Spätestens seit die Deutsche Bundesbank im Februar warnte, der Immobilienmarkt sei in manchen Regionen Deutschlands überhitzt und die Preise für Häuser uns Wohnungen jenseits aller Vernunft, sind Hauskäufer verängstigt. Sollte die Immobilienblase platzen, würden Häuser und Wohnungen massiv an Wert verlieren. Auch Banken könnten nervös werden, wenn ihre mit Immobilien besicherten Kredite plötzlich wackeln. Doch immer wieder haben Marktexperten Entwarnung gegeben: Nein, es gebe keine Immobilienblase, die Preise wären noch nicht überzogen.
Seit 2010 steigen die Preise für Eigentumswohnungen, Neubauten und Bestandshäuser jedoch mehr oder weniger stetig, mancherorts sogar mit zweistelligen Prozentraten pro Jahr. Vor allem Eigentumswohnungen und Neubauhäuser erleben seitdem einen Nachfrageboom, der die Preise in geradezu aberwitzige Höhen treibt.
Die Bundesbank monierte in ihrem Monatsbericht: „In den Großstädten weichen die Preise für Wohnimmobilien im Durchschnitt vermutlich um 25 Prozent nach oben ab.“ Eine Institution wie die Bundesbank sagt so etwas nicht leichtfertig.
Doch jetzt mehren sich die Indizien dafür, dass die Zeit der Übertreibungen vorbei ist. Denn in einigen Städten und bestimmten Segmenten des Marktes sind die Preise zuletzt deutlich langsamer gestiegen und teilweise sogar gefallen.
Sind das schon Vorboten für das Ende des Immobilienbooms? Platzt doch noch eine Immobilienblase? Droht sogar eine Trendumkehr zu fallenden Preisen bei Häusern, Wohnungen und Mieten?
Maximum in München erreicht
Vor allem in den sieben Großstädten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf sind die Preise 2013 laut Bundesbank um neun Prozent gestiegen. Seit 2010 in Deutschland der Immobilienboom losbrach, haben sich städtische Wohnimmobilien im Durchschnitt um fast ein Fünftel verteuert. Nahezu alles, was in den guten Lagen auf dem Markt kam, wurde gekauft. Allein im vorigen Jahre stiegen die Preise für Hauskäufer im Durchschnitt um 6,25 Prozent – überall, nicht nur in den Top-Wohnlagen.
Dass es regional enorme Unterschiede gibt, versteht sich von selbst. Die Zeit der Übertreibungen scheint jedoch vorbei zu sein. Käufer in den besten Lagen der begehrten Großstädte sind nicht mehr bereit, jeden Preis zu zahlen.
„Exklusive Neubauten wie die Villa auf Sylt oder das Haus am Starnberger See werden immer ihren Preis haben“, relativiert der Chefanalyst Michael Kiefer vom Immobilienportal Immoscout24. „Aber ganz allgemein ist im obersten Preissegment die Preisobergrenze offenbar inzwischen erreicht.“
Kiefer wertet regelmäßig den Datenbestand des größten deutschen Immobilienvermittlers im Internet aus. Allerdings gebe es regional große Unterschiede. In München und Hamburg sehe es nach Stagnation aus, in Frankfurt hingegen nicht.
Preisanstieg für Eigentumswohnungen verliert an Dynamik
Kaufpreisentwicklung für Eigentumswohnungen im ersten Halbjahr 2014 gegenüber dem 1. Halbjahr 2013 (Vorjahresvergleich)
München
+9,3 Prozent auf 5.280 Euro pro Quadratmeter gegenüber Vorjahr
Im 1. Halbjahr: +2,9 Prozent
Quelle: JLL
+7,9 Prozent auf 3570 Euro pro Quadratmeter gegenüber Vorjahr
+11,7 Prozent auf 3540 Euro pro Quadratmeter gegenüber Vorjahr
Im 1. Halbjahr: +5,4 Prozent
+18,5 Prozent auf 2970 Euro pro Quadratmeter gegenüber Vorjahr
Im 1. Halbjahr: unbekannt
+10,5 Prozent auf 2850 Euro pro Quadratmeter gegenüber Vorjahr
Im 1. Halbjahr: +1,4 Prozent
+13 Prozent auf 2770 Euro pro Quadratmeter gegenüber Vorjahr
Im 1. Halbjahr: +7,8 Prozent
+15,6 Prozent auf 2680 Euro pro Quadratmeter gegenüber Vorjahr
Im 1. Halbjahr: +8,5 Prozent
-9,6 Prozent auf 1270 Euro pro Quadratmeter gegenüber Vorjahr
Auch vom „Handelsblatt“ befragte Makler und Projektentwickler sprechen davon, dass die Nachfrage nach hochpreisigen Wohnungen spürbar nachgelassen habe. Neugebaute Penthouse-Wohnungen für 750.000 Euro und mehr – etwa in besten Lagen Düsseldorfs – fänden derzeit keinen Abnehmer.
