Energetische Sanierung So tappen Sie nicht in die Dämmfalle

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Fehlerhafte Umsetzung kann den Einspareffekt zunichtemachen

Kuriose Energiefresser
Beheizbare KlobrillenJapaner und Südkoreaner lieben es, wenn der Sitz auf dem stillen Örtchen wohlig warm wird. Besonders luxuriöse Varianten duschen und föhnen auch noch mit anschließender Massage. Sechs Prozent des Stromverbrauchs gehen in Südkorea allein für beheizbare Klobrillen drauf. In Deutschland sind die Edel-Klobrillen inzwischen auch erhältlich, die meisten Haushalte begnügen sich aber weiterhin mit einem kalten Toilettensitz. Quelle: Reuters
Heizdecken.... verursachten in Südkorea regelmäßig Stromausfälle, denn große Teile der Bevölkerung drehten nachts gleichzeitig den Regler hoch. In Deutschland sind sie dank gut beheizter Wohnungen weniger begehrt.
Ja, für gewöhnlich ist es in Regionen mit Schnee kalt - sehr kalt. Beheizbare Handschuhe und Skischuhe halten die Gliedmaßen bis zu 18 Stunden warm - dafür sorgt ein aufladbarer Akku. Für passionierte Wintersportler sind diese High-tech-Kleidungsstücke sicherlich praktisch - in puncto Energieverbrauch aber auch ein verzichtbarer Luxus. Quelle: dpa
Der Clou für Menschen, die unter akuter Morgenmüdigkeit leiden oder schlicht zu faul sind einen Löffel aus der Schublade zu holen - die selbst umrührende Tasse. Ein eingebauter Quirl wirbelt Milch und Zucker durcheinander. Sieht aus wie von Zauberhand, ist aber batteriebetrieben. Bei derartiger Energieverschwendung könnte einem glatt schwindlig werden. Quelle: PR
Vorbei die Zeiten als Männer gemütlich ein Pfeifchen schmauchten - jetzt kommt die E-Pfeife. Hier glimmt allerdings kein Tabak. Mittels eines Verdampfers lassen sich verschiedene Geschmacksrichtungen wie Vanille, Schokolade, Kirsche oder Café in die Luft pusten. Ober man dafür tatsächlich Akkus laden muss... Quelle: PR
Computermäuse lassen sich per USB-Kabel über den Computer beheizen und über ein kleines Rädchen regulieren. Zwar verbrauchen die beheizbaren Mäuschen allein nicht viel Strom, aber ganz ehrlich - wirklich brauchen tut sie keiner. Man könnte die klammen Fingerchen auch einfach zwischendurch ordentlich gegeneinander reiben - ganz ohne Strom.

Das Problem: Erfolgsbeispiele und Studien zur Wirtschaftlichkeit beschäftigen sich bislang nur mit Komplettsanierungen. Die Einspareffekte für Einzelmaßnahmen und anhand von Verbrauchswerten sind daher noch weitgehend unerforscht. Dämmkritiker Konrad Fischer etwa ist nach Bewertung von Vergleichsstudien überzeugt, dass die belegten Einspareffekte lediglich auf optimierte Heiztechnik und eventuell noch die Dachdämmung zurückzuführen ist. Wärmedämmung an Fassaden lehnt er ab, weil sie die Erwärmung der Fassade durch Sonneneinstrahlung verhindere. Dämmstoffindustrie, Energieberater und Wissenschaft halten jedoch dagegen. "Dämmmaßnahmen lohnen sich in jedem Fall. Sie bringen einen Gewinn an Wohnkomfort und eine Energieersparnis mit sich. Die Behauptung, eine Wärmedämmung würde keine Energie sparen, ist völlig absurd", so Holm vom FIW. "Welche Maßnahme letztlich die effektivste und wirtschaftlichste ist, lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. Das hängt vom Einzelfall ab."

