Fertighäuser "Die Baukosten sind nicht der wichtigste Faktor"

Sucht man in Großstädten eine Wohnung, braucht man starke Nerven - und beim Kauf einen dicken Geldbeutel. Die Preise steigen noch immer. Davon profitiert die Fertighausbranche – doch das Wachstum wird ausgebremst.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Bauen boomt - Fertighäuser auch? Quelle: dpa

Wer jetzt beschließt, in Wohneigentum zu investieren, wird schnell merken, dass er damit nicht allein ist. Baugeld ist günstig, „Betongold“ gefragt - das treibt die Preise, und zwar schon lange nicht mehr nur in den In-Vierteln der Großstädte. Es fehlen immer mehr Wohnungen, und der Kauf - oder auch schon die Miete - wird zur finanziellen Herausforderung.

Doch immer mehr Menschen gieren nach dem Eigenheim, das erhöht die Preise weiter - ein Teufelskreis. Eine Lösung: selber bauen, was auch nicht ganz billig ist. Seit Jahren steigert die Fertigbau-Branche langsam ihre Anteile. Profitiert sie nun von der Preisexplosion?

„Wir haben einen Bau-Boom“, bestätigt Günter Gitzen, Vertriebsleiter beim Fertighaus-Anbieter Gussek mit Sitz in Nordhorn. Aber: Beim klassischen Einfamilienhaus - die Nische, in der Fertighaus-Anbieter vor allem aktiv sind - sei das nicht im gleichen Maß festzustellen. Die Baugenehmigungen stagnierten. Woran kann das liegen?

Bilfinger hat im zweiten Quartal einen Verlust von sieben Millionen Euro eingefahren. Eine der Hauptursachen sind Altlasten in den USA.

Gitzen erklärt, vor allem mehrgeschossige Häuser oder Eigentumswohnungen würden den Anbietern aus der Hand gerissen. Doch beim Einfamilienhaus muss zunächst einmal ein Grundstück her - und Baugrundstücke seien Mangelware, vor allem in begehrten Ballungsräumen: „Die Leute finden keine bezahlbaren Grundstücke.“

Christoph Windscheif vom Bundesverband Deutscher Fertigbau ergänzt: „Die Baukosten sind im Segment der freistehenden Ein- und Zweifamilienhäuser nicht der wichtigste Faktor, sondern die vielerorts mangelhafte Verfügbarkeit von Baugrundstücken.“ Vor allem Familien mit Kindern bräuchten Grundstücke, die für individuelle Bebauung geeignet und gut an die Infrastruktur der Städte angebunden seien. „Wir fordern daher, mehr solcher Grundstücke auszuweisen.“

So viel Eigenheim gibt's in Ihrem Bundesland fürs Geld
Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland Quelle: dpa
Platz 16: Saarland Quelle: dpa
Platz 15: Sachsen-Anhalt Quelle: dpa
Platz 14: Thüringen Quelle: dpa
Platz 13: Brandenburg Quelle: dpa
Platz 12: Rheinland-Pfalz Quelle: dpa
Platz 11: Niedersachsen Quelle: dpa

Trotzdem steigert die Branche seit Jahren ihren Marktanteil - teils gegen den Markt. Im vergangenen Jahr lag der Fertigbau-Anteil an den Baugenehmigungen nach Verbandsangaben bei 17,8 Prozent. Im Jahr 2000 waren es noch 13,5 Prozent, allerdings gab es damals insgesamt noch deutlich mehr Baugenehmigungen als heute - nämlich über 179.000. Im vergangenen Jahr waren es noch knapp 107.000. Während der Finanzkrise 2007 bis 2009 brach die Zahl sogar auf wenig mehr als 80.000 ein.

Und das ist viel zu wenig. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr mit 277.700 Wohnungen so viele gebaut wie seit zwölf Jahren nicht - doch nötig sind laut Bauwirtschaft, Bundesbauministerium und Mieterbund 350.000 bis 400.000. Gleichzeitig stehen in ländlichen Regionen rund 950.000 Wohnungen leer, wie Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zeigen.

Trotz Mietpreisbremse ist das Angebot an bezahlbarem Wohnraum in Deutschlands Metropolen noch zu gering, die Neubauvorhaben schließen die Lücke nicht. Nach der Wahl soll es Geld regnen.
von Andreas Toller

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kritisierte allerdings unlängst, auf dem Land würden zu viele Wohnungen gebaut, während die Bevölkerung schwinde. Kaum jemand mag dann vermutlich in langsam verödende Dörfer ziehen. Dennoch betonte Robert Feiger, Chef der Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt: „Die Bezahlbarkeit von Wohnraum ist für mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine finanzielle Herausforderung.“ Bezahlbares Bauland dürfte den Menschen also entgegenkommen - und nicht mehr nur Geringverdiener kämpfen mit den hohen Preisen.

„Gäbe es mehr Bauland, würden mehr Menschen bauen“, sagt Vertriebsleiter Gitzen schlicht. Die Fertighausbranche könne problemlos die doppelte Anzahl von Häusern absetzen. Die Marktanteile schwanken allerdings bundesweit stark - in Baden-Württemberg seien es 32,9 Prozent, in Niedersachsen gerade einmal 7 Prozent. Warum das so ist? Im Süden Deutschlands sei möglicherweise der Baustoff Holz einfach populärer, meint Gitzen. Jährlich rund 400 Fertighäuser baut die Gussek-Gruppe - bei einem Umsatz von etwa 80 Millionen Euro. Beides ist seit Jahren stabil.

Die deutsche Fertighausbranche kam 2016 auf einen Umsatz von knapp 2,3 Milliarden Euro. Das waren 16 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Erstaunlich dabei: Fast ein Drittel der Kunden entschied sich für ein teures Fertighaus im Wert von über 300.000 Euro. Doch eines hängt der Branche nach Gitzens Einschätzung noch immer nach: die Vorstellung, Fertighäuser seien Eigenheime zweiter Klasse. „Das Vorurteil hält sich hartnäckig“, beklagt er.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%