Berlin ist die Hauptstadt der Baumängel: Der Flughafen Berlin-Brandenburg soll den jüngsten Aussagen von Politikern zufolge erst 2018 fertig werden, nachdem massive Baumängel umfangreiche Nacharbeiten erfordern. Selbst die neuen Bahnhöfe in Berlin haben einen Dachschaden: An Hauptbahnhof, Gesundbrunnen, Südkreuz und Potsdamer Platz stehen die Fahrgäste wegen undichter Dächer im Regen. Hinzu kommen Brandschutzmängel im neuen Einkaufszentrum Mall of Berlin, auch einige Schulen und viele Spielplätze sind aufgrund akuten Sanierungsbedarfs derzeit nicht nutzbar.
Pfusch am Bau gibt es aber nicht nur in den staatlichen Bauprojekten und Geschäftsgebäuden im chronisch klammen Berlin. Vielmehr sind sie bei allen Neubauten ganz alltäglich. Bei 100 vom Bauherrenschutzbund untersuchten Neubauvorhaben gab es in Durchschnitt 18 Mängel auf jeder Baustelle.
„Baumängel sind eher die Regel denn die Ausnahme“, weiß auch Alexander Zehe, auf Baurecht spezialisierter Anwalt in Frankfurt am Main. Mehrheitlich handelt es sich bei den typischen Baumängeln um Kleinigkeiten, die unproblematisch und schnell erledigt sind, wie etwa Ausbesserungen am Putz. „Dramatisch sind für den Bauherrn die gravierenden Baumängel, etwa weil Handwerker ohne ausreichende Kompetenz die Bauarbeiten verrichtet haben“, so Zehe.
Typische Mängel in Neubauten
In 19 Prozent der vom Institut für Bauforschung untersuchten Baumängel gab es ein Problem mit dem Rohbau, der Statik oder der Dachkonstruktion. Damit ist dieser häufiger von Neubaumängel betroffen als jeder andere.
Das Haus in eine dicke Isolierschicht zu packen, ist inzwischen für Neubauten sogar durch die Energie-Einsparverordnung (EnEV) vorgeschrieben. 13 Prozent der Mängel sind hier angesiedelt.
Ebenfalls in 13 Prozent der Fälle gibt es Mängel an Estrichböden oder dem Wandputz bzw. den Trockenbauwänden im Hausinneren.
Bei der Isolierung der Gebäudehülle sowie dem baulichen Brand- und Schallschutz kommt es häufig zu fehlerhafter Ausführung. Zwölf Prozent der Mängel an Neubauten entfallen auf dieses Gewerk.
Auch ohne Wärmedämmung, Abdichtungen und Isolierschichten beziehen sich noch immer neun Prozent der Neubaumängel auf die Bereiche Fassade und Dach.
Jeweils acht Prozent der untersuchten Neubaumängel betreffen Fenster sowie Türen oder die Luftdichte Ebene. Die technischen Anlagen eines Neubaus sind in sieben Prozent der Fälle mangelhaft, vier Prozent betreffen die Bausicherheit.
Nach einer Untersuchung des Instituts für Bauforschung und des Bauherren-Schutzbundes haben 45 Prozent der Baumängel in Neubauten ihre Ursache in einer fehlerhaften Ausführung der Arbeiten durch die Handwerker. In einem Viertel der Fälle liegt der Fehler in der Bauleitung, bei rund 20 Prozent handelt es sich um Planungsfehler. Fehlerhaftes Material ist in nicht einmal sechs Prozent der Fälle die Ursache.
Planungs- und Ausführungsfehler sind häufig auf eine fehlerhafte Bau- und Leistungsbeschreibung zurückzuführen. Gerade mal ein Prozent der Baubeschreibungen entsprechen durchgängig den geforderten Mindeststandards. Mehr als die Hälfte ist zwar im Wesentlichen vollständig, aber die Beschreibungen sind fehlerbehaftet. Bei 42 Prozent der Baubeschreibungen sind die gewünschten und benötigten Leistungen unvollständig oder nicht eindeutig beschreiben. In vier Prozent der Fälle fehlen sogar wesentliche Angaben und die Leistungsbeschreibung ist mangelhaft. Die Fehler betreffen vor allem notwendige Unterlagen und technische Nachweise, den Bereich Planung und Bauleitung, Erdarbeiten sowie die allgemeinen Objektangaben.
