Die Gasmaske am Gürtel drückt bei jeder Bewegung, aus dem Schacht dringt modrig-feuchte Luft. Noch zwei Schritte, dann ist endlich die 157. Stufe erreicht – und damit das Ende des Abstiegs. 30 Meter unter der Erdoberfläche empfängt den Besucher gedämpftes Licht und eine Temperatur, die niemals um mehr als ein Grad Celsius von 13 abweicht, weder nach oben noch nach unten. Auch die Luftfeuchtigkeit im unterirdischen Verlies ist kontrolliert, sie beträgt exakt 80 Prozent. Beladen mit hellen Kartons, ruckelt nebenan eine Lore schmale, dunkle Schienen hinab.
Menschen darf das Wäglein nicht transportieren, wohl aber edlen Wein – und den gibt es hier unter der Erde reichlich: Bordeaux und Burgunder, kostbare Flaschen der Châteaux Pétrus, Margaux und Haut-Brion. Hier ein Château Latour 1996, dort ein Château Lafite-Rothschild aus dem Jahr 2008 – und sogar einer aus dem Jahr 1945 ist dabei.
Rund sechs Millionen Flaschen Wein, Champagner, Portwein und Sherry im Wert von etwa 1,5 Milliarden Dollar lagern in Holzkisten oder Pappkartons in den Regalen, die die Wände des ehemaligen Steinbruchs säumen. „Unser Depot in der Eastlays-Mine ist etwa so groß wie 22 Fußballfelder“, sagt Vincent O’Brien, der Geschäftsführer von Octavian Vaults.
„Willkommen in der Botschaft des Weins“
Einer der größten Weinkeller Europas versteckt sich unter einer idyllischen Hügellandschaft in der Nähe der englischen Kleinstadt Chippenham, etwa zwei Stunden westlich von London. Mit Alarmanlage, Überwachungskameras und Wachpersonal, das rund um die Uhr präsent ist. Der mit Stahlgitter, Bewegungsmeldern und Sensoren gesicherte Eingang befindet sich auf einem Feld. Dorthin führt lediglich ein schmaler Weg, der von einer geteerten Landstraße abzweigt.
Nur wer eine persönliche Anmeldung vorweisen kann, erhält Zutritt. Minderjährige müssen draußen bleiben. „Willkommen in der Botschaft des Weins“, begrüßt Geschäftsführer O’Brien Besucher nach dem langen Abstieg. Tatsächlich ist der überdimensionale Weinkeller als „Bonded Warehouse“ steuerlich gesehen exterritoriales Gebiet. Bei Kauf und Verkauf der flüssigen Kostbarkeiten fallen somit weder Zoll noch Mehrwert- oder Kapitalertragsteuer an. Ein Aspekt, den ausländische Investoren wie Fondsgesellschaften und Hedgefonds, die ihren Wein als reine Geldanlage betrachten, durchaus schätzen. Voraussetzung für einen hohen Verkaufswert ist eine exzellente Lagerung in fachgerechten Lagerräumen.
Wein für mehr als 13.000 Euro pro Flasche
Wer ihre Kunden sind, wollen weder O’Brien noch Depotverwalter Andrew Wadsworth verraten. Diskretion ist in diesem Geschäft Ehrensache, es geht um viel Geld: Die teuerste Kiste im Lager – bestückt mit zwölf Flaschen – ist 120.000 Pfund wert, umgerechnet 160.000 Euro. Macht etwa 13.300 Euro pro Flasche.
Die besten Weine des Gault Millau 2013
2011 Goldlack Trockenbeerenauslese
Schloss Johannisberg (Rheingau)
2011 Saarburger Rausch – 1 –
Zilliken (Saar)
2002 Chardonnay Prestige Brut Blanc de Blancs
Raumland (Rheinhessen)
2011 Ilbesheimer Kalmit "Großes Gewächs"
Kranz (Pfalz)
2011 Forster Pechstein "G.C."
Dr. Bürklin-Wolf (Pfalz)
2010 Wildenstein "R"
Bernhard Huber (Baden)
2011 Rauenthaler Nonnenberg
Georg Breuer (Rheingau)
Immerhin erzählt O’Brien, dass 30 Prozent der Kunden aus dem Ausland stammen, neben Kontinentaleuropa aus den USA und Asien, etwa Singapur oder Hongkong – einige Pappkartons sind mit chinesisch klingenden Namen beschriftet. Zu den Kunden gehören aber auch britische Restaurants, Auktionshäuser und mehr als 130 Weinhändler. Einige von ihnen beliefern den Buckingham Palace. Gut möglich also, dass auch die Weine von Königin Elisabeth hier streng gesichert in einem verborgenen Winkel ruhen.