Historische Wertpapiere Vom Aktienrausch unter Sammlern

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Bauarbeiter in Rio de Janeiro Quelle: Picture-Alliance/DPA

Genau auf diese Zeit setzen große Unternehmen in Brasilien, berichtet Hans-Georg Glasemann, Sachverständiger für historische Wertpapiere aus Diessen am Ammersee. Er hat durch einen Bekannten Einblicke in die dortigen Machenschaften erhalten. Der Trick: Die Unternehmen kaufen ein Papier, etwa eine Auslandsschuldverschreibung von 1908 in Francs und gehen vor Gericht. „Dadurch werden erst einmal sämtliche Steuerzahlungen gestundet“, sagt Glasemann. Die Steuern werden erst fällig, wenn der jahrelange Prozess beendet ist. In der Zwischenzeit würden die Unternehmen für das Steuergeld Zinsen einnehmen, die die Prozesskosten bei weitem übersteigen. Um den Erfolg vor Gericht geht es dabei gar nicht. Das Konzept scheint zu boomen. „Brasilianische Staatsanleihen sind derzeit besonders gefragt“, sagt Matthias Schmitt vom Auktionshaus HWPH. Die dafür gezahlten Beträge seien Fabelpreise und steigen und steigen. Betrug ist die Masche nicht, aber auch nicht gerade die feine Englische Art.

Warnung vor Gefälligkeitsgutachten

Schon vor zwei Jahren begann ein Run auf mexikanische Anleihen. Die dortige Regierung hat längst ein Statement abgegeben, dass sie keine alten Forderungen begleichen wird. Dennoch verkaufte sich jüngst eine Goldanleihe von 1904 für 8000 Euro, berichtet Auktionator Schmitt. Früher lag der Sammlerwert dieses unspektakulären Papiers bei 50 Euro. Kein Einzelfall. Sachverständiger Glasemann kennt einen der Tricks. So stellen Betrüger offenbar bei dem Onlineauktionshaus ebay Papiere für ein Mindestgebot von 5.000 Euro ein. Kaufen diese Papiere selbst und weisen dann potenzielle Betrugsopfer auf diese vermeintlichen hohen, gezahlten Preise hin. Das amerikanische Bureau of Public Debt warnt vor Gefälligkeitsgutachten, die oft hypothetische Annahmen beinhalten. Es gebe auch keine Verpflichtung zur Rückzahlung in Goldbarren, womit Betrüger oft hausieren gehen oder öffentliche Fonds zum Ankauf der Bonds, Investment-Programme oder ähnliches. Die Behörde hat schon Ende der 90er Jahre Betrugsfälle mit Bonds der Chikago, Saginaw und Canada Railroad Company aufgedeckt.

Betrug mit mexikanischen Papieren

Fachmann Glasemann ist sich sicher, „mit 99,99 Prozent-Wahrscheinlichkeit läuft mit mexikanischen Anleihen eine Betrugsgeschichte, alles andere macht keinen Sinn.“ Einen Auslöser für die Spekulation kennt keiner der Experten. „Solange sich das Karussell dreht, ist das ein Schneeballsystem“, sagt Auktionator Schmitt, der freilich auch vom Karussell profitiert. Die betrügerischen Machenschaften haben so stark zu genommen, dass sie auch in Deutschland bereits unter dem englischen Begriff Historical Bond Fraud zusammengefasst werden.

Die wahren und ehrlichen Gewinner sind Sammler, die solche Papiere jahrelang zusammengetragen haben. Ihre Sammlungen verkaufen sie nun mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Ein über 60 Jahre alter, deutscher Sammler aus der Schweiz sieht den Verkauf allerdings gelassen: „Meine Tochter hätte nach meinem Tod sowieso nichts mit den Papieren anfangen können.“

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