Das war zum Beispiel bei der Mall of Berlin der Fall. Subunternehmer hatten Betonwände gegossen, aber Aussparungen und Löcher für Lüftung und Abwasserrohre vergessen. Das nachträgliche Bohren der Löcher und die neuerliche Prüfung durch einen Statiker verzögerten den Bau und sorgten für erhebliche Mehrkosten.
Das Problem inkompetenter Arbeiter auf den Baustellen kennt auch Thorsten Knauf. Der Ingenieur ist Sachverständiger für Bauschadenbeurteilung in Berlin und hat viel zu tun. Miese Tricks oder vorsätzliche Schlamperei will er den Handwerksbetrieben allerdings nicht unterstellen. "Ich beobachte , dass immer mehr Bauunternehmer mit unqualifiziertem Personal und ohne kompetente Bauleitung arbeiten. Viele Baumängel entstehen so durch Unwissenheit."
Dass die Technik in den vergangenen Jahren - zum Beispiel beim Thema Wärmedämmung - weit vorangeschritten ist, macht Bauen zudem komplizierter und fehleranfälliger. Die Firmen, so Knauf, würden dennoch kaum in Fort- und Ausbildung der Handwerker investieren und das Problem so verstärken.
Zudem verleitet der hohe Preis- und Wettbewerbsdruck die Baufirmen dazu, Vorschriften und handwerkliche Qualität zu vernachlässigen. "Einige Baufirmen nutzen das aus, nehmen schlechtere Qualität bei Material und Ausführung in Kauf und hoffen, dass es bis zur Bezahlung nicht auffällt", räumt Knauf ein. "Das ist aber die große Ausnahme."
Jeder zweite pocht auf Mängelbeseitigung
Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Beratungsgesellschaft Porsche Consulting förderte jüngst zu Tage: Im Durchschnitt beanstandet jeder zweite Bauherr die Qualität der Neubauten und fordert Nacharbeiten und Reparaturen. 18 Prozent der Befragten, die alle in den vergangenen fünf Jahren ein neues Haus gebaut oder gekauft haben, geraten deshalb sogar in einen Streit mit dem verantwortlichen Bauunternehmen, der schlimmstenfalls vor Gericht landet.
Hauptkritikpunkt: 43 Prozent der Befragten monierten, die Handwerksbetriebe würden getroffene Absprachen nicht einhalten. Bei etwa ebenso vielen Bauherren verzögerte sich der Baufortschritt, weil sich die beteiligten Handwerker nicht gut aufeinander abgestimmt hatten.
Typische Baumängel in Altbauten
Bis in die 60er und 70er Baujahre hinein finden sich noch unzureichend gegen Feuchtigkeit geschützte Kellerfundamente und Kellerwände. Bei Bauten aus den 20er Jahren finden sich teilweise sogar verrostete Stahlträger in Gewölbekellern. Muss ein Keller trocken gelegt und sogar ringsum ausgeschachtet werden, um ihn gegen Feuchtigkeit abzudichten, kostet das den Hauseigentümer schnell 20.000 Euro und mehr.
Bei Baujahren bis in die 70er Jahre finden sich noch ungedämmte Dachstühle, die die Energiekosten für ein Gebäude deutlich in die Höhe treiben. In den 70er und 80er Jahren gab dann zwar immer mehr gedämmte Dächer, doch oftmals wurde noch Mineralwolle verarbeitet, deren Fasern lungengängig sind und somit schädlich für die Atemwege sind. Ein komplett neues Dach mit Dämmung kostet schnell einen ordentlichen fünfstelligen Betrag. Sollte keine Dämmung vorhanden sein, sind Käufer heute zudem zur nachträglichen Dämmung verpflichtet. Für ein Einfamilienhaus muss der Bauherr mit Ausgaben im fünfstelligen Bereich rechnen. Die zeitweise modernen Flachdächer litten noch bis Ende der 70er Jahre unter oft fehlerhafter Ausführung, so dass früher oder später Wasser eindrang. Sie sollten vor einem Kauf genau geprüft werden, da Wasserschäden am Dach schnell Folgeschäden nach sich ziehen.