Noch vor ein paar Jahren wären die Luxus-Apartments sofort weg gewesen. Da in diesem Preissegment in den vergangenen Jahren viele Neubauprojekte angeschoben wurden, befürchten einige Marktbeobachter bereits ein drohendes Überangebot bei Objekten mit Quadratmeterpreisen oberhalb von 5000 Euro.
Schon wegen der gestiegenen Grundstückspreise und Baukosten seien Neubau-Eigentumswohnungen vielerorts in diese Preisregion gestiegen. „Auf unserer Plattform stellen wir fest, dass die sehr teuren Objekte deutlich länger auf den Markt bleiben und nicht mehr so schnell verkauft werden wie noch vor zwei oder drei Jahren“, bestätigt Immobilienmarktanalyst Kiefer.
Auswüchse gestoppt
Die Zeit der Auswüchse am Immobilienmarkt geht damit zu Ende. Vielmehr ist nun eine Phase eingetreten, in der sich der Markt beruhigt und Übertreibungen von alleine reguliert – allerdings auf hohem Niveau und bei immer noch hoher Nachfrage. Noch immer gibt es Regionen, in denen sich der Hauskauf lohnt.
Eine Trendumkehr hin zu fallenden Kaufpreisen ist das jedenfalls noch nicht. „Eine Sättigung des Marktes für Luxusimmobilien kann ich nicht erkennen. Bei der hohen Nachfrage und einem wohlhabenden Mittelstand, der immer noch Immobilien nachfragt, kann von Sättigung keine Rede sein“, lautet Kiefers Einschätzung. Solange die Zinsen niedrig und das Angebot an Immobilien gering sind, wird das Preisniveau insgesamt hoch bleiben.
Kiefer glaubt nach wie vor nicht, dass sich am Immobilienmarkt eine Blase gebildet hat. „Die Leute sind klug genug, nicht jeden Preis zu bezahlen und die Banken sind nicht bereit, bei jeder Form der Finanzierung mitzuspielen und betrachten die Beleihungen trotz der niedrigen Zinsen sehr kritisch“, gibt Kiefer Entwarnung. „Wir sehen, dass der Markt eigentlich gut funktioniert.“ Dort, wo es Überhitzungen gebe, ginge es jetzt nicht mehr weiter nach oben oder stagniere sogar in oberen Preissegmenten.
Franz Eilers, Leiter der Immobilienmarktforschung vdp Research, rechnet zwar mit weiter steigenden Preisen bei Wohnimmobilien in den kommenden Jahren. Allerdings erwartet er weniger dynamische Preissteigerungen. „Noch ist die allgemeine Entwicklung etwas widersprüchlich, dennoch erwarten wir eine Beruhigung des Immobilienmarktes in den nächsten Jahren“, so Eilers.
Mietpreisanstieg schwächt sich ab
Die Entwicklung der Mieten in acht Großstädten im ersten Halbjahr 2014 im Vergleich zum 1. Halbjahr 2013 (Vorjahresvergleich).
