Großprojekte Deutschlands sündhaft teure Prestigebauten

Wenig Großbauprojekte haben so viele Demonstranten auf die Straße getrieben wie der Umbau des Stuttgarter Bahnhofs. Die Gegner fürchten eine Kostenexplosion. Es wäre nicht das erste Vorhaben, das teurer wird als gedacht.

Die Stuttgarter waren nicht ohnmächtig: Stuttgart 21 steht für einen politischen Umbruch in Baden-Württemberg und den Einzug neuer Formulierungen in die deutsche Sprache, wie zum Beispiel das Wort „Wutbürger”. Der alte Kopfbahnhof soll zu einem Tunnelbahnhof umgebaut werden. Eine riesige Protestwelle überrollte die baden-württembergische Landeshauptstadt, seit der Abriss des alten Bahnhofs startete. In einer Abstimmung Ende 2011 sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung jedoch für das Projekt aus. Gestritten wird vor allem über die Kosten des Umbaus... Quelle: dpa
Immer wieder wurden die prognostizierten Baukosten nach oben korrigiert. Zwischenzeitlich sprach die Deutsche Bahn von 4,5 Milliarden Euro, mittlerweile hat sie die Zahlen um ganze zwei Milliarden erhöht.. Andere Experten veranschlagen Kosten von bis zu elf Milliarden Euro. Auch der Bundesrechnungshof hat diese Summe bereits vor drei Jahren als viel zu gering bezeichnet. Die DB hatte damals die Einschätzung zurückgewiesen. Inzwischen sind viele Dokumente ans Tageslicht gekommen, die beweisen, dass die Bahn hohe Mehrkosten vorsätzlich verschwiegen hat. Nicht zuletzt die mangelnde Transparenz bezüglich der Gesamtkosten des Projekts hat viele Bürger auf die Straße getrieben. Die ersten Züge werden wohl nicht vor 2022 im unterirdischen Bahnhof einfahren. Quelle: dpa
Die Hamburger Elbphilharmonie soll nach rund siebenjähriger Verspätung im Januar 2017 eröffnet werden. „Der Plan ist, dass das am 11. Januar des Jahres 2017 geschehen soll“, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nun bei einer ersten Besichtigung des Großen Saals. Ursprünglich sollte das Konzerthaus im Hafen bereits 2010 eröffnet werden. Wegen massiver Planungsfehler und Streitereien musste der Termin jedoch mehrfach verschoben werden. Gleichermaßen explodierten die Kosten. Sie stiegen von ursprünglich geplanten 77 Millionen Euro auf 789 Millionen Euro. Vom Baukonzern Hochtief übergeben werden soll die Elbphilharmonie im Oktober 2016, im November soll dann die 4000 Quadratmeter große Plaza der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Hier zeichnet sich nach langer Zeit ein Ende ab – das gilt nicht unbedingt für alle Großbauten hierzulande. Quelle: dpa
Das war aber noch nicht alles: Hochtief fordert nun auf Grund der Verzögerung mehr Geld von der Stadt Hamburg, weil dadurch zusätzliche Kosten für die Vorhaltung von Personal und Baustelleneinrichtung anfielen. Wie viel genau, wollte Hochtief noch nicht verraten, allerdings äußerte sich Heribert Leutner, Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft (ReGe) gegenüber dem NDR, dass er mit einer Nachforderung von bis zu 100 Millionen Euro rechne. Inzwischen ist ein juristischer Streit darüber entbrannt, wer für die Verzögerung verantwortlich ist. Ist die Stadt Schuld, kommen auf den Steuerzahler weitere Belastungen in Millionenhöhe zu - ist Hochtief für die Verzögerung verantwortlich, will die Stadt Schadensersatz fordern. Quelle: dpa
