Förderkredite Bauen mit Nullzins

Wer Wohnungen für Flüchtlinge bauen möchte, erhält dafür in einigen Bundesländern zinsfreie Darlehen. Wie es die billigen Kredite gibt – und ob das Problem der Unterbringung damit gelöst werden kann.

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Neubausiedlung in Gelsenkirchen. Bauträger können zinslose Darlehen für neue Flüchtlingswohnungen beantragen. Quelle: dpa

In Düsseldorf eine Turnhalle. In Hamburg ein Schiff. In München eine Kaserne. Die Städte in Deutschland zeigen sich flexibel bei der Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge. Im ersten Halbjahr stellten allein 196.000 Menschen in Deutschland einen Flüchtlingsantrag - bis Ende des Jahres erwartet das Bundesinnenministerium die vierfache Zahl an Flüchtlingen.

Aber die Unterbringung in einer Turnhalle kann nur Übergangslösung sein und dient zur Erstaufnahme und Erfassung der Asylanträge. Zwar lag die Ablehnungsquote dieser Anträge im ersten Halbjahr 2015 bei 38 Prozent. Dennoch erwarten die Kommunen auch im Anschluss einen erheblichen Druck auf ihre Wohnungsmärkte, wenn die Flüchtlinge mit genehmigtem Schutzstatus in Sozialwohnungen unterkommen müssen.

Ein Sektor, in dem die Kommunen ohnehin schwach aufgestellt sind: ihnen fehlt schon der Wohnraum für Deutsche Anspruchsberechtigte. Wer weniger als 28.287 Euro brutto im Jahr verdient, hat Anspruch auf geförderte Wohnungen. Und nach Angaben des Deutschen Mieterbundes ist die Zahl der Sozialwohnungen über die letzten 30 Jahre von vier Millionen auf jetzt knapp 1,5 Millionen zurückgegangen. Jedes Jahr würden allein 70.000 Wohnungen aus der Preisbindung herausfallen und nicht erneut als Sozialwohnung angeboten. "Es muss jetzt gebaut werden, denn rund die Hälfte der zu uns kommenden Flüchtlinge wird dauerhaft in Deutschland bleiben", sagt Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW.

Um die Zahl der Wohnungen zu erhöhen, machen Bund und Länder jetzt zusätzliche Mittel Locker. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) öffnete Anfang September einen Zusatztopf in Höhe von 300 Millionen Euro aus einem bisherigen Förderprogramm, allein für die Schaffung von Flüchtlingswohnungen. Das Geld können aber nur Kommunen beziehen. Die Förderbanken einiger Bundesländer geben dagegen auch günstige Kredite an Privatpersonen aus.

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Neues Rathaus in Hannover Quelle: dpa

In Nordrhein-Westfalen bietet die NRW.Bank ein spezielles Förderprogramm für Flüchtlingswohnraum an, das Privatpersonen nutzen können, ebenso die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz. Wer den Zweck von den Städten genehmigt bekommt, erhält etwa von der NRW.Bank für zehn Jahre einen festgeschrieben Nullzins. Danach wird marktüblich verzinst. Viele der Angebote richtigen sich aber bislang vor allem an Kommunen:

Bei der L-Bank aus Baden-Württemberg können Kommunen zinslose Finanzierung aber auch an Dritte weitergeben, die die Maßnahmen durchführen, ebenso bei der Sächsischen Aufbaubank. Die finanziert allerdings nur die Sanierung und Modernisierung von Wohngebäuden, keine Neubauten.

In Bayern ist die Landesbodenbank der BayernLB für die Förderung von Wohnbau zuständig. Nachdem der Bayerische Ministerrat Ende Mai beschlossen hat, speziellen Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen, können Bauherren nun Zuschüsse beantragen. Jeder, der Mietwohnungen in neugebauten Mehrfamilienhäusern schafft, kann bis zu 300 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhalten. Sie können ergänzend zu Förderdarlehen beantragt werden. Die Anträge müssen Investoren, wie in anderen Bundesländern auch, bei ihren zuständigen Baubehörden vor Baubeginn einreichen.

Aber lohnt sich die Finanzierung auch für Privatpersonen?

Anträge schnell bewilligt

Wichtigster Schritt: Bevor gebaut wird, muss eine Genehmigung der Städte her. Schon begonnene Bauprojekte lassen sich rückwirkend nicht mehr zinslos fördern. Daher sollten Interessenten zunächst die Wohnbauämter ihrer Städte kontaktieren und müssen die Planung ihres Projektes offenlegen, um eine Genehmigung zu erhalten. Erst damit lässt sich der Förderkredit bei den Banken beantragen, den das Bauamt an die Förderbank weiterreicht. Doch auch die Förderbanken fordern ausführliche Angaben über das geplante Bauvorhaben und die Einkommensverhältnisse der Antragsteller. Die Unterlagen dazu stehen auf ihren Internetseiten bereit, wie hier als PDF-Dokument bei der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz.

In der Stadt Düsseldorf dauert die Bearbeitung eines solchen Antrags etwa ein Viertel bis Dreiviertel Jahr. Die NRW.Bank prüft die Unterlagen und die Kreditwürdigkeit der Antragsteller danach erneut, dann kann bereits nach etwa einer Woche das Geld direkt an den Antragsteller ausgezahlt werden. Anders als bei den meisten Förderkrediten, etwa der KfW-Bank, geht dies ohne Zwischenschritt über die Hausbank.

