, jedoch auf maximal 260 Euro Einlage.

Die günstigsten Girokonten bei Regionalbanken

Mehr Einfluss sichern sich Kunden mit höheren Einlagen nicht. Jedes Mitglied hat nur eine Stimme. Die gibt man bei kleinen Banken auf der Mitgliederversammlung ab, größere Banken veranstalten jährliche Vertreterversammlungen, bei denen ein Vertreter je nach Satzung etwa 100 Mitglieder vertritt. So bleibt die Zahl der Delegierten überschaubar. Die Vertreter wählen die Mitglieder jeder Genossenschaftsbank alle vier oder fünf Jahre.

Zustimmungsquoten nahe 100 Prozent

Bei diesen Vertreterwahlen hat selbst der überzeugte Sparda-Sparer Wrobel bisher noch nie abgestimmt, obwohl alle paar Jahre ein dicker Brief mit Wahlunterlagen und der Kandidatenliste für die Vertreterversammlung ins Haus flattert. „Es ist vielleicht ein bisschen wie beim Elternbeirat in der Schule“, sagt Wrobel. „Man weiß, dass es wichtig ist, lässt es dann aber schleifen.“

Beim Schnellvergleich werden Musterkunden verwendet. Bei der eigentlichen Auswertung erfolgt die Berechnung nach der persönlichen Gepflogenheit der Kontonutzung - mit Geldautomatennutzung und Geldeingang.

Immerhin finden auf den Vertreterversammlungen Debatten über Filialschließungen oder steigende Gebühren statt. Auch wenn die Vertreter bei diesen Themen – anders als bei Fusionen oder der Gewinnverwendung – nur mitreden, aber nicht entscheiden dürfen.

In der Praxis sind Kontroversen auf den Versammlungen aber eher die Ausnahme. Die Treffen bei besonders großen Genossenschaftsbanken wie der Frankfurter Volksbank oder der Berliner Volksbank mit vielen Hundert oder mehr als Tausend Delegierten eignen sich dafür auch kaum. Am Ende geht es darum, die Tagesordnung abzuarbeiten. Die Zustimmungsquoten bewegen sich meist nahe 100 Prozent. Lebhafte Finanzdemokratie sieht anders aus.

Banken schließen Einlagegebühren nicht aus

Dabei gäbe es für heftige Debatten gute Gründe. Viele Genossenschaftsbanken müssen fusionieren, Filialen schließen, Gebühren erhöhen und Dividenden kürzen. Die niedrigen Zinsen drücken schließlich auch ihre Erträge, während strengere Aufsichtsregeln das Geschäft verteuern. Ausgerechnet die Genossenschaftsbanken machen zudem den Weg für Negativzinsen frei, auch für Privatanleger. Jüngst hatte die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee eine Geldparkgebühr für hohe Einlagen ab 100.000 Euro eingeführt. Zwar wagten bislang nur zwei von rund 1000 Genossenschaftsbanken den Vorstoß. Aber ein Tabu ist damit gebrochen.

Auch die aus dem Bahngewerbe entstandenen Sparda-Banken schließen Einlagegebühren nicht komplett aus. Auch wenn sie im Fall der Fälle mit Gegenwehr rechnen. „Negativzinsen in der Genossenschaft einzuführen dürfte zu sehr unangenehmen Debatten mit den Vertretern in der Mitgliederversammlung führen“, sagt Joachim Wuermeling, Präsident des Verbands der Sparda-Banken. Jeder Vorstand würde das daher wohl möglichst vermeiden.

Noch bleiben die Sparer der Genossenschaftsbanken daher gelassen. IT-Fachmann Wrobel hat angesichts der Debatte um Niedrig- und Negativzinsen zwar kein gutes Gefühl. Doch ihm ist vor allem wichtig, dass seine Sparda-Bank sein Girokonto weiter kostenlos führt, wie schon die vergangenen 34 Jahre.

Und wenn nicht? „Das“, sagt Wrobel, „würde mich aus der Reserve locken.“

Wenn es dann mal nicht zu spät ist.

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