Ohne Einzelfallprüfung und individuelle Beratung geht es nicht

Was die zu erwartende Energieverbrauchssenkung einzelner energetischer Sanierungsschritte angeht, hängt die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen somit in der Praxis entscheidend von der qualifizierten Analyse des Gebäudezustands sowie des Verbrauchsverhaltens und den finanziellen Möglichkeiten ab. Zumindest darin sind sich alle Fachleute und mittlerweile auch die Politiker einig. "Die Kommunikation zum Thema energetische Sanierung der Bestandsgebäude ist differenzierter geworden. Heute behauptet niemand mehr, dass sich in jedem Fall jede Komplettsanierung sofort rechnet. Vielmehr betonen alle Seiten, dass sich eine Sanierung insbesondere dann lohnt, wenn ohnehin die Sanierung von Dach, Fassade oder Heizungsanlage ansteht. Denn dann sind es nur die Mehrkosten für die energetische Optimierung, die sich über die Energiekostenersparnis amortisieren muss. Dann aber lohnt sie sich immer", so Stolte.

Staatliche Zuschüsse oder Steuervorteile beschleunigen die Amortisation der Bauinvestition zusätzlich. Leider bleibt es vorerst bei den bereits bekannten Förderprogrammen der staatlichen KfW-Bank, über die Steuervorteile für Sanierer dürfte erst nach der Wahl wieder diskutiert werden. Darüber hinaus erörtern Stefan Klinski, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, sowie Veit Bürger vom Öko-Institut allerlei Maßnahmen, um die Investitionshürde zu überwinden. Um die notwendigen, zusätzlichen monetären Anreize zu finanzieren, schlagen sie beispielsweise eine Sanierungsprämie vor, die über eine Umlage von den Gasversorgern oder Mineralölgesellschaften bezahlt werden soll. Oder per "Klimaschutzabgabe mit Förderfonds" könnte per Sondersteuer abhängig von der energetischen Qualität der Gebäude von Hausbesitzern erhoben werden, um Sanierungsmaßnahmen zu fördern. Ob derartige Maßnahmen durchsetzbar und ausreichend sind, um einen Sanierungsboom auszulösen, darf allerdings bezweifelt werden. "Ein Sanierungsboom auf freiwilliger Basis ist schon deswegen unmöglich, weil wohl nur wenige Kommunen oder sonstige Hausbesitzer entsprechende Finanzmöglichkeiten haben", glaubt Dämmkritiker Fischer. "Die geplanten Finanzinstrumente nenne ich Folterinstrumente. Sie ziehen dem wehrlosen Hausbesitzer Geld aus der Tasche, ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren." Da ja eine energetische Sanierung offenbar vor allem bei bereits vorliegendem Sanierungsbedarf wirtschaftlich ist, könnten zusätzliche Finanzspritzen ohnehin dazu führen, dass saniert wird, was noch gar nicht saniert werden muss. Dann aber wird die Sanierung wie dargelegt schnell unwirtschaftlich.

Hausbesitzer sollten also zunächst abwarten, was die Regierung nach der Wahl plant. Den Energieberater können sie dennoch schon bestellen. Damit die Planung fundiert und unter wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll ist, sollten Hauseigentümer die verkaufsorientierte Energieberatung von Handwerkern, Baustoffhändlern oder Heizungsinstallateuren meiden und auf unabhängige, nachweislich qualifizierte Energieberater zurückgreifen. Diese sind am besten über die dena-Internetseite www.energie-effizienz-experten.de aufzufinden. Dort gelistete Energieberater müssen ihre Qualifikation regelmäßig nachweisen. Der Staat bezuschusst eine qualifizierte Energieberatung inzwischen mit einmalig 400 Euro.

Zudem bietet die KfW inzwischen Förderprogramme für die Baubegleitung durch einen Energieberater an, der die fach- und normengerechte Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen überwacht. Die fachkundige Baubegleitung ist immens wichtig, denn eine fehlerhafte oder schlampige Anbringung einer Wärmedämmung kann nicht nur den Einspareffekt zunichtemachen, sondern auch hohe Folgekosten bis hin zum kompletten Abriss und anschließenden Neubau der gedämmten Bauwerke führen.

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