Es ist ein stiller Krieg. Es fließt kein Blut, es bleiben keine Bombenkrater. Diesen Krieg spüren die Menschen – wenn überhaupt – nur ganz allmählich, er schreitet nur langsam voran. Gemeint ist der „Währungskrieg“, vor dem in den vergangenen Tagen vielfach bekannte Persönlichkeiten der Wirtschaftswelt eindringlich warnten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann ebenso wie der Anleihe-König Bill Gross und Starinvestor George Soros. Auch der Internationale Währungsfonds warnt vor einem Währungskrieg.
Japan hat die Finanzwelt aufgeschreckt. Wegen der sich abzeichnenden Geldschwemme hat der Yen im Vergleich zum Euro seit November mehr als 15 Prozent an Wert verloren. Nervös wurden die selbst ernannten oder politisch legitimierten Wächter der Preisstabilität, als die neue japanische Regierung unter Ministerpräsident Shinzo Abe ankündigte, die Geldpolitik deutlich zu lockern und etwa durch massive Aufkäufe von Staatanleihen in Dollar und Euro viele Milliarden Yen in die Wirtschaft zu pumpen. Abe nannte sogar ein Inflationsziel von 2,0 Prozent - und übt damit Druck auf die Notenbank aus, die bislang ein Inflationsziel von nur einem Prozent verfolgt hat. Mehr noch, Abe droht sogar damit, das Notenbankgesetz zu ändern, sollte das Institut seiner Politik nicht folgen. Die beugt sich den politischen Interessen. „Jetzt gibt es eine gute Chance, die Deflation zu beenden“, sagte der Vizegouverneur der Bank of Japan Hirohide Yamaguchi. Derart offen hat sich noch keine Industrienation dazu bekannt, die Schwächung der Landeswährung zu verfolgen. Historisch gesehen ist der Yen gegenüber dem Dollar allerdings noch immer hoch bewertet.
Die Befürchtung der Finanzexperten: Länder, die Vorteile aus einer Abwertung ihrer Währung ziehen, könnten dem Beispiel Japans folgen und damit einen fatalen Abwertungswettlauf lostreten. Denn unweigerlich würde das auch die Importe der Länder verteuern. Als es in den 30er-Jahren zu einem Abwertungswettlauf kam, brachen weltweit die Handelsbeziehungen zusammen und erholten sich erst nach 20 Jahren wieder. Als Kandidaten für einen neuen Abwertungswettlauf gelten die schuldengeplagten und unter Konjunkturschwäche leidenden USA, Großbritannien und die Euro-Zone. „Die alten Hartwährungen sind die neuen Weichwährungen“, sagt Michael Ott, Devisenexperte bei der Commerzbank. Dabei sei der US-Dollar die Schlüsselwährung. Der expansiven Geldpolitik der Amerikaner schließt sich nun auch Japan an.
Der Begriff „Währungskrieg“ ist insofern irreführend, weil nicht einzelne Währungen gegeneinander kämpfen und schon gar nicht die stärkere am Ende gewinnt. Es geht vielmehr darum, dass die großen Wirtschaftsnationen ihre Konjunktur ankurbeln wollen, indem sie die eigene Währung schwächen oder Fremdwährungen stärken. Das würde der Exportwirtschaft helfen, weil die heimischen Erzeugnisse für ausländische Käufer günstiger werden. Gewinner ist letztlich die Nation, die aus der Schwächung der eigenen Währung die größten Wettbewerbsvorteile zieht.
Was für die internationalen Handelsbeziehungen dramatische Züge annehmen kann, könnte Anlegern, deren Geld den Währungsraum nicht verlässt, scheinbar egal sein. Aber sie haben ein anderes Problem: Schon jetzt verlieren sie aufgrund der niedrigen Zinsen bei festverzinslichen Anlagen nach Abzug der Inflation bares Geld. Und gerade der Inflationsrate droht in einem Abwertungswettlauf ein dramatischer Anstieg. Ohnehin sind sich die Experten einig, dass langfristig ein deutlicher Anstieg der Inflation droht.
Bank of China wirbt für Anleihen
Rainer Sartoris, Devisenexperte bei HSBC Trinkaus, erinnert an die Briten: „Das Pfund hat 2008 in der Krise massiv abgewertet. Geholfen hat es dem Land relativ wenig. Bei den Exporten gab es kaum positive Effekte. Allerdings gab es in Großbritannien eine hohe Inflation, die zum Teil deutlich über den Lohnzuwächsen lag. Das hat die Briten viel Kaufkraft gekostet.“
Die Angst der Anleger ist also berechtigt. Wer also Währungskrieg und Inflation fürchtet, für den kann der Blick ins Ausland lohnen. In einen anderen Währungsraum auszuweichen geht allerdings nur zum Preis des zusätzlichen Wechselkursrisikos.
