Vor dem Opec-Treffen Wer ist die Supermacht am Ölmarkt?

Das Treffen der Opec-Länder wird brisant: Während manche Förderländer unter dem sinkenden Ölpreis leiden, profitieren andere. Und der Konflikt spitzt sich zu: Es geht um die Vorherrschaft am globalen Ölmarkt.

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Eine Öl-Raffinerie in Saudi-Arabien. Quelle: dpa

Lange hatten Autofahrer an der Tankstelle nicht mehr so gute Laune. Auch abseits der Zapfsäule profitieren Verbraucher vom niedrigen Ölpreis. Wer mit Öl heizt, sollte die Gelegenheit nutzen und die Speicher auffüllen. Zumindest kurzfristig könnte es allerdings zu Preisschwankungen kommen.

Denn am Donnerstag verhandeln die Länder des Öl-Kartells Opec auf ihrer Vollversammlung in Wien über den gesunkenen Ölpreis. Innerhalb der letzten sechs Monate fiel der Preis für ein Barrel der Sorte Brent um fast 30 Prozent auf gut 80 US-Dollar. Das Treffen der ölfördernden Länder könnte den Sinkflug beenden, wenn die Fördermengen gesenkt werden. Das geringere Angebot würde dann die Preise wieder leicht stabilisieren. Allerdings ist die Macht der Opec längst nicht mehr so groß wie einst. Zudem könnten einige Länder etwas gegen den Eingriff haben. Während Staaten wie Venezuela stark unter dem Preisfall leiden, gibt es gleichzeitig zahlreiche Profiteure - nicht nur die Verbraucher.

So funktioniert der Rohstoffhandel

Was vor allem für den niedrigen Ölpreis spricht: er wirkt wie ein massives Konjunkturprogramm. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) lässt ein zehnprozentiger Rückgang der Rohölpreise die weltweite Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent steigen. Zahlreiche Unternehmen und Industrien profitieren. Allen voran die Luftfahrtbranche.

Die Fluglinien können den nötigen Treibstoff deutlich günstiger einkaufen, erheben trotzdem weiterhin einen Zuschlag für Kerosin. Insgesamt machen die Treibstoffkosten immerhin rund ein Drittel der Betriebskosten aus, der Preisrutsch macht sich also in der Bilanz bemerkbar.

Gleiches gilt für andere Logistikanbieter wie die Schifffahrt. Auch die Chemie- oder Pharmaindustrie kann grundsätzlich günstiger produzieren. Wer allerdings Zwischenprodukte herstellt, muss die gesunkenen Preise weitergeben.

Venezuela oder Saudi Arabien

Förderländer dagegen leiden gewaltig unter den gesunkenen Einnahmen. Venezuela beispielsweise hat große wirtschaftliche Probleme. Die Lateinamerikaner gehören zu den größten Ölförderern der Welt und sind vom schwarzen Gold abhängig. Der Staat deckt seine Deviseneinnahmen zu 95 Prozent durch Einnahmen aus dem Ölgeschäft.

Das Wachstum der Ölnachfrage könnte sich 2015 erstmals dauerhaft abschwächen. In Prozent; ab 2014.

Deshalb will Venezuelas Präsident Nicolás Maduro ein Bündnis gegen den Ölpreisverfall schmieden. Dabei wolle er auch Nichtmitglieder der Opec einbeziehen, in erster Linie Russland. Grundsätzlich macht das Sinn, Russlands Staatseinnahmen sind ebenfalls in hohem Maße vom Öl abhängig. Allerdings haben beide einen mächtigen Gegenspieler.

Saudi-Arabien, der größte Opec-Produzent, will die Preisbildung weiter den Märkten überlassen. Offenbar hat das Land so hohe Reserven, dass es sich den niedrigen Preis für eine Weile leisten kann. Bisher ist nicht völlig klar, warum das arabische Land so vorgeht. Viele wittern politische Ziele dahinter.

Zwei mögliche Varianten

Einige Beobachter wollen gar einen Komplott von Riad und den USA gegen Russland sehen, von einem kalten Krieg ums Öl ist die Rede. "Bilde ich mir das ein oder haben wir es mit einem globalen Ölkrieg zu tun, mit den USA und Saudi-Arabien auf der einen Seite und Russland und dem Iran auf der anderen ?", fragte der Journalist Thomas Friedman kürzlich in der "New York Times". Natürlich sieht man vor allem in Russland viele Anzeichen für diesen Komplott. "Obama will, dass Saudi-Arabien die russische Wirtschaft zerstört", heißt es in russischen Zeitungen. Ein russischer Ölmanager erklärte im "Spiegel", es sei doch offenbar kein Zufall, dass der für Russland so wichtige Rohstoff ausgerechnet jetzt so viel billiger würde.

Interessanterweise lautet die zweite Theorie für das Verhalten der Saudis genau gegenteilig. Denn es könnte genauso um die zukünftige Spitzenposition auf dem Energiemarkt gehen. Denn ausgerechnet die USA schwingen sich dazu auf, den Saudis ihren Rang abzulaufen - mit Fracking.

von Benjamin Reuter, Philipp Mattheis

Schließlich gilt die umstrittene Schiefergas-Förderung in den USA als Auslöser für die niedrigen Ölpreise, da durch Fracking das Angebot an Öl deutlich gestiegen ist. „Die USA werden als neues Schlachtfeld betrachtet“, sagt Expertin Amrita Sen vom Analysehaus Energy Aspects. Freiwillig wird Saudi-Arabien seine Hauptrolle im Ölkarussell nicht an die USA abtreten wollen.

Gut möglich also, dass die Saudis den Preis niedrig halten wollen, um den Amerikanern das fracken schwer zu machen. Denn je niedriger der Preis je Barrel, desto weniger lohnt sich das kostenintensive Fracking. „Der Markt braucht langfristige Investitionen, für die Preise um die 90 Dollar pro Barrel eine kritische Marke darstellen“, sagt Analystin Sen.

Kein Kurzfristphänomen

Viele Beobachter gehen dagegen davon aus, dass der Preis auch unabhängig vom Treffen der Opec vergleichsweise niedrig bleiben wird. Vor einige Wochen bewegte die US-Investmentbank Goldman Sachs mit einer Studie die Ölmärkte. "The new oil order" heißt die 21-seitige Analyse.

Die Kernaussage: Weiterhin fallende Preise, WTI könnte im nächsten Jahr bis unter 75 Dollar rutschen. Der Grund: Die Weltwirtschaft ersäuft im Öl - die Nachfrage ist wegen der schwachen Konjunktur zu gering und das Angebot zu hoch. Die Marktmacht der Opec-Länder zerbröckelt dank des Fracking-Booms in den USA.

Insgesamt dürfte es also eine Frage der Zeit sein, bis die Preise wieder steigen. Entweder, die Opec reduziert jetzt die Fördermenge. Dann dürften die Kurse zumindest kurzfristig zulegen. Bleiben die Fördermengen hoch, könnten die Preise weiter sinken, irgendwann muss die USA ihre Fracking-Aktivitäten möglicherweise zurückfahren, wenn die teure Schiefergasförderung nicht mehr wirtschaftlich ist. Dann könnten die Preise zwar mittelfristig wieder steigen, weil das Überangebot reduziert würde. Dagegen spricht allerdings, dass Experten davon ausgehen, dass insgesamt deutlich weniger Öl verbraucht werden wird. Die Perspektiven für Verbraucher und Autofahrer sind also nicht schlecht.

Mit Material von dpa.

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