Eigentlich sollte die Erweiterung des Saarland-Museums und der Modernen Galerie in Saarbrücken ein Prestigeprojekt werden. Allerdings haben sich die veranschlagten Kosten mehr als verdreifacht. Ursprünglich sollte der Bau neun Millionen Euro kosten. Wie tief der Steuerzahler dafür in die Tasche greifen muss, ist noch offen. Bisher steht in bester Lage in Saarbrücken unweit des Staatstheaters ein hässlicher Betonklotz im Rohbau, dem ein Gutachten jetzt zahlreiche Mängel bescheinigt hat. Die Landesregierung will aber auf jeden Fall an dem schon weit vorangeschrittenen Projekt festhalten, obwohl viele vor einer „zweiten Elbphilharmonie“, wenn auch in sehr viel kleinerer Größenordnung, warnen. Quelle: dpa
Die ständig neuen Meldungen über die steigenden Kosten für den Bau des Berliner Hauptbahnhofs sorgten 2007 für großen Ärger. Anfangs kalkulierte man mit „nur“ 300 Millionen Euro – letztlich wurden es 1,2 Milliarden. Allein 200 Millionen gingen für die beiden Büro-Gebäuderiegel über dem Glasdach drauf. Im April kam dann der Paukenschlag: 2015 muss der dann erst acht Jahre alte Hauptbahnhof drei Monate lang gesperrt und saniert werden. Grund dafür sind mangelhafte Schrauben an den Übergängen der Gleisbrücken. Die Bahn rechnet mit einem Sanierungsaufwand von 25 Millionen Euro. Quelle: dpa
Doch die gestiegenen Baukosten sind nicht das einzige Übel. Denn mit der Miete, die die Bahn jedes Jahr von den Geschäften kassiert, nämlich zwischen sechs und acht Millionen Euro, kann sie die Baukosten niemals wieder hereinholen. Quelle: dpa
Nach der Deutschen Einheit bildeten sich, ebenfalls in Berlin, mehrere Vereine, die für einen Wiederaufbau des Stadtschlosses kämpften. Sie betonten die Identität stiftende Funktion des Schlosses für die Deutschen, das zudem einen neuen architektonischen Mittelpunkt der berühmten Prachtstraße Unter den Linden bilde. Gegner des Schlosses argumentierten gegen den Rückgriff auf die Ära Preußens und die hohen Kosten des Projekts. Die Planung für den Wiederaufbau des Stadtschlosses begannen kurz nach der Vereinigung, doch lange Jahre war die Finanzierung nicht gesichert. "Mit der Grundsteinlegung wird die Realisierung dieses großen Kulturvorhabens nun endlich für alle sichtbar", erklärte Neumann am Mittwoch. In den Nachbau sollen Einrichtungen aus Kultur, Kunst und Wissenschaft ziehen, Architekt ist der Italiener Franco Stella. Quelle: dpa
Der Bau soll rund 595 Millionen Euro kosten und nach dem Willen der Bauherren 2019 eingeweiht werden. 2007 hatte der Berliner Haushaltsausschuss noch 552 Millionen Euro als Obergrenze festgelegt, allerdings habe sich eine Kostensteigerung durch höhere Preise im Baugewerbe ergeben, so das Finanzministerium. Die Kosten der Rekonstruktion der historischen Fassade in Höhe von 80 Millionen Euro sollen private Spender aufbringen. Angesichts der chronischen finanziellen Probleme der Hauptstadt betonte Bürgermeister Wowereit, dass für etwaige Mehrkosten beim Bau der Bund zuständig sei. Falls ein Betrag fehlen sollte, müsse das aus Bundesmitteln ausgeglichen werden. Laut einer Umfrage der Zeitschrift "Stern" stößt die Rekonstruktion des Stadtschlosses bei den Bundesbürgern auf wenig Gegenliebe. Fast zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) gaben demnach an, sie fänden den Wiederaufbau nicht gut. 30 Prozent befürworten ihn. Quelle: dpa
Die im Bau befindliche Nord-Süd-Stadtbahn in Köln soll mit einer Tunnelstrecke unter der Altstadt zwischen dem Innenstadttunnel und dem Rhein das bestehende Netz der Kölner Stadtbahn erweitern. Die Baukosten werden auf mindestens 1,1 Milliarden Euro geschätzt. Doch das Projekt ist nicht nur teuer, immer wieder wurde das Bauvorhaben von Zwischenfällen überschattet - wie dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs. Die komplette Strecke soll nach aktuellen Plänen erst im Jahr 2017/2018 fertig sein, ab 2016 werden Teilbereiche im Süden der Domstadt in Betrieb genommen. Quelle: dpa
