Werner knallhart

Cash-free-Test: 3 Tage ohne Bargeld durch Stockholm

Die Schweden wollen Scheine und Münzen aus ihrem Geschäfts-Alltag ausschleichen. Und gehen dabei rigoros und manchmal etwas übermütig vor. Ich wollte lernen, wie in Schweden funktioniert, was in Deutschland unmöglich scheint.

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3 Tage bargeldlos durch Stockholm: Unser Kolumnist wollte lernen, wie das in Schweden funktioniert. Quelle: Fotolia

Zu Hause habe ich in einer Schublade ein paar Briefumschläge, gefüllt mit Scheinen und Münzen aus von mir bereisten Ländern. Das „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“-Prinzip: Das übrig gebliebene Geld gibt mir einen guten Grund, mal wieder in sein jeweiliges Ausgeber-Land zu reisen. In Schweden gibt es allerdings noch einen anderen guten Grund: Meine halbe Familie lebt in Stockholm.

Ich war einigermaßen zufrieden mit mir selbst, dass ich vorm Aufbruch zum Flughafen tatsächlich daran gedacht hatte, den Umschlag mit den schwedischen Kronen einzustecken. Es waren Münzen im Wert von knapp sechzig Kronen, also rund sechs Euro. Es war also weniger eine ökonomische als vielmehr eine emotionale Angelegenheit.

Bei meinen Verwandten in Stockholm angekommen, warf ich die Münzen auf den Tisch. Meine Kusine nahm eine Krone in die Hand, blickte dann auf ihre Armbanduhr und lachte: „Diese Münzen sind noch genau drei Stunden und 34 Minuten etwas wert.“

Zehn exotische Zahlungsmittel
BiberfellIn früheren Jahrhunderten galt Biberfell in Nordamerika als Zahlungsmittel. Es gab nicht nur Wechselkurse für Biberfelle - gegen zwei Felle gab es beispielsweise ein Pfund Tabak - sondern auch etwas später auch Bibermünzen als Zahlungsmittel. Quelle: dpa
KanugeldIm Königreich Luang Prabang in Laos zahlten die Menschen früher mit einem bronzenen Barren, der wie ein Boot geformt war. Deshalb wurde dieser dortige Vorläufer des Münzgeldes Kanu- oder Bootsgeld genannt. Quelle: AP
Bild Ersatzgeld Havelblüten
Tee Quelle: REUTERS
Eingeborener auf Papua-Neuguinea Quelle: dpa/dpaweb
Kakao Quelle: obs
Bananenblatt Quelle: dpa

„Hä?“

„Das sind die alten Münzen. Die kannst du noch bis Mitternacht bei der Riksbank einzahlen“, also beim schwedischen Pendant zur Bundesbank. „Aber die hat schon zu. Im Grunde kannst du das Geld auch direkt in den Müll werfen. Ab morgen, dem ersten September, gelten nur die neuen Münzen.“

In Schweden ist das halt so. Da läuft die Gültigkeit von Bargeld eben mal zwischendurch ab wie ein Kinogutschein. Selber schuld, wenn man so etwas wie Münzen und Scheine noch benutzt. Mein Onkel zog einen 500-Kronen-Schein aus der Tasche: „Hier der neue.“

„Oh, zeig mal.“ Die Begeisterung in der Runde war groß. Der Schein ist zwar schon seit 11 Monaten im Umlauf. Aber Banknoten sieht man in Schweden eben nicht mehr so oft.

Meine Kusine stocherte mit dem Zeigefinger im Münzhaufen: „Hier, deine zwei 10-Kronen-Münzen sind noch gültig.“

Ok, zwanzig Kronen hatte ich also in bar. Das entspricht gut zwei Euro. Ich stecke die zwei Münzen in meinen Geldbeutel. Würde ich sie überhaupt loswerden in Stockholm, einem Land, das überlegt, Bargeld bald ganz abzuschaffen?

Schweden ist ja berühmt dafür, dass man dort sein Kaugummi am Kiosk mit Karte bezahlt. Aber immerhin kann man Kaugummi auch immer noch bar bezahlen, wenn man noch zur Fraktion der vollgestopften Geldbeutel gehört. Doch Bargeld ist einfach nicht nötig. Mitunter wird man als Bargeldzahler sogar behandelt wie ein hilfebedürftiges Opfer des technischen Fortschritts. Man hält für die ewig Gestrigen Notlösungen parat:

Am Hauptbahnhof angekommen, will ich ein Ticket für die U-Bahn kaufen. Dort kann man am Schalter entweder mit Karte oder klassisch bar Einzeltickets für geschlagene 43 Kronen kaufen (gut 4,50 Euro! Und das im sozialen Schweden!). Wer sich nicht dumm und dämlich bezahlen will, besorgt sich deshalb am Schalter eine ACCESS-Karte, eine unbegrenzt gültige Guthabenkarte. Über die kostet jede einzelne Fahrt 30 Kronen. Die Karte aufzuladen, funktioniert an den U-Bahnstationen am Automaten zackig ohne Bargeld. Wer sie bar aufladen will, muss sich am Schalter mit den Touristen aus Deutschland, China und der ganzen Welt in die Schlange stellen, die mit Rollkoffern und Blick auf die Uhr hibbelig darauf warten, ihr Kleingeld gegen Fahrkarten einzutauschen. Bargeld lacht - einen aus.

Das lästige Kleingeld dürfte abgeschafft werden
Cent-Münzen Quelle: dpa
Abschaffung aus Platzgründen Quelle: dpa
Zu teure Herstellung Quelle: dapd
Abschaffungsgegner in der Minderheit Quelle: dpa
Bargeld nach wie vor beliebt Quelle: dpa
Männer haben im Schnitt 17 Euro mehr Bargeld im Portemonnaie Quelle: dpa
EC-Karte gewinnt an Bedeutung Quelle: dpa

Wer allerdings seine erste Fahrt mit dem Bus antreten will, ist mit Cash ganz und gar aufgeschmissen. Im Bus verkauft der Fahrer keine Fahrkarten. Auch keine Einzeltickets. Es gibt auch keinen Automaten im Bus. An den Bushaltestellen gibt es aber auch keine. Wer keine ohne eine leer gefahrene Access-Karte hatte, konnte lange Zeit schlichtweg nicht mitfahren.

Mittlerweile gibt es eine App. Darin muss man seine Kreditkarten-Informationen hinterlegen und kann dann Einzeltickets per Knopfdruck kaufen. Einfach einsteigen und mit Bargeld zahlen geht in Stockholm gar nicht mehr.

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