Baudarlehen Widerrufsjoker lebt vor Gerichten weiter

Noch haben Verbraucher vereinzelt Chancen, mit Hilfe von Gerichten teure alte Baudarlehensverträge wegen falscher Widerrufsbelehrungen zu kippen. Einen solchen Fall entschied der Bundesgerichtshof am Dienstag.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Um den Widerrufsjoker wird gestritten. Quelle: dpa

Die Bundesregierung ist mit dem Widerrufsjoker durch. Die Gerichte sind es noch nicht. So muss sich demnächst das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe wieder mit einem bereits von ihm entschiedenen Fall befassen, indem Darlehensnehmer einen Immobilienkredit wegen falscher Widerrufsbelehrung nachträglich kündigten. Für die Extraschicht der OLG-Richter sorgte am Dienstag der Bundesgerichtshof (BGH). Er entschied, unter welchen Voraussetzungen der Darlehensgeber, in diesem Fall eine Sparkasse, einen Verbraucher klar und verständlich über den Beginn der Widerrufspflicht informiert (Az.: XI ZR 434/15).

Seit dem 21. Juni können Immobiliendarlehen, die bis zum Jahre 2010 abgeschlossen wurden, nicht mehr wegen fehlerhafter Widerrufsklauseln rückabgewickelt werden. Dafür hat die Bundesregierung per Gesetz gesorgt. Verbraucherschützer warfen der Regierung daraufhin vor, vor der Bankenlobby auf die Knie gegangen zu sein. In der Tat nutzten Tausende Häuslebauer und Wohnungskäufer fehlerhafte Widerrufsbelehrungen um hochverzinsliche alte Darlehensverträge zu kündigen und durch neue, sehr viel niedriger verzinste Darlehen zu ersetzen. Rückabwicklungen und Vergleiche kosteten die Kreditinstitute Millionen.

Im Fall, den der BGH nun entschied, hatten Sparkassenkunden im August 2010 ein zum 30. November 2026 endfälliges Darlehen über 273 000 Euro abgeschlossen. Der effektive Jahreszins betrug 3,78 Prozent. Für ein vergleichbares Darlehen dürften aktuell schätzungsweise halb so hohe Zinsen berechnet werden. Im August 2013 widerriefen die Verbraucher das Darlehen wegen falscher Widerrufserklärung.

Zwar verwendete die Sparkasse eine Widerrufsformulierung, an der weder das OLG noch der BGH etwas auszusetzen haben. Die Widerrufsbelehrung wurde aber durch die Passage ergänzt, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach Paragraph 492 Abs. 2 BGB erhalten hat“. Dieser Paragraph verweist wiederum auf Artikel 247 Paragraphen 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (BGB), der die Angaben in Verbraucherdarlehensverträge aufzählt. Die Sparkasse erläuterte die Vorgaben anhand von Beispielen.


Fehlende Informationen werden Sparkasse zum Verhängnis

Abweichend von Musterformularen bezeichnete sie die Nennung der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde als Pflichtangabe. Doch welche Aufsichtsbehörde für sie zuständig ist, haben die Kunden von der Sparkasse nie erfahren. Denn im Darlehensvertrag der Sparkassen seien keine Angaben zur Aufsichtsbehörde enthalten sind, stellt Andrea Burghard, Rechtsanwältin in der Kanzlei Baum · Reiter & Collegen, fest und ergänzt:. „Die Sparkasse selbst hat damit nicht sämtliche Bedingungen erfüllt, die die Frist zum Laufen bringen.“
Dies wurde der Sparkasse nun zum Verhängnis. Denn mit diesem Versäumnis begründeten die Kläger das Recht auf Widerruf des Darlehensvertrages. Nun haben die OLG-Richter wieder das Wort. Sie müssen noch einmal entscheiden, ob der Widerruf berechtigt ist und somit eine Rückabwicklung verlangt werden kann.

Allerdings dürfte die Zahl der Immobiliendarlehensnehmer, die von dem Urteil profitieren begrenzt sein. „Das BGH-Urteil ist ein Sonderfall, da nicht die Mehrheit der Kreditinstitute die beispielhafte Aufzählung der Pflichtangaben nach 492 Abs.2 BGB verändert haben.“ Die meisten Widerrufsbelehrungen seien – anders als die der beklagten Sparkasse - mit den Beispielangaben der Musterbelehrung erfolgt.

Deshalb werde sich das Urteil auf die noch laufenden anderen Verfahren nicht auswirken. Aus einem anderen Grund mag sich Schwarz nicht so richtig freuen über das Urteil: „Der BGH hat damit die Belehrungen der Sparkassen ab 2011 grundsätzlich für wirksam erklärt.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%