Teuerung - Inflation wäre ein Irrweg
Die Liquiditätsschwemme, mit der die EZB das Bankensystem stabilisiert hat, schürt in Deutschland die Angst vor einer steigenden Inflation. Zwar gibt es kurz- und mittelfristig keine Anzeichen für einen starken Preisanstieg. Dennoch mahnen Deutschlands Wirtschaftsvertreter Politik und EZB zu Wachsamkeit.
„Mehr Inflation wäre ein Irrweg.“
„Noch nie in der Geschichte hat ein großer Preisauftrieb nicht am Ende doch Einkommen und Ersparnisse der Menschen deutlich entwertet.“
„Bei einer Erholung der Euro-Konjunktur könnte der Prozess schnell außer Kontrolle geraten.“
„Die Inflationserwartungen im Euro-Raum sind auch nach den außergewöhnlichen Maßnahmen der EZB stabil.“
„Die Sondermaßnahmen sind befristet. Die EZB kann jederzeit aussteigen, wenn Preissteigerung droht.“
„Die Unabhängigkeit der EZB und ihre Freiheit von Interessenkonflikten müssen gestärkt werden.“
Aber es gibt viele Anleger, die das nicht schreckt. Das wissen natürlich auch die Banken. Im Bankenviertel in der Kölner Innenstadt trafen sich am Donnerstagabend rund 30 Banker und Finanzfachleute, um in einem Hörsaal der Privatbank Sal. Oppenheim der Präsentation von Ken Ka-Lam Hu zu lauschen, dem leitenden Investmentstrategen für die Anleihemärkte bei der Bank of China Hongkong. Sein Thema: der chinesische Renminbi. In seinem Vortrag erläuterte er die Vorzüge der chinesischen Währung: praktisch keine Schwankungen und ein langsam aber dafür stetig steigender Wert, gestützt durch die große Wirtschaftskraft, hohe Devisenreserven und den geringen Schuldenstand der Volksrepublik. „Das ist schon unsere vierte Veranstaltung mit Herrn Ken Hu“, sagt Thomas Roche, Produktmanager von Sal. Oppenheim, der den Chief Investment Officer eingeladen hat. Im vorigen Jahr gab es bereits Vortragsabende in Köln, Hannover und Stuttgart.
Der chinesische Top-Banker Ken Hu kommt gern und wirbt für mehr ausländisches Kapital am chinesischen Anleihenmarkt – gleichgültig, ob in Staats- oder Unternehmensanleihen. „Wir haben diese Abende organisiert, weil das Interesse unserer Kunden an Anlagemöglichkeiten in Renminbi groß war – und weiterhin ist“, sagt Roche. Deshalb hat Sal. Oppenheim im vorigen Jahr auch einen Renminbi-Anleihefonds aufgelegt. In den sind nach ein paar Monaten bereits 50 Millionen Euro eingelaufen. „Die Renditen der Anleihen liegen aktuell je nach Kreditqualität und Laufzeit zwischen fünf und sieben Prozent. Das klingt nach wenig, aber wo gibt es derzeit an den Anleihemärkten noch solche Renditen?“, fragt Roche.
Der Wechselkurs gegenüber den Schwellenländern zeigt Ott zufolge, dass die Euro-Stärke vor allem eine Schwäche von Dollar, Yen und Pfund sie. „Gegenüber den Schwellenländern hat sich der Euro weniger stark erholt. Weil sich der Euroraum eine starke Währung nicht leisten kann, - da dies unter anderem auch mit entsprechend höheren Zinsen einhergehen würde - dürfte der Euro wieder zur Gruppe der Weichwährungen stoßen“, prognostiziert der Commerzbank-Experte. Ähnlich sieht es sein Branchenkollege Sartoris von HSBC: „Noch kann der Euro gegenüber Dollar und Pfund etwas aufwerten. Ich glaube aber nicht, dass der Euro zum dauerhaften Höhenflug ansetzt.“
China ist nicht Griechenland
Herr Ken Hu erläutert, dass der Renminbi in den vergangenen Krisen stabil geblieben ist, während alle anderen großen Währungen massiv abwerteten. Ja, das liege natürlich daran, dass der Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar von der Regierung bestimmt wird, aber für ausländische Anleger sei das doch gut, argumentiert er. Für China spricht zudem eine Staatschuldenquote von nur 50 Prozent, hohe Sparquoten, die hohen Devisenreserven und das schiere Volumen der Volkswirtschaft – die nach wie vor viel Wachstumspotenzial hat. Für chinesische Anleihen spreche daneben vor allem der Zins. Der Anleihemarkt in China wächst und hat im Handel mit dem Ausland ein Volumen von 65 Billionen US-Dollar erreicht. "China ist nicht Griechenland", sagt Ken Hu vor den versammelten Bankern.
