Bausparverträge So widersprechen Sie Kündigungen richtig

Bausparkassen dürfen nicht automatisch kündigen, wenn Kunden über zehn Jahre ein Darlehen ablehnen. Der Grund: Sogenannte Bonusverträge sind ausgenommen, sagen Verbraucherschützer. Per Musterbrief kann man widersprechen.

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Die Deutschen galten lange als Volk der Bausparer. Quelle: dpa

Düsseldorf Am 21. Februar entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Bausparkassen ihren Kunden kündigen dürfen, wenn die zehn Jahre lang ein ihnen zustehendes Darlehen ablehnen (AZ: XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16). Ausschlaggebend war Paragraph 489 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der so ausgelegt wurde, dass das Guthaben des Bausparers einem Darlehen an die Kasse entspricht. Und Darlehensverträge dürfen laut BGB nach zehn Jahren gekündigt werden.

Nach dem 21. Februar glaubten viele Bausparer, nun sei Schluss mit den hohen Zinsen auf ihre Bausparguthaben. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die in den beiden Verfahren Kunden der Bausparkasse Wüstenrot vertreten hatte, zeigte sich enttäuscht. Die Verbraucherschützer haben jedoch gehofft, in der Urteilsbegründung Ausnahmen zu finden, die eine Widerspruch zumindest bei gewissen Kündigungen ermöglichen. Wie es aussieht, wird ihre Hoffnung erfüllt.

Nach Interpretation der Verbraucherschützer um Finanzexperte Niels Nauhauser nämlich sind Kündigungen bei sogenannten Zinsbonus-Verträgen rechtswidrig. Das gleiche gilt für einen weiteren Kündigungstrick, mit dem die Aachener Bausparkasse Kunden mit Altverträgen loswerden will. Die Aachener kündigt ihren Kunden häufig sogar noch vor Ablauf der vom BGH festgesetzten Frist von zehn Jahren ab Zuteilungsreife des Bauspardarlehens. Sie beruft sich dabei auf die Paragrafen 313 („Störung der Geschäftsgrundlage“) und 314 („Kündigung von Dauerschuldverhältnissen“) in Verbindung mit Paragraf 490 BGB, der das „Außerordentliche Kündigungsrecht“ regelt.

Auch das sei nicht zulässig, sagt Nauhauser nach Prüfung der Urteilsbegründung des BGH. „Vermutlich sind in tausenden Fällen die Kündigungen rechtswidrig“, schätzt er. Um leichter widersprechen zu können, stellt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Betroffenen Musterbriefe im Netz zur Verfügung.

Bausparen läuft gewöhnlich in zwei Phasen ab: Wenn der Bausparer ein Darlehen haben möchte, muss er ein im Vertrag festgelegtes Mindestsparguthaben erreichen, das typischerweise bei 40 bis 50 Prozent der Bausparsumme liegt. Außerdem muss er eine Mindestbewertungszahl erreichen, die vorher nicht exakt definiert ist. Üblicherweise sind die Verträge so angelegt, dass diese Bewertungsziffer etwa nach sieben Jahren erreicht wird, wenn der Kunde den im Vertrag genannten monatlichen Regelsparbeitrag pünktlich überweist. Sind beide Bedingungen erreicht, ist der Vertrag in der Fachsprache „zuteilungsreif“.

Zahlt der Bausparer höhere Beträge als vorgesehen, erreicht er sowohl das Mindestsparguthaben als auch die zur Auszahlung des Darlehens nötige Bewertungsziffer früher als angenommen. Wie hoch die Bewertungsziffer sein muss, damit das Darlehens ausgezahlt wird, hängt allerdings nicht nur von den Einzahlungen eines Kunden, sondern vom Mittelzufluss aus der gesamten Bausparer-Gemeinschaft ab. Mit Guthaben finanziert die Kasse Darlehen an andere, die früher mit dem Bausparen begonnen haben.


Niedrige Zinsen hebeln Bausparsystem aus

Dieses System funktionierte über viele Jahre reibungslos. Es wurde aber durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) durcheinander gebracht. Wer vor einigen Jahren einen Bausparvertrag abschloss, um heute ein günstiges Darlehen zu bekommen, verzichtet möglichst auf das Darlehen von der Kasse. Denn er bekommt Baugeld von der Bank viel billiger. Und wer weder das Darlehen benötigt, noch das angesparte Guthaben, kassiert die hohen Zinsen auf sein Bausparguthaben so lang wie möglich. Altverträge bringen selbst ohne Bonusverzinsung vielfach um die drei Prozent Zinsen – was sehr viel ist, verglichen mit den aktuellen Niedrigzinsen nahe null für Sparanlagen.

