Dämmung Wie sinnvoll ist Wärmedämmung mit Stroh?

Styropor ist als billiger, effektiver Dämmstoff weit verbreitet, gerät jedoch zunehmend in Verruf. Alternative Materialien wie Stroh rücken bei der Wärmedämmung in den Fokus. Ist das wirtschaftlich und ökologisch?

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Dämmen mit Stroh Quelle: dpa

Inzwischen wird nur noch ein Prozent der Bestandsgebäude in Deutschland saniert, gerade einmal halb so viele wie noch vor einigen Jahren. Bei der Wärmedämmung von Wohngebäuden sind die Deutschen in den Augen von Regierung, Umweltverbänden, Handwerk und Dämmstoffindustrie zu Unrecht immer zurückhaltender geworden. Damit verstreicht nach ihrer Ansicht die Chance für die energetische Gebäudesanierung immer öfter ungenutzt.

Die Skepsis der Hausbesitzer beim Thema Wärmedämmung hat jedoch durchaus ihre Berechtigung. Dämmstoffkritiker haben in den vergangenen Jahren zunehmend Gehör gefunden. Die häufigsten Kritikpunkte am Dämmwahn früherer Jahre: zu teuer, von fragwürdiger Effizienz, zu wenig ökologisch oder sogar zu gefährlich. Insbesondere Berichte über die Brandgefahren von Hartschaumplatten aus Polystyrol (gemeinhin Styropor genannt) sorgten für großen Widerhall.

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von Andreas Toller

Bei der Wärmeisolierung von Häusern und Wohnungen zählt Styropor zu den meist genutzten Materialien, weil es im Vergleich zu anderen Baustoffen geradezu unschlagbare Vorteile bietet. Es bringt eine starke Dämmleistung, ist sehr preiswert, verbraucht wenig Platz, ist unempfindlich gegen Feuchtigkeit und Verrottung und einfach in der Verarbeitung.

Aber Polystyrol ist alles andere als ein umweltfreundlicher Dämmstoff. Die Herstellung ist energieintensiv und erfolgt auf Basis von Erdöl.

Wachsendes Interesse an ökologischen Dämmstoffen

Viele Bauherren und Gebäudesanierer sind daher auf der Suche nach Alternativen. Die gibt es seit Langem auf Basis von Zellulose, Schafwolle, Hanf oder Flachs und eben auch Stroh. Die nachwachsenden Rohstoffe warten im Gegensatz zu Hartschäumen und Mineral- oder Steinwolle mit einer deutlich besseren Öko-Bilanz auf.

Der Schweriner Architekt Ulrich Bunnemann setzt Stroh als Dämmmaterial ein. Dazu wird das Stroh in quaderförmige Ballen gepresst. Das erste, zweigeschossige Wohngebäude auf dem Gelände der alten Brauerei am Rand von Schwerins Innenstadt ist bereits bezogen. Für das zweite wurde gerade Richtfest gefeiert.

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Die Ballen können nicht nur bei den neu errichteten, in Ständerbauweise angelegten Wohnhäusern, sondern auch beim Umbau alter Gebäude eingesetzt werden. Stroh punktet dabei gegenüber anderen umweltfreundlichen Dämmmaterialien: Es ist vergleichsweise preiswert und in großen Mengen verfügbar – abhängig vom regionalen Angebot.

„Außerdem sind die Dämmwerte kaum schlechter als bei Materialien, die mit großem Energieaufwand aus Erdöl oder Mineralien hergestellt werden“, betont Bunnemann. Sein Stroh-Lieferant sei ein Bauer aus der Nähe Schwerins.

Stroh als Dämmstoff genehmigt

Voraussetzung für ihre Nutzung ist jedoch die Zulassung der Behörden für den Einsatz am und im Haus. Die Verwendung von Stroh im Wandaufbau ist zwar schon sein Jahrhunderten bekannt und insbesondere in Fachwerkhäusern üblich. Auch die wärmedämmende Wirkung ist längst bekannt.

