Rohstoff-Experte Weinberg im Interview "Gold ist eine gute Versicherung"

Eugen Weinberg, Leiter des Rohstoffresearchs bei der Commerzbank in Frankfurt, rechnet mit wieder steigenden Rohstoffpreisen und prophezeit einen Abwertungswettlauf unter den Papierwährungen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eugen Weinberg, Leiter des Rohstoffresearchs bei der commerzbank in Frankfurt

WirtschaftsWoche: Herr Weinberg, die Internationale Energieagentur (IEA) warnt schon vor der nächsten Weltwirtschaftskrise – einer, die von 2013 an durch Ölknappheit ausgelöst werden könnte. Ist das realistisch?

Weinberg: Die Argumente der IEA sind zumindest schlüssig. Aktuell ist Öl zwar reichlich vorhanden, aber wenn jetzt zu wenig in Förderkapazitäten und die Erschließung neuer Vorkommen investiert wird, fehlt das Öl in ein paar Jahren, wenn die Nachfrage wieder anzieht. Wie Sie wissen, stehen die Banken heute nicht unbedingt Schlange bei den Ölproduzenten, um neue Projekte zu finanzieren.

Die großen integrierten Ölmultis haben ihre Investitionsbudgets kaum gekürzt.

Richtig, auf sie entfällt aber nur ein geringer Teil des weltweiten Angebots. Zudem ist Big Oil weniger auf Fremdkapital angewiesen. Die Konzerne arbeiten auch bei aktuellen Ölpreisen profitabel. Dass sie ihre Investitionen hochhalten, bestätigt eher das IEA-Szenario. Denn Investitionen etwa in unkonventionelle Vorkommen wie die Ölsande in Kanada, Tiefseefelder vor der Küste Brasiliens oder in der Arktis, rechnen sich erst bei deutlich höheren Ölpreisen. Damit kalkulieren die Konzerne auf lange Sicht.

Die Opec, allen voran Saudi-Arabien, könnte den Ölhahn wieder aufdrehen. Zuletzt hat das Kartell die Förderquoten nicht mehr gesenkt.

Die bisher beschlossene Kürzung ist ja auch noch nicht komplett umgesetzt. Die Opec wartet zunächst ab, wie der Preis reagiert. Das ist klug. Insgesamt wird sich das Kartell zurückhalten, die Menge auszuweiten. Ehe das passiert, wird man alles daransetzen, den Preis nachhaltig nach oben zu bringen, in Richtung 80 Dollar pro Fass. In der aktuellen Marktlage können die Förderländer mehr Einnahmen über einen höheren Preis erzielen als über eine höhere Menge. Darüber herrscht Konsens innerhalb der Opec. Außerdem gibt es nur ein Saudi-Arabien auf dieser Welt mit hohen ungenutzten Produktionsreserven.

Sollten Regierungen die Steuergelder dann nicht besser in Energieprojekte stecken, statt gigantische Überkapazitäten in überschuldeten und unproduktiven Branchen zu alimentieren, etwa im Bankensektor?

Es gibt ja Regierungen, die das machen. China etwa nutzt die tiefen Preise und investiert – nicht nur im Energiebereich, sondern in nahezu allen Rohstoffsektoren. Peking kauft Lagerbestände, beteiligt sich an Rohstoffunternehmen und an einzelnen Projekten. Das ergibt Sinn. Der Boden bei den meisten Rohstoffpreisen ist inzwischen erreicht, weil das Angebot noch schneller gefallen ist als die Nachfrage. Über kurz oder lang müssen die Preise deshalb wieder steigen. Erholt sich die Nachfrage, kann es sogar wieder steil nach oben gehen, weil das Angebot dann der Nachfrage hinterherhinkt. Zu den Banken: Die muss man leider auch retten.

Wer rettet die Bürger vor Regierungen, die Staaten in den Bankrott steuern oder damit beginnen, ihre Schulden mithilfe der Notenpresse zu begleichen?

Der Besitz von Gold bietet einen gewissen Schutz, sollten diese Worst-Case-Szenarien tatsächlich eintreten.

Auch Großinvestoren schließen diese nicht mehr aus und kaufen Gold. So auch große Hedgefonds, die nach den Banken jetzt gegen die Zentralbanken antreten, weil sie mit einer Abwertung von Papierwährungen zum Gold rechnen. Sind das die neuen Warren Buffetts?

Das wird sich zeigen. Am Ende einer Krise wie der aktuellen wird es unter dem Strich nur wenige geben, die nichts verloren haben. In den Dreißigerjahren hat es auch das ganz große Kapital erwischt. Einen Teil des Vermögens in Gold anzulegen, halte ich trotzdem für sinnvoll – aber weniger zur Spekulation, sondern als Versicherung gegen einen Finanzunfall.

Wird die Investorennachfrage anhalten?

Eine gute Frage. Für den jüngsten Goldpreisanstieg sorgte nahezu ausschließlich die Investmentnachfrage, abzulesen an den hohen Zuflüssen in die mit physischen Goldbeständen besicherten ETFs. Die Zuflüsse lagen an manchen Tagen sogar über der Tagesproduktion der Goldminen. Dagegen schrumpft der Bedarf der Industrie und der Juweliere in der Rezession, während das Altgoldangebot stark steigt. Sollte die Investorennachfrage nachlassen, könnte der Goldpreis stärker korrigieren. Andererseits ist der Goldanteil in den Depots der Investoren immer noch sehr gering. Die ETFs halten zusammen aktuell 1600 Tonnen, was etwa 50 Milliarden Dollar entspricht. Die weltweite Aktienmarktkapitalisierung dagegen liegt bei gut 30.000 Milliarden Dollar, in Rentenpapieren stecken rund 90.000 Milliarden Dollar. So gesehen besteht beim Gold noch reichlich Luft nach oben.

China ist besorgt um die Sicherheit seiner in US-Staatsanleihen gebunkerten Dollar-Reserven, das Ausland verkaufte zuletzt per saldo langlaufende US-Staatstitel. Wer finanziert die USA, wenn das Ausland ausfällt?

Das übernimmt dann die US-Notenbank Fed. Notenbankchef Ben Bernanke hatte dies oft genug in Aussicht gestellt, seit vergangenen Mittwoch ist es offiziell.

Also Staatsfinanzierung über die Notenpresse?

So kann man das bezeichnen.

Droht ein Abwertungswettlauf unter den Papierwährungen?

Ich denke, dieser hat längst begonnen. Schauen Sie auf die Schweizer Nationalbank, die gegen den Franken interveniert. Andere Notenbanken werden folgen.

Wird Gold im Fall einer neuen Weltwährungsordnung eine bedeutende Rolle zukommen?

Davon gehe ich aus. Allerdings glaube ich nicht, dass eine Rückkehr zu einem Währungssystem, das in irgendeiner Form an Gold gekoppelt ist, unmittelbar bevorsteht.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%