Die meisten Bonusverträge sind noch attraktiver, weil sie einschließlich Zinsbonus sogar mehr als vier Prozent Zinsen bringen. Unabhängig von unterschiedlichen Tarifen und komplizierten Vertragsklauseln funktionieren alle Zinsbonusmodelle nach dem gleichen Muster: Der Kunde bekommt einen Basiszins auf sein Erspartes. Verzichtet er auf das Darlehen, bekommt er rückwirkend noch einen Zinsbonus auf das gesamte Guthaben.

Für die Bausparkassen sind die hochverzinsten Altverträge zum Problem geworden, weil die Zinsmarge negativ geworden ist. (Die Zinsmarge ist die Differenz zwischen den Guthaben- und den Darlehnszinsen.) Allerdings – es waren die Bausparkassen selbst, die für die Bonusverträge so warben, als stehe nicht das Darlehen, sondern das Sparen im Vordergrund. So warben etwa Landesbausparkassen mit Slogans wie diesem: „Langfristig sparen? Mit hoher Rendite? Mit dem Vario 3 sind Sie dabei.“

Ob es um Bonusverträge oder um Kündigungen wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ geht, die Musterbriefe beginnen immer mit den Worten „Hiermit widerspreche ich Ihrer Kündigung …“ Bausparer müssen in die Musterschreiben nur Bausparnummer, Bausparguthaben und Bausparsumme eintragen. Beide Schreiben enthalten Formulierungen, die die Kasse dazu auffordern, den Vertrag wie abgeschlossen fortzusetzen , sofern er noch nicht abgerechnet wurde. Wurde Kunden das Guthaben bereits ausgezahlt, verlangt der Kunde mit dem Brief, den Vertrag rückwirkend fortzusetzen und die Zinsen nachträglich gutzuschreiben. In diesem Fall muss er allerdings das ausgezahlte Guthaben an die Kasse zurücküberweisen.


Kunden im Tarifdschungel

In den Musterschreiben sind auch die Passagen aus der Urteilsbegründung genannt, die die Fortsetzung des Vertrags rechtfertigen. So heißt es zu den Kündigungen nach Paragraph 489 BGB, dass der Vertragszweck laut BGH „erst mit der Erlangung des Bonus erreicht ist, sodass auch erst zu diesem Zeitpunkt ein vollständiger Empfang des Darlehens (...) anzunehmen ist“.

Hinter der für Nichtjuristen kaum verständlichen Formulierung versteckt sich die Frage, wann der Bonus aus Sicht der obersten Richter erlangt ist. Mit Erreichen der Zuteilungsreife – oder später? Und, welche Nebenbedingungen müssen erfüllt sein, damit der Bonus erlangt ist? Die Antworten hängen von unterschiedlichen Bonus-Tarifen und Vertragsklauseln ab. Die Verträge unterscheiden sich nicht nur von Kasse zu Kasse: Oft hatten Anbieter auch mehrere unterschiedliche Bonus-Tarife parallel im Angebot.

In den Musterschreiben, in denen Kündigungen nach den Paragrafen 313 und 314 in Verbindung mit Paragraf 490 BGB widersprochen wird, verweisen die Verbraucherschützer zudem darauf, dass laut BGH eine Kündigung nach Paragraph 314 BGB unzulässig ist. Um nach Paragraph 313 BGB kündigen zu dürfen, müsste die Kasse darlegen, warum es für sie unmöglich oder unzumutbar ist, den Vertrag fortzusetzen.

Ein weiterer Musterbrief betrifft nicht das aktuelle BGH-Urteil, sondern einen Sonderfall und richtet sich an Kunden der Nürnberger Kasse BSQ Bauspar. Die hatte Bausparer vor die Wahl gestellt, ihren Vertrag mit geringeren Zinsen weiterzuführen oder sich das Guthaben einschließlich Bonus auszahlen zu lassen. Sie berief sich dabei auf eine Vertragsklausel, nach der sie die maximale Laufzeit eines Bonus-Vertrages aus „bauspartechnischen Gründen“ begrenzen darf.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte dagegen geklagt und vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth recht bekommen (Az.: 7 O1987 16). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die BSQ Bauspar hat über mögliche Rechtsmittel noch nicht entschieden. Doch die Verbraucherschützer gehen davon aus, dass die Nürnberger auf Rechtsmittel verzichten werden.

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