Eugen Weinberg im Interview Gold kaufen

Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank, über die Turbulenzen an den Rohstoffmärkten.

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WirtschaftsWoche: Herr Weinberg, ist der Rohstoffboom vorbei? Weinberg: Nein, die Verkaufswelle hatte nur teilweise etwas mit Angebot und Nachfrage zu tun. Womit dann? Die Kreditkrise löste eine Flucht aus: Alle wollen investiertes Geld flüssigmachen. Solche Verkaufswellen treffen sämtliche Anlagen, auch die Rohstoffmärkte. Aber nicht alle Rohstoffe sind gleich stark gefallen. Am schärfsten erwischt hat es Industriemetalle, weniger betroffen waren Energie, Agrar und Edelmetalle. Spielen Konjunkturrisiken keine Rolle? Doch, sie haben den Einbruch der Industriemetalle verstärkt. Dass der Preis von Kupfer fällt, kam für mich mit Blick auf die angeschlagene US-Baukonjunktur nicht überraschend. Wo bleibt China? Alle Welt denkt doch: Solange es dort boomt, steigen die Rohstoffpreise von selbst. So einfach ist das nicht. China ist wichtig für die Nachfrage. Doch man muss von Rohstoff zu Rohstoff unterscheiden, selbst innerhalb einer Rohstoffklasse. So hat sich Nickel vom Hoch halbiert, während sich Blei verdoppelte. Wohin geht der Ölpreis? Er wird fallen. Die USA verbrauchen immer noch dreimal so viel Öl wie China. Außerdem hat die Opec heimlich ihre Produktion hochgefahren. Stützend wirken noch die Sorgen vor Förderausfällen im Golf von Mexiko. Welche Rolle spielen Hedgefonds? Sie überziehen Trends – nach oben und nach unten. Aber sie sind oft gut informiert. Die wissen genau, was China gerade mehr oder weniger braucht, und positionieren sich entsprechend. Auch Hedgefonds müssen verkaufen, wenn sie in der Kreditklemme stecken. Die Gefahr besteht. Welche Folgen hätte eine weitere Zuspitzung der Finanzkrise für die Rohstoffmärkte? Es drohte eine weitere Verkaufswelle. Sollte die Krise die Weltkonjunktur schwächen, wären konjunkturabhängige Rohstoffe wie Industriemetalle und Öl gefährdet. Doch die Preise werden vermutlich nicht ins Bodenlose fallen. Schließlich erschwert eine Kreditkrise die Finanzierung neuer Rohstoffprojekte. Das hält das Angebot knapp und wird den Zyklus am Ende noch verlängern... ...wobei viele Minen auf der Strecke blieben. Das Risiko erhöht hat sich für schwach finanzierte Explorer und hoch verschuldete Produzenten. Also Finger weg von Rohstoffaktien? Nicht unbedingt, nur die Titelauswahl wird anspruchsvoller als in den vergangenen Jahren. Was sollten Anleger jetzt tun? Mit Blick auf die Unsicherheit an den Märkten auf keinen Fall flächendeckend einsteigen. Das gilt für Rohstoffaktien wie für die Rohstoffe. Um konjunktursensible Rohstoffe, also vor allem Industriemetalle und Energie, würde ich einen größeren Bogen machen. Agrarrohstoffe könnten von ihrem defensiven Charakter profitieren. Für Privatanleger ist es schwierig, am Agrarboom zu verdienen. Das stimmt. Reine Agrarproduzenten gibt es an der Börse kaum, Aktien von Agrarzulieferern sind gut gelaufen und Agrarzertifikate enttäuschen oft wegen der Rollverluste. Ideal wären gut handelbare Anteile an Nutzflächen nach Vorbild von Reits, die es meines Wissens aber nicht gibt. Was ist mit Gold? Kaufen! Wie bitte, auch Gold ist gefallen? Aber nur gering, in Euro gerechnet überhaupt nicht. Mit physischen Goldbeständen – dazu zähle ich auch börsennotierte Fonds, die mit Gold unterlegt sind – hätten Investoren in den vergangenen Wochen ihr Vermögen behalten. Vielleicht folgt der Absturz ja noch. Auch Gold wurde verkauft, um Liquidität zu beschaffen. Doch nicht alle Investoren sind auf Pump unterwegs, und nicht jeder kauft in einer Krise US-Staatsanleihen. Edelmetallhändler berichten von Lieferengpässen bei Barren und Münzen. Die Zuflüsse in Gold-ETFs schnellten ebenfalls nach oben, und der Bedarf der Schmuckindustrie hält sich auf hohem Niveau. Die Nachfrage trifft auf eine geringere Minenförderung... ...und steigende Goldverkäufe der Notenbanken. Europas Zentralbanken dürften 2007 ihre Verkaufsquote von 500 Tonnen erneut nicht erfüllen. Sind Notenbanker etwa an einem Anstieg des Krisenindikators Gold interessiert? Kaum. Es fällt schon auf, dass die Notenbankverkäufe oder Berichte über geplante Verkäufe immer in Phasen der Stärke auftauchen. Der Goldpreis hängt auch am Dollar. Fällt der Greenback, profitiert der Goldpreis und umgekehrt. Wenn der Dollar nun dauerhaft zulegt? Kapitalrückflüsse waren vermutlich verantwortlich für die jüngste Stärke des Dollar zum Euro. Das hält den Anstieg des Goldpreises noch auf. Ich sehe aber keine Gründe für eine nachhaltige Dollar-Stärke, schon mit Blick auf eine mögliche Leitzinssenkung in den USA nicht.

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