Ein falsches Wort und eine verwirrende Fußnote sparen Hauskäufer Günter Schneider (Name von der Redaktion geändert) mehr als 11.000 Euro. Zinsen in dieser Höhe erlässt ihm die Sparkasse, bei der der Mann aus dem Ruhrgebiet 2006 einen zehnjährigen Immobilienkredit aufgenommen hat. Doch die Bank handelt nicht ganz freiwillig: Um Tausende Euro zu sparen, ist Schneider im Juli mit einem Gutachten seines Anwalts in die Filiale marschiert. Der 60-Jährige verlangte den „Leiter der Immobilienkreditstelle“ und von diesem niedrigere Zinsen. Dann schob er die fünf Seiten Papier über den Tisch. Der Banker bedankte sich freundlich, machte eine Kopie und verabschiedete sich.
Vorerst.
Der Inhalt des Gutachtens hatte es in sich: Die Widerrufsbelehrung des Vertrages sei fehlerhaft, schrieb die Kanzlei SH Rechtsanwälte aus Essen. Zum einen wurde Schneider aufgrund des wenig präzisen Wörtchens „frühestens“ nicht ausreichend über den Beginn der Widerrufsfrist informiert. Zum anderen heiße es in einer Fußnote, dass der Kunde die Frist „im Einzelfall prüfen“ möge. Das sei verwirrend. Fazit: Schneider könne seinen Vertrag auch acht Jahre nach dessen Abschluss noch widerrufen. Er müsse rückabgewickelt werden. Schneider würde den Kredit verzinst zurückzahlen, die Bank ihm seine Raten verzinst erstatten. Richtig gelesen: Die Bank muss herausgeben, was sie mit den Zahlungen des Kunden erwirtschaftet haben könnte.
Ein Albtraum für jedes Geldhaus.
Die Rechte der Kreditnehmer
Banken müssen einer vorzeitigen Kündigung des Darlehens zustimmen, wenn das Haus verkauft wird. Das bestätigte der elfte Senat des Bundesgerichtshofes in einem Urteil. (BGH, Az. XI ZR 267/96).
Knappe Kassen können auch eine vorzeitige Kündigung rechtfertigen. Der BGH urteilte: Sobald der Hausbesitzer eine Nachfinanzierung benötigt, die Hausbank jedoch ablehnt, darf der Kunde raus. Bedingung: Eine andere Bank würde einer solchen Finanzierung zustimmen (BGH, Az. XI ZR 197/96).
Der BGH hat auch Vorgaben für die Berechnung der Vorfälligkeitsgebühr vorgegeben. Die Bank muss von den Kreditzinsen die Zinsen abziehen, die sie bei mit einer sicherer Anlage erzielt hätte, wenn sie das Geld angelegt hätte. Banken müssen diesen fiktiven Vergleichszinssatz auf Basis von Konditionen von Hypothekenpfandbriefen berechnen (BGH Az. XI ZR 27/00).
Die Bank muss bei dieser Berechnung nicht den Pfandbriefindex Pex verwenden, sondern die Statistik der Deutschen Bundesbank (BGH, Az. XI ZR 285/03).
Bei den meisten Darlehen haben Kunden eine Option auf jährliche Sondertilgung. Das müssen Banken bei ihren Berechnungen berücksichtigen (LG Darmstadt, Az. 25 S 43/06). Das gilt auch für während der Laufzeit nicht genutzte Sondertilgungsrechte. (LG Heidelberg Az. 1 O 219/05).
Als Alternative zur Kündigung können Kunden, die ein anderes Haus zu einem ähnlichen Preis kaufen, einen Pfandtausch vollziehen. Dann läuft der alte Kredit für die neue Immobilie weiter. Wenn die Kaufsumme vergleichbar ist, muss die Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung verzichten (BGH, XI ZR 398/02).
Doch das Recht ist auf der Seite der Verbraucher, der Gesetzgeber schützt sie. Kein Unternehmen soll sie überrumpeln können, Kunden dürfen Verträge daher bis zu zwei Wochen nach Abschluss ohne Angabe von Gründen widerrufen. Voraussetzung dafür, dass die Zwei-Wochen-Frist zu laufen beginnt, ist, dass eine Bank den Kunden umfassend und eindeutig über das Recht auf Widerruf belehrt hat. Versäumt sie es oder drückt sich nicht klar genug aus, kann der Kunde seinen Vertrag auch Jahre später noch widerrufen – sogar dann, wenn das Darlehen schon getilgt ist.
Neuer Deal ohne Rückabwicklung
Rund eine Woche nach Schneiders Auftritt in der Filiale kam der Anruf der Sparkasse: Die Bank wollte mit ihm über den Zinssatz seines laufenden Darlehens verhandeln. Heute ist Schneider happy: Die Sparkasse gab ihm einen neuen Vertrag; statt 5,22 muss er bis 2016 nur noch 2,25 Prozent Zins zahlen. Vollständig rückabwickeln wollte er seinen Vertrag nicht. „Für mich ist es bestens gelaufen“, sagt Schneider. Die Bank habe „kein Heckmeck gemacht“, sich kooperativ verhalten. Einzige Kosten: 300 Euro für den Anwalt. Von Schneiders Erfolg träumen Tausende Eigenheimbesitzer.
In der Verbraucherzentrale Hamburg versinkt Christian Schmid-Burgk in Post. Über 20.000 Darlehensnehmer wollten vom Leiter der Abteilung Immobilienfinanzierung in den vergangenen Monaten wissen, ob ihre Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Im Büro stapeln sich die gelben Kisten mit Briefen bis zur Decke, mittlerweile sind es über 120 Kisten.
Um alle Anträge unterzubringen, musste er schon neue Regale anschaffen. Der Keller quillt über. Das Telefon läuft heiß, das E-Mail-Fach ist voll; die Verbraucherzentrale hat drei Studenten eingestellt, die neue Anträge erfassen und die Leute um Geduld bitten. Bis Ende des Jahres ist die persönliche Beratung ausgebucht. Andere Verbraucherzentralen sind nun zu Hilfe geeilt, Hamburg darf Anträge zur Bearbeitung an sie abgeben. „Das ist alles ziemlich verrückt“, sagt Schmid-Burgk.