Eine riesige Stahlkonstruktion, die „Waldschlösschenbrücke“, ist Schuld daran, dass dem Dresdner Elbtal der Weltkulturerbetitel der UNESCO aberkannt wurde. Die Brücke verschandele eine einmalige Kulturlandschaft. Der Stahlkoloss soll im November 2011 fertig gestellt werden, der Verkehr soll ab 2012 rollen. Auch dieses Projekt wurde im nachhinein teurer als geplant: Der gesamte Straßenzug und die Tunneleinfahrten sollen rund 180 Millionen Euro kosten. Bisher hatte man mit 157 Millionen Euro kalkuliert. Quelle: dapd
Eigentlich eine kreative Idee: Ein teils frei schwebender Kubus auf den Silos des Kunstmuseums Küppersmühle in Duisburg sollte ein Zeichen im Kulturhauptstadtjahr 2010 setzen (hier als Computeranimation). Fraglich ist bis heute, ob der Stahlkubus überhaupt jemals auf dem Dach des Museums landen wird. Die Kosten des Vorhabens sind in die Höhe geschossen: Zuerst wurden die Kosten auf 25 Millionen Euro geschätzt, dann später auf 40 Millionen Euro korrigiert und inzwischen gehen jüngste Schätzungen von einem Kostenvolumen von 69 Millionen Euro aus. Der Kunst-Kubus ist bisher nicht fertig geworden und es bleibt abzuwarten, ob und wann das für den Bau verantwortliche Wohnungsunternehmen Gebag sich mit dem Mäzen-Ehepaar Ströher auf eine neue Finanzierung einigt. Quelle: dpa
Ist diese Aussicht nicht schön? Nein, sagen Gegner des Hochmoselübergangs , einer 25 Kilometer langen Neubaustrecke der B50 mitten durch das Moseltal. Dies ist zwar nur eine Computergrafik des Straßen- und Verkehrsamtes Trier, aber so in etwa soll ein Teilstück bei Ürzig dann später aussehen. Ein Argument für den Hochmoselübergang: eine bessere Anbindung an den Flughafen Frankfurt-Hahn. Die Gegner bezweifeln den Nutzen des Projekts und warnen vor einem erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild, der sich negativ auf den Tourismus auswirken könnte. Und billig ist das Ganze auch nicht: die Gesamtkosten belaufen sich auf etwa 330 Millionen Euro. Quelle: picture alliance / dpaStraßen- und Verkehrsamt Trier
Der Ausbau des Nürburgrings im Jahr 2009 sollte eigentlich komplett privat finanziert werden, allerdings wurde kein Investor gefunden. Trotzdem zahlte Rheinland-Pfalz das Projekt vorläufig aus Steuergeldern, so dass mit dem Bau begonnen werden konnte. Inzwischen sind um die 350 Millionen Euro an Steuergeldern in das neue Freizeit- und Erlebniszentrum geflossen. Landesfinanzminister Ingolf Deubel trat am 7. Juli 2009 zurück. Er wollte den Ausbau über hochspekulative Fonds, Liechtensteiner Konten und unbekannte Geschäftspartner in Dubai finanzieren. Formel 1-Rennen auf dem Nürburgring werden vom Land mit Millionenbeträgen subventioniert. Diese als „Strukturhilfe“ aufgeführten Zahlungen werfen nicht nur bei der oppositionellen CDU die Frage nach dem richtigen Umgang mit Steuergeldern auf, auch die Gastronomen im Umland lehnen die subventionierte Konkurrenz ab. In der Zwischenzeit ist die Rennstrecke in die Insolvenz gerutscht, von Investoren gerettet und wieder in Geldnot geraten. Deubel wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die EU erklärte die Landesbeihilfen für unzulässig. Es bleibt spannend. Quelle: dpa
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