Großbritannien Immobilienfonds schließt nach Brexit die Pforten

Ein milliardenschwerer Immobilienfonds sieht sich wegen der Unsicherheit rund um britische Immobilienpreise zu einem folgenschweren Schritt gezwungen: Kunden dürfen kein Geld mehr abziehen.

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Die Werte von Bürogebäuden in London leiden unter dem schwachen Pfund. Quelle: AFP

London Die britische Investmentgesellschaft Standard Life Investments hat den Handel mit Anteilen an einem umgerechnet 3,4 Milliarden Euro schweren Immobilienfonds eingestellt. Grund: Seit dem EU-Referendum in der vorvergangenen Woche sind die Anteilverkäufe in die Höhe geschnellt. 51,9 Prozent der Briten hatten sich für einen Austritt aus der Europäischen Union entschieden, daraufhin war das Pfund von 1,50 Dollar auf 1,31 Dollar gestürzt und Zweifel an den Immobilienbewertungen vor allem in London aufgekommen.

Der betroffene Fonds investiert in Gewerbeimmobilien in besten Lagen. Der Handel wurde am Montagmittag eingestellt und die Entscheidung über eine mögliche Wiedereröffnung werde alle 28 Tage getroffen, so der Vermögensverwalter mit Sitz im schottischen Edinburgh. Standard Life hatte bereits in der vergangenen Woche die Vermögenswerte des Fonds um fünf Prozent nach unten korrigiert.

„Die Gefahr ist, dass dies erst der Anfang ist und wir mehr Immobilienfonds mit ähnlichen Reaktionen in den kommenden Wochen und Monaten sehen werden“, so Laith Khalaf, Analyst bei der Investmentfirma Hargreaves Landsdown. „Wenn Standard Life Mittelabflüsse sieht, dann werden andere Vermögensverwalter ein ähnliches Schicksal erleiden und könnten zu ähnlichen Schritten gezwungen sein.“

Auch deutsche offene Immobilienfonds haben teilweise bis zu zehn Prozent ihres Vermögens in Großbritannien investiert. Dennoch sieht die Branche nicht die Gefahr von Auswirkungen auf deutsche Produkte. Die Kurse der börsengehandelten Fonds haben wenig Reaktion auf das Brexit-Referendum gezeigt.


Deutsche Immobilienfonds-Branche gibt sich entspannt

Immobilien in Großbritannien dürften aber auch von deutschen Fonds abgewertet werden müssen. „Zehn Prozent werden es sein“, hatte Frank Pörschke, Deutschland-Chef des Immobiliendienstleisters JLL auf der Handelsblatt-Immobilientagung vergangene Woche gesagt. Offene Immobilienfonds für deutsche Kleinanleger haben rund acht Milliarden Euro in Großbritannien investiert, weit überwiegend in London. Für sie bedeutet der Brexit also einen zumindest zeitweisen Wertverlust von etwa 800 Millionen Euro.

Standard Life hatte am Montag mitgeteilt, dass der Fonds wegen der „erhöhten Abflüsse als Folge der Unsicherheit für den britischen Gewerbeimmobilienmarkt“ erfolgt sei. Das Unternehmen sicherte aber weiter eine Ausschüttung zu, die zuletzt 3,86 Prozent jährlich betragen habe. Allerdings hätten Verkäufe gestoppt werden müssen, um Investoren zu schützen. Der Fonds hatte zum Stichtag 31. Mai über 13 Prozent Liquidität verfügt.

Andere britische Fondsgesellschaften wie Aberdeen oder M&G Investments haben zwar auch Immobilienbewertungen einzelner Objekte angepasst, es gebe jedoch keine Pläne zur Schließung der Fonds.

Trotz des Chaos in der britischen Politik und der Unruhe an den Finanzmärkten, hatte JLL-Manager Pörschke versichert: „Es droht kein neues 2008.“ Die Pleite der US-Investmentbank Lehmans hatte im Herbst 2008 die Finanzmärkte ins Chaos gestürzt und die Immobilienmärkte mitgerissen. Deutsche Immobilien-Kleinanleger traf die Schließung mehrerer offener Immobilienfonds besonders hart. Sie mussten später abgewickelt werden, ein Prozess der bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Anleger verloren bis zur Hälfte ihres Immobilienfonds-Vermögens.

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