Das Wort „Blutbad“ macht an den Märkten die Runde, seit Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), angedeutet hat, ein Ende der ultralockeren Geldpolitik könne bevorstehen. Ultralocker, das bedeutet: Der EZB-Leitzins liegt bei 0,00 Prozent, der Einlagenzins für Banken bei minus 0,4 Prozent. Und die Notenbank kauft für 60 Milliarden Euro im Monat Euro-Anleihen auf, was deren Renditen in Richtung Nullmarke drückt.
Ultralocker also – bis jetzt? Nachdem Draghi von einer „Normalisierung“ der Geldpolitik sprach, sackten die Kurse binnen einer Woche um 1,9 Prozent, die von italienischen Staatsanleihen um drei Prozent. Ist das der Vorbote einer großen Zinswende, der Anfang vom Ende der Kredit- und Anleiheblase?
„Das erscheint uns übertrieben“, sagt Sebastian Sachs, Kapitalmarktspezialist vom Bankhaus Metzler in Frankfurt.
Draghis Stationen
Mario Draghi schließt erst sein Ökonomiestudium mit Bestnote ab und geht dann in die USA, um am MIT zu promovieren.
Nach einem ersten Lehrauftrag in Trient wird Draghi auf eine Professur für Finanzwissenschaften nach Florenz gerufen.
Parallel wirkt er als Exekutivdirektor bei der Weltbank in Washington.
Draghi leitet das italienische Schatzministerium. Er soll die Staatsbetriebe privatisieren und das Land in den Euro bringen.
Es folgt ein Abstecher zur Investmentbank Goldman Sachs als Vice Chairman und Leiter des Europageschäfts.
Nach seiner Rückkehr wird Draghi Gouverneur der Notenbank.
Nach einem Machtkampf tritt Draghi sein Amt als dritter EZB-Präsident an.
Am 18. März demonstrieren fast 20.000 Menschen gegen die Eröffnung der neuen EZB-Zentrale am Osthafen. Kurz danach attackiert ihn eine Aktivistin bei einer Pressekonferenz.
Denn genau genommen ist die Zinswende längst passiert und schon wieder zu Ende, zumindest in den USA: 30 Jahre lang ging es unter Schwankungen immer weiter runter mit den Renditen. Vor ziemlich genau einem Jahr, am 6. Juli 2016, verzeichneten zehnjährige US-Staatsanleihen ihr Renditetief bei 1,32 Prozent. Danach ging es hoch bis an die 2,6-Prozent-Marke. Inzwischen haben sie sich – dank rückläufiger US-Inflationsraten – bei 2,4 Prozent eingefunden.
Von einer beängstigenden Preissteigerung ist auch in Euro-Land keine Spur. Zuletzt lag die Inflation bei gerade mal 1,3 Prozent. „Auch wenn die EZB das Volumen ihrer Anleihekäufe Ende 2017 verringern könnte, rechnen wir nicht mit einer bevorstehenden Änderung der Zinssätze“, so Matthias Hoppe, Portfoliomanager, Franklin Templeton Multi-Asset Solutions.