Aber als moderner ökologischer Baustoff zur Isolierung von Häusern fristet es wie auch Schilf bislang ein Exotendasein. Mit der Einordnung in eine zulässige Brennbarkeitsklasse und hinsichtlich der Bauvorschriften hat Stroh inzwischen wichtige Hürden genommen.

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Lehm- oder Kalkputz könne nun direkt auf die Ballen aufgebracht werden, ohne dass aufwendige Einzelfallgenehmigungen nötig seien. Das mache den ohnehin preisgünstigen Dämmstoff noch wirtschaftlicher, heißt es etwa bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe in Gülzow bei Güstrow, die seit Jahren den Einsatz natürlicher Produkte in der Bauwirtschaft fördert. Ihr zufolge hat die Zulassungsstelle für Bauprodukte und Bauarten die Anwendungsbereiche für Stroh erweitert. Vorgefertigte Wandelemente aus Holzrahmen mit einer verputzten Strohausfachung würden so auch für gewerbliche Bauvorhaben interessant.

Die Wärmeleitfähigkeit der Strohballen hängt von der Art des Strohs und der Pressung ab, kann es aber durchaus mit anderen nachhaltigen Dämmstoffen aufnehmen. Mit 35 Zentimeter dicken Strohballen soll sogar der Passivhausstandard erreichbar sein.

Die ökologischen Vorzüge von Stroh als Baumaterial sind zudem amtlich bestätigt. Mitte Oktober wurde in Brüssel die Umweltproduktdeklaration für den Wärmedämmstoff Baustroh von der europäischen ECO-Plattform übergeben. „Baustroh weist den niedrigsten Herstellungsenergiebedarf aller zugelassenen Wärmedämmstoffe bei gleichzeitig sehr hoher CO2-Speicherfähigkeit auf“, erläutert der Architekt Dirk Scharmer.

Wer ein Gebäude in Holzbauweise errichte und mit Stroh dämme, erspare der Atmosphäre 60 Tonnen klimaschädliche CO2-Emissionen. „Dies entspricht umgerechnet 400.000 Kilometern Autofahren“, rechnet Scharmer vor. Von dem Zertifikat erhofft er sich weitere Impulse für den Einsatz von Stroh und eine Ausweitung der Anwendungsgebiete.

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe registriert schon seit einiger Zeit wachsendes Interesse an Alternativen zum weit verbreiteten Kunst-Dämmstoff Styropor. „Das Bewusstsein für Ressourcen- und Klimaschutz wächst. Deshalb nehmen Bauherren auch den überschaubaren Mehrpreis für Stroh oder Zellulose in Kauf. Bei sachgerechtem Einbau sind beide vollwertige Dämmstoffe“, betont Bauberater Andreas Brückner.

Sachgerecht bedeutet im Fall von Strohdämmung vor allem Schutz vor Feuchtigkeit und Brandgefahren durch eine Schutzschicht aus Putz – wobei eindringende Feuchtigkeit das größere Problem darstellt, da gepresste Strohballen eher schlecht brennen.

Für Bunnemann sind die Einsatzgebiete der Strohdämmung längst nicht ausgereizt. „Üblich ist bisher die Ausfachung tragender Holzrahmen mit Strohballen. Das ist platzsparend und effektiv. Doch auch bei der nachträglichen Dämmung von mehrgeschossigen Häusern kann Stroh zum Einsatz kommen“, ist Bunnemann überzeugt.

Ob sich die Wärmedämmung jedoch unter wirtschaftlichen Aspekten tatsächlich lohnt, hängt davon ab, welche Energieersparnis erzielt werden kann. Zumindest für die Fassadendämmung lässt sich allgemein sagen, dass sich die energetische Sanierung nur dann innerhalb einer annehmbaren Zeit amortisiert, wenn die Fassade ohnehin saniert werden muss.

Das sehen inzwischen auch die halbstaatliche deutsche Energieagentur dena und die Bundesregierung so.

Mit Material von dpa

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