München
+ 3,7 Prozent auf 15 Euro pro Quadratmeter pro Monat
(Vorjahreswert: +9,7 Prozent)
Quelle: JLL
7,7 Prozent auf 8,65 Euro pro Quadratmeter pro Monat
(Vorjahreswert: +8,2 Prozent)
- 0,6 Prozent auf 10,65 Euro pro Quadratmeter pro Monat
(Vorjahreswert: +1,8 Prozent)
+ 4,0 Prozent auf 11 Euro pro Quadratmeter pro Monat
(Vorjahreswert: +7,4 Prozent)
+ 1,3 Prozent auf 12,05 Euro pro Quadratmeter pro Monat
(Vorjahreswert: +5,4 Prozent)
+ 0,8 Prozent auf 15 Euro pro Quadratmeter pro Monat
(Vorjahreswert: unbekannt)
+ 2,3 Prozent auf 9,50 Euro pro Quadratmeter pro Monat
(Vorjahreswert: +1,6 Prozent)
+ 3,2 Prozent auf 15 Euro pro Quadratmeter pro Monat im ersten Halbjahr 2014
Mieten steigen langsamer
Das zeigt sich auch bei den Mieten, die insgesamt seit Ausbruch des Immobilienbooms weniger stark gestiegen sind als die Kaufpreise. Der Mietmarkt zeigt sich deutlich preisunelastischer als der Markt für Kaufimmobilien.
Mieter sind meist weniger finanzstark und können steigende Mieten nicht durch niedrige Bauzinsen ausgleichen. Das macht den Mietmarkt weniger anfällig für Schwankungen als den Kaufmarkt. Nur in den Ballungsgebieten sind die Menschen immer noch bereit, etwas mehr zu zahlen, wenn sie eine Wohnung bekommen – allerdings nur im Rahmen des Möglichen.
Das bestätigt auch eine Analyse des Immobilienberaters JLL. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Wohnungsmieten in deutschen Großstädten im ersten Halbjahr 2014 langsamer gestiegen sind und mancherorts sogar stagnieren.
„In vielen Top-Städten scheint der Mietpreiszyklus vorübergehend seinen Höhepunkt überschritten zu haben. Mit Mietrückgängen auf breiter Front ist aber nicht zu rechnen. Ein stärkeres Mietpreiswachstum melden mittlerweile Sekundärstandorte wie Kassel oder Ingolstadt“, sagt Andrew M. Groom, bei JLL Head of Valuation & Transaction Advisory Germany.
Demnach stiegen die Mieten in Berlin im Vergleich zum Vorjahr mit einem Plus von acht Prozent am stärksten. München und Stuttgart liegen mit knapp vier Prozent plus im Mittelfeld, Köln und Frankfurt kommen lediglich auf eine Steigerung von einem Prozent.
Überraschend: In Hamburg stellten die JLL-Analysten sogar einen Mietpreisrückgang um 0,6 Prozent fest. Die Mieten im teuersten deutschen Wohnungsmarkt München stagnierten im ersten Halbjahr sogar. Das hat es seit 2010 in keinem Halbjahresvergleich gegeben.
Mietpreisbremse vorweg genommen
Massive Mieterhöhungen werden immer mehr zur Ausnahme. Auch die Politik und die Proteste in der Bevölkerung haben zu dieser Entwicklung beigetragen. „Wir haben festgestellt, dass die Diskussion um eine Mietpreisbremse dazu geführt hat, dass Vermieter schon im Vorfeld mit ihren Preisen hochgegangen sind“, sagt Michael Kiefer. Insgesamt erwartet er, dass die Mieten auch weiterhin stabil um zwei bis drei Prozent pro Jahr steigen.
Für Investoren, die ihre Wohnimmobilien vermieten wollen, sind die Preise in den besten Lagen der Metropolen längst unattraktiv. Angesichts der hohen Kaufkosten ist es dort für sie zunehmend schwer, eine ausreichende Mietrendite zu erzielen. Tatsächlich haben vor allem B-Städte und mittlere Lagen zuletzt die höchsten Preissteigerungen erfahren – vor allem, weil sich Investoren dorthin orientieren.
Kaufen nicht um jeden Preis
Private Käufer sind ebenfalls immer weniger bereit, noch mehr für eine Immobilie zu bezahlen. Ihr Problem: Die Auswahl ist zu knapp. „Wir befinden uns noch immer in einem Verkäufermarkt, die Nachfrage nach Immobilien ist weiterhin deutlich höher als das Angebot“, schätzt Kiefer. „Zwar ist die Nachfrage nicht mehr weiter gestiegen, aber zurückgegangen ist sie auch nicht.“
Auch Neubauten und die Umwidmung von Gewerbe- zu Wohnimmobilien ändern daran bislang nichts. „Die Zunahme der Neubautätigkeit in den vergangenen Jahres ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist immer noch zu wenig, vor allem gemessen daran, was in den stark nachgefragten Regionen eigentlich nötig wäre. Die Neubauten ändern an der Situation nichts“, relativiert Kiefer von Immobilienscout24.