Die Fördergelder sind in Nordrhein-Westfalen noch neu am Markt, das Programm wurde erst Anfang Juni aufgelegt. So hat die NRW.Bank bislang erst einen Antrag geprüft - und genehmigte anschließend ein Darlehen über 30.000 Euro. Kommunen können bereits seit Dezember über ein Förderprogramm bei der NRW.Bank Gelder beantragen, und haben seit dem in 64 Anträgen bislang gut 57 Millionen Euro bewilligt bekommen.

In Baden-Württemberg sind bei der L-Bank aktuell 154 Anträge für einen Zuschuss nach dem Landesförderprogramm "Wohnraum für Flüchtlinge" bewilligt worden, die Fördersumme lag bei fast 34 Millionen Euro. Wie in NRW kann ein Antrag, zu dem alle erforderlichen Antragsdaten vorliegen, innerhalb einer Woche bewilligt werden. Erfahrungsgemäß müsse man aber Unterlagen nachfordern oder zusätzliche Informationen einholen, teilt die Bank mit. Dadurch verzögere sich die Bewilligung. In einem solchen Fall können der Antragsteller aber schon mit dem Bau beginnen - auf eigenes Risiko.

Gerade kleine Bauprojekte würden die Situation auf dem Markt entlasten, sagt Thomas Nowatius, Leiter des Wohnungsamtes in Düsseldorf. Bei der Belegung der Sozialwohnungen achten man auf eine vernünftige Durchmischung. So seien gerade keine Massenunterkünfte zur längerfristigen Unterbringung gesucht. Die würden nur zur Erstunterbringung ausreichen, dazu freue man sich aber über Großinvestoren. In Düsseldorf wurden in diesem Jahr bislang gut 15 Flüchtlingshaushalte in Anschlusswohnungen untergebracht. Gegen Ende des Jahres würden die ersten geförderten Wohnungen zur Folgeunterbringung von Flüchtlingen fertig gestellt.

Anreize zu gering

Allerdings kommen diese Kredite mit speziellen Bedingungen daher, die gewichtigste darunter sicherlich eine Zweckbindung: Der Wohnraum muss für mindestens zehn Jahre als Sozialwohnung bereitstehen. Je nach Gemeinde oder Stadt kann die Bindungsdauer auch bei 20 bis 25 Jahren liegen. Auch die Zuschüsse der BayernLabo sind nur für die ersten sieben Jahre garantiert - bei einer Zweckbindung von insgesamt 25 Jahren. Auch gelten grundsätzliche besondere Anforderungen für Sozialwohnungen: für einen Ein-Personen-Haushalt müssen 50 Quadratmeter Wohnraum bereitstehen, für vier Personen 90 Quadratmeter. So dürften sich viele Investoren gegen einen Förderkredit entscheiden - denn bei grundsätzlich niedrigen Marktzinsen ab rund 1,5 Prozent für die Finanzierung einer Immobilie, scheint der freie Wohnmarkt deutlich lukrativer.

Die Programme seien gut strukturiert, hätten aber das große Problem, dass sie kaum noch Vorteile gegenüber regulärer Bankenfinanzierung für Immobilien bieten könnten, sagt Nowatius. Sonst wäre man in einigen Jahren mit der Versorgung an Sozialwohnungen über den Berg. Und so berichten auch private Wohnbauunternehmen, die in Düsseldorf nach eigenen Angaben gut 90 Prozent der Sozialwohnungen schaffen, dass die Anreize für sie zu gering sind, um Städten den nötigen Wohnraum anzubieten.

„Man kann mit den geförderten Darlehen nicht gegen den niedrigen Marktzins ankämpfen, das ist sinnlos", sagt Martin Dornieden, Landesvorsitzender des Bundesverbands freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen BFW. "Für uns als private Bauträger wäre es viel interessanter, die Eigenkapitalforderung in Höhe von 20 Prozent aufzuheben, dann könnte einiges bewegt werden." Denn in den Vorgaben für die Genehmigung der Förderdarlehen setzt etwa die NRW.Bank Eigenkapital in Höhe von 20 Prozent voraus.

Dornieden habe in seinem Wohnbau-Unternehmen aus NRW deshalb im vergangenen Jahr zwei große Projekte, die 60-80 Sozialwohnungen geschaffen hätten, aufgrund dieser Anforderung ablehnen müssen. „Wir können nicht für 15 Jahre 20 Prozent des Eigenkapitals aus unserem Unternehmen entnehmen“, sagt Dornieden. Gerade befinde er sich aber in Abschlussverhandlungen über die Nutzung eines Mehrfamilienhauses für die Unterbringung von Flüchtlingen oder als Sozialwohnungen. „Wenn Länder neben Förderdarlehen etwa auf die Grunderwerbsteuer verzichten würden und unnötige Vorschriften lockern, gäbe es für Bauträger schon viel bessere Anreize zu investieren. Dann passiert auch was!“

Zwar gibt es formelle Richtlinien, wie groß der Wohnraum sein muss, etwa für eine Person mindestens 50 Quadratmeter und besondere Anforderungen an Energiesparmaßnahmen. Unter den aktuellen Ausnahmebedingungen wolle man in Düsseldorf aber flexibel sein und Abweichungen in Kauf nehmen.

Während bislang nur wenige der 16 Bundesländer Förderdarlehen vergeben, heißt es von den meisten Stellen, dass aktuell an Projekten gearbeitet wird, die kurz vor der Umsetzung stehen, etwa in Hamburg oder Thüringen. So dürfte es in den kommenden Wochen in einzelnen Bundesländern sicherlich noch einen Schub geben, was Projekte zur Stabilisierung des Ausnahmezustands angeht.

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