Wein als Wertanlage Flüssige Kostbarkeiten im Bunker

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Sherry aus dem 18. Jahrhundert

Einige Flaschen sind schon seit einem Vierteljahrhundert da, ein Privatmann hat gar 10.000 Kisten eingelagert. Bei diesen Dimensionen wundert es nicht, dass manche Sammler ihren Wein nicht mehr selbst in Augenschein nehmen. Stattdessen versorgt Octavian sie auf Wunsch regelmäßig mit Bildern ihrer flüssigen Schätze. Dafür hat das Unternehmen sogar unterirdische Fotostudios errichtet, ein neues ist gerade in Vorbereitung. Denn nicht nur der Wein selbst, sondern auch Etiketten und die Verpackung dürfen nicht beschädigt werden – sonst droht Wertminderung.

„In Zukunft werden wir 6000 Bilder im Monat produzieren können, 2012 waren es nur 500“, sagt O’Brien. Sie dienen nicht nur der Kontrolle der Bestände, sondern sind auch ein Marketinginstrument für Händler oder Privatleute, die direkt vom Depot weiter verkaufen wollen. Der Bilderdienst richtet sich allerdings nicht nur an die Investoren, sondern ist auch Teil des Services für die verwöhnten Superreichen, die ihre Schätze gut betreut wissen wollen. Die Kunden haben heute eben andere Ansprüche. Manche wünschen sich sogar eigene Räume für ihre Bestände, wo sie sich beim Besuch inmitten ihrer edlen Tropfen ungestört aufhalten können. Aus Versicherungsgründen erlaubt der Betreiber seinen Kunden das bislang aber nicht.

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen

Offiziell handelt es sich bei dem Weinkeller immer noch um eine Mine, Brandschutzbestimmungen schreiben daher die Mitnahme unförmiger Gasmasken vor. Komfort oder Luxus? Sucht man vergeblich. Früher wurden hier gelegentlich Filme oder TV-Produktionen gedreht, die ersten Folgen der Kultserie „Doctor Who“ etwa.

1983 entstand hier die BBC-Serie „The Fourth Arm“, ein Agententhriller, bei dem es um Spionage im Zweiten Weltkrieg ging. Das perfekte Thema für die Umgebung. Denn in der Nachbarschaft der Mine befand sich jahrelang ein 14 Hektar großer unterirdischer Atombunker aus der Zeit des Kalten Krieges, der die Regierung und 4000 Beamte schützen sollte. Auch der Premierminister, dessen offizieller Landsitz Chequers sich in der Nähe befindet, sollte hier Zuflucht finden.

Probieren der Tropfen ist verboten

Beim Streifzug durch den alten Stollen, der in neun verschiedene Einzelbereiche unterteilt und mit Zahlen und kryptischen Symbolen aus der Zeit seiner militärischen Nutzung versehen ist, kann man sich leicht verirren. Deshalb dürfen neue Mitarbeiter in den ersten vier Wochen nur in Begleitung eines erfahrenen Kollegen ins Lager absteigen. Aus Sicherheitsgründen wird abends der Strom ausgeschaltet, die kleine Transportbahn stillgelegt und weggesperrt. Das schreckt potenzielle Diebe ab, die sich mit ihrer schweren Beute zu Fuß die knapp 160 Stufen nach oben quälen müssten. Bisher hat es noch keiner versucht.

Die dunklen, verwinkelten Gänge bergen viele Geheimnisse: Wadsworth deutet auf zehn verwitterte, staubbedeckte Holzfässer, die aussehen, als seien sie vor Jahrhunderten von einem Piratenschiff gefallen: „Champagne Cognac“, sagt Wadsworth, „der Alkoholgehalt liegt bei 55 Prozent. Wir wissen nicht, wann der Cognac in die Fässer abgefüllt wurde.“

Dann sperrt er die Tür eines Metallkäfigs auf. In einem unauffälligen Regal liegt die älteste Flasche des Depots. Ein Sherry aus dem Jahr 1775, geschätzter Wert: 20.000 Dollar. Getrunken wird er vermutlich nie mehr. Ob er noch schmecken würde? Ausprobieren dürfte man es hier ohnehin nicht – Korkenzieher und Flaschenöffner sind streng verboten.

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