Holzfenster können bei sehr guter Pflege 50 Jahre und länger halten, oder schon nach zehn Jahren das Zeitliche segnen. Kunststofffenster halten generell eher 15 bis 25 Jahre. Sollen Fenster komplett erneuert werden, kommen auch hier schnell 20.000 Euro oder mehr zusammen.
Nicht selten finden sich in Altbauten veraltete oder korrodierte Leitungssysteme. So wurden etwa bis in die 60er Jahre noch Stromleitungen ohne Erdungskabel verlegt, die heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr genügen. In noch älteren Gebäuden drohen auch undichte Gasleitungen oder alte Wasserleitungen aus Blei. Generell spricht man bei Wasserleitungen von einer Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren, nur Kupferleitungen halten noch zehn Jahre länger. Gleiches gilt für Leitungen für das Heizwasser. Die Kosten lassen sich pauschal kaum veranschlagen, aber der Installations- und Zeitaufwand ist hoch – insbesondere wenn viele Wände und Böden dafür aufgestemmt werden müssen. In einem Modellvergleich der Sanierung eines Altbaus durch den Verband privater Bauherren e.V. schlug die Erneuerung der Elektroleitungen in einem 60er-Jahre Einfamilienhaus mit einem niedrigen fünfstelligen Preis zu Buche. Für die Erneuerung der Sanitärleitungen muss mit einem Betrag in ähnlicher Größenordnung gerechnet werden.
Im Durchschnitt ist ein Heizkessel nach 20 bis 30 Jahren am Ende seiner Lebensdauer angelangt. Zudem ist die Technik oft veraltet, der Energiebedarf entsprechend hoch. Neueigentümer sind zudem unter bestimmten Bedingungen gesetzlich gezwungen ihre Heizungsanlage zu erneuern. Eine Umrüstung auf eine sparsamere Brennwertheizung ist mit rund 10.000 Euro zu veranschlagen. Soll es eine moderne Pellet-Heizung sein, kommen schnell noch ein paar tausend Euro hinzu. Müssen zudem Leitungen und Heizkörper erneuert werden, wird es nochmals deutlich teurer, da auch hier der Installationsaufwand vergleichsweise hoch ist.
Ab den 50er Jahren hielt die Bauchemie Einzug in den Hausbau. Leider wurden bis in die 80er Jahre noch Materialien verwendet, die heute als stark gesundheitsgefährdend gelten. So wurde bis in die 70er Jahre noch Asbest verbaut, etwa in Form von Asbestzementplatten. Die krebserregenden Stoffe zu ersetzen und zu entsorgen ist aufwändig und teuer, zudem ist während der Baumaßnahmen das Gebäude oftmals nicht bewohnbar. Auch finden sich etwa teerhaltige Parkettkleber, giftige Holzschutzmittel oder Formaldehyd in Holzbauteilen. Hier ist Vorsicht geboten.
Ist die Fassade sanierungsbedürftig, muss laut Energieeinsparverordnung auch gleich eine Wärmedämmung aufgebracht werden – denn werden Bauteile verändert, müssen sie auch energetisch verbessert werden. Bei einem Einfamilienhaus entstehen so für die Fassade schnell Kosten von 25.000 Euro und mehr.
Beim Hausbau sind in der Regel viele verschiedene Handwerksbetriebe involviert, vom Maurer über Dachdecker, Fensterbauer, Installateure, Elektriker bis hin zum Fliesenleger oder Maler. Für den gesamten Bau und die zugehörige Baubeschreibung interessieren sich die einzelnen Handwerker eher selten. Sie konzentrieren sich auf ihr „Bauwerk“ laut Werkvertrag.
Fehler können jedoch nicht nur die Bauzeit unnötig verlängern und die Baukosten erhöhen. Auch schwerwiegende Baumängel mit erheblichen Folgeschäden können daraus resultieren. Ist zum Beispiel eine Dachisolierung nicht fachkundig angebracht, können Nässe und Schimmelbefall das gesamte Gebäude in Mitleidenschaft ziehen und sogar unbewohnbar machen.