Dennoch glaubt Immobilienmarktforscher Eilers an eine Beruhigung der Märkte. „Die Baugenehmigungen nehmen zu, vor allem in den Ballungsgebieten. Die Frage ist daher weniger ob, sondern wann sich der Markt beruhigt. Mit fallenden Preise ist allerdings nicht zu rechnen, sondern lediglich mit einer Stabilisierung“, erklärt Eilers.
Zu wenig neuer Wohnraum
Schließlich reicht die Zahl der Neubauten bei weitem nicht aus, um die überschüssige Nachfrage zu befriedigen. Laut Statistik des Bundes sind im vergangenen Jahr 214.000 neue Wohnungen im Bundesgebiet fertiggestellt worden, davon 188.000 durch Neubauten. Genehmigt wurden sogar 272.000 neue Wohnungen. In der Rückschau ist dennoch wenig.
Zum Vergleich: Im letzten Immobilienboom vor der Finanzkrise sind bis zu 600.000 neue Wohnungen pro Jahr entstanden. Hauseigentümerverbände fordern daher seit langem eine Ausnahme von der Mietpreisbremse für Neubauten und eine vermehrte Ausweisung von Bauland für Neubauprojekte.
Subventionen für Bauvorhaben sind jedenfalls der falsche Weg. Angesichts der niedrigen Zinsen für Immobilienkredite sind auch für Bauherren die Bedingungen so günstig, dass die gestiegenen Preise für Grundstücke und höhere Baukosten dadurch überkompensiert werden.
„Ich glaube, dass sich die Zinssenkung der Europäischen Zentralbank mittlerweile nicht mehr auf den Immobilienmarkt auswirkt“, schätzt Kiefer. „Die Banken werden das in dem Umfang nicht mehr an die Kunden weitergehen. Die Bauzinsen gehen höchstens noch im Promillebereich runter. Das genügt nicht, um den Boom zusätzlich zu befeuern. Auf die Immobilienpreise, die Käufer zu zahlen bereit sind, hat das keinen Einfluss.“ Am Geld scheitern die Neubauvorhaben jedenfalls nicht.
Weniger Besitzerwechsel
Gegen eine Beruhigung des Immobilienmarktes spricht laut Eilers allerdings, dass der Handel mit Immobilien rückläufig sei. „Die Zahl der Transaktionen ist den vergangenen zwei bis drei Jahren gesunken. Eigentümer halten sich mit dem Verkauf ihrer Immobilien zurück, das Angebot ist gesunken. Zusammen mit der weiter steigenden Nachfrage verursacht das weiter steigende Preise“, begründet Eilers den widersprüchlichen Markt.
Angesichts der weiter steigenden Preise wäre es auch ökonomischer Unsinn, jetzt seine Immobilie zu verkaufen, wenn nicht gerade dringend Geld benötigt wird. Schließlich bleibt die Immobilie in Zeiten der Niedrigzinsen, spärlicher Anlagealternativen und fortdauernder Risiken von Währungs- und Finanzkrisen ein sinnvoller und vergleichsweise sicherer Vermögenswert, der derzeit noch solide im Wert steigt.
Die Gefahr von raschen Wertverlusten ist jedenfalls gering. „Ich rechne damit, dass der Immobilienmarkt jetzt allmählich in eine Seitwärtsbewegung übergeht. Pro Jahr kann es schon noch ein bis zwei Prozent nach oben gehen. Aber die Zeit der großen Preissprünge ist in jedem Fall vorbei“, sagt Kiefer. Das ist kein Zeichen von Schwäche. „Insgesamt betrachte ich den Wohnungsmarkt als gesund. Er reagiert flexibel auf Schwankungen bei Angebot und Nachfrage“, resümiert auch Eilers.
Schon im Februar wollte die Bundesbank das Wort Immobilienblase lieber nicht öffentlich aussprechen. Generell wären Immobilienkäufe in Deutschland sehr solide und mit viel Eigenkapital finanziert, der Markt stabil. Wie es aussieht, behält sie Recht.