Generell haben die Währungsschwankungen in den vergangenen Jahren zugenommen. Für Geldanlagen in Fremdwährungen jenseits des staatlich kontrollierten Renminbi ist das Risiko somit gestiegen. Wer also auf höhere Zinsen in anderen Währungsräumen setzen will, sollte sich an die relativ gesunden Staaten mit überschaubarem Risiko halten. „Den Weichwährungen Dollar, Euro, Pfund und Yen stehen vor allem Währungen aus Wachstumsregionen gegenüber, wie etwa der Renminbi, der brasilianische Real, der mexikanische Peso, die norwegische Krone oder der australische Dollar“, konstatiert Ott. „Diese Währungen haben seit längerem und verdientermaßen eine Aufwertung erfahren. Dass dagegen der Euro seit einigen Monaten steigt, ist hingegen ein Ausreißer und wird sich wieder geben.“ Mit einer Aufwertung des Fremdwährungsinvestments erhält der Anleger somit auch noch einen Wechselkursgewinn.
Das kann natürlich auch nach hinten losgehen. „Fremdwährungsanleihen waren mal sehr beliebt, weil die Emerging-Markets-Länder Anleihen in eigenen Währungen mit hohen Zinsen anboten und zugleich fundamental gut dastanden, weshalb Investoren sich oft zusätzlich zu den hohen Kupons über Währungsgewinne freuen konnten“, erinnert Harald Preißler, Chefvolkswirt des Anleihemanagers Bantleon. „Die hohen Renditen waren auch ein Schutz gegen die Währungsrisiken. Durch die starken Zuflüsse in Fremdwährungsanleihen sind die Kupons jedoch in den vergangenen Jahren stark gesunken, sodass es kaum noch Schutz gegen das Wechselkursrisiko gibt. Damit ist das Chance-Risiko-Verhältnis nur noch bei einigen wenigen Fremdwährungsanleihen akzeptabel.“ Die Auswahl der Papiere muss also sehr gewissenhaft erfolgen.
Der Wechselkurs gegenüber den Schwellenländern zeige Ott zufolge, dass die derzeitige Euro-Stärke vor allem eine Schwäche von Dollar, Yen und Pfund ist. „Gegenüber den Schwellenländern hat sich der Euro weniger stark erholt. Auch weil sich der Euroraum eine starke Währung nicht leisten kann, - da dies unter anderem auch mit entsprechend höheren Zinsen einhergehen würde - dürfte der Euro wieder zur Gruppe der Weichwährungen stoßen“, prognostiziert Ott.
Anleihen aus robusten Schwellenländern bevorzugt
Die Commerzbank bietet ihren Kunden bereits seit langem verschiedene Anleihe-Fonds sowie einzelne Anleihen in fremden Währungen an. „Das Angebot wird ganz gut angenommen. Die Zinsvorteile kombiniert mit Währungsgewinnen sind für die Kunden attraktiv“, so Ott. Je länger man dabei ist, desto größer ist auch das Plus - absolut und relativ zu Euro-Anlagen. Nun gibt es allerdings seit August Gegenwind durch die Euro-Stärke. „Der strukturelle Trend zu den neuen Hartwährungen hält aber an, er ist intakt“, ist der Devisenexperte überzeugt.
Anlegern, die ihr Zinsheil in Fremdwährungsanleihen suchen wollen, empfiehlt Ott aber eher kurze Laufzeiten von bis zu drei Jahren, weil sich die Zinsen mittelfristig ändern könnten. Insbesondere, da man ja auf das Wachstum und damit einhergehend steigende Zinsen setzen möchte, machen längere Laufzeiten weniger Sinn, da diesen Papieren empfindlichere Kursverluste drohen. Wie hoch der Anteil im Portfolio sein soll, hängt dabei von der Risikobereitschaft des Anlegers ab. „Ich persönlich kann mir vorstellen, dass in einem Depot, das je zur Hälfte aus Aktien und Anleihen besteht, die Hälfte der Rentenpapiere Fremdwährungsanleihen sind“, sagt Ott.
Es kann sich für Anleger durchaus lohnen, auch wenn es nicht zum Währungskrieg kommt. HSBC-Banker Sartoris bleibt da gelassen: „Ein Währungskrieg würde für mich bedeuten, dass es einen offenen Schlagabtausch gibt. Den sehe ich nicht. Einige Länder geben aber offen zu, dass ihnen eine schwächere Währung helfen würde. Neben Japan kamen solche Töne auch von Mervyn King, dem britischen Notenbankchef.“
Japans Ministerpräsident Abe hat indessen die von ihm durchgesetzte lockere Geldpolitik gegen internationale Warnungen vor einem Währungskrieg verteidigt. "Die Maßnahmen der Regierung und der Notenbank zielen darauf ab, die Deflation zu bekämpfen und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen", sagte Abe am vergangenen Mittwoch im Parlament.
Hoffentlich behält er Recht. Denn Risiken gibt es auch ohne Währungskrieg schon genug. „Die Euro-Krise wird sicher noch mal hochkochen, etwa zur Wahl in Italien. Wir sind auch skeptisch, ob es Spanien schafft, seine Haushaltsziele einzuhalten“, sagt Sartoris. „Dann wird der Euro auch wieder schwächer. Auch gegenüber dem Yen.“