Immobilien-Finanzierung Kunden zahlen bei Kombidarlehen oft drauf

Viele Immobilienkäufer finanzieren ihre Häuser mit einem Bausparsofortdarlehen. Das kann zu einer teuren Angelegenheit werden – spätestens, wenn das Eigentum vor dem Ende der Zinsbindungsfrist verkauft werden muss.

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Können sich Hausbesitzer jetzt die niedrigen Zinsen sichern, um mehr Bares in der Tasche zu behalten? Dieser Frage sind Verbraucherschützen nachgegangen. Quelle: dpa

Düsseldorf Donnerstagmorgen: Die Verkaufsliste des Immobilienvermittlungsportal Immobilienscout24 listet 166 Häuser in Frankfurt auf, die 2010 oder früher gebaut wurden. Die Häuser werden kaum alle schuldenfrei sein. Und die Erfahrung lehrt, dass Verkaufszeitpunkt und Ende der Zinsbindung für die Baudarlehen häufig auseinanderfallen.

Wie viele Verkäufer laufende Kredite mit längerer Zinsbindungsfrist kündigen und dafür dem Kreditgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müssen, wenn sie einen neuen Besitzer gefunden haben, wissen wir nicht. Genau so wenig wissen wir, wie viele dieser Häuser mit Bausparsofortdarlehen, auch Kombinationsdarlehen genannt, finanziert wurden. Aber das Marktwächterteam der Verbraucherzentrale Bremen weiß, dass der Besitzwechsel für diejenigen, die solche Kombiverträge abgeschlossen haben, höchstwahrscheinlich besonders teuer wird.

Die Verbraucherschützer verglichen die Vorfälligkeitsentschädigungen für 209 solcher Kombiverträge mit denen von üblichen Annuitätendarlehen, der wohl gängigsten Form der Immobilienfinanzierung mit gleich hohen Raten während der gesamten Laufzeit. In 98 Prozent der Fälle mussten die Bausparkunden für ihre Verträge mehr zahlen.

Ohnehin geht es bei Vorfälligkeitsentschädigung häufig um fünfstellige Summen. Zumal gerade jetzt die Vorfälligkeitsentschädigungen besonders hoch sind. Das liegt an den aktuell noch sehr niedrigen Baufinanzierungszinsen. Denn es gilt: Je höher der bei Vertragsabschluss vereinbarte Zinssatz über dem aktuellen, desto höher ist der Entschädigungsbetrag. Und der muss häufig noch zu einem Zeitpunkt geleistet werden, wenn das Geld ohnehin knapp ist. Denn vielfach wird aufgrund einer persönlichen Notsituation wie Arbeitslosigkeit oder Ehescheidung verkauft. Die Verbraucherzentralen fordern deshalb den Gesetzgeber auf, Vorfälligkeitsentschädigungen generell zu deckeln.

Wer ein Annuitätendarlehen aufnimmt, vereinbart einen festen Zins für eine bestimmte Laufzeit. Die klassischen Laufzeiten betragen fünf, zehn, 15 und neuerdings 20 Jahre. Wegen der niedrigen Baugeldzinsen empfehlen Finanzierungsberater gegenwärtig mindestens 15 Jahre Zinsbindung zu vereinbaren, obwohl die Zinssätze steigen, wenn eine längere Laufzeit vereinbart wird. Der Kreditnehmer zahlt über die Laufzeit hinweg jeden Monat die gleiche Rate. Mit jeder Zahlung wird der Tilgungsanteil seiner Rate größer und der Zinsanteil kleiner.

Doch wenn Häuslebauern und -käufern Eigenkapital fehlt, bieten Bausparkassen gerne Sofortdarlehen, auch Vorausdarlehen genannt, an. Das Prinzip: Der Kunde bekommt ein Darlehen, das er nicht sofort tilgen muss. Ihm werden nur monatlich die Zinsen vom Konto abgebucht. Die Rate ist auch in diesem Modell jeden Monat gleich, weil die Zinsen über die Laufzeit festgeschrieben sind.

Statt zu tilgen zahlt der Bausparkunde gleichzeitig in einen Bausparvertrag ein. Sobald der Bausparvertrag zuteilungsreif ist, wird das Sofortdarlehen komplett durch Bausparguthaben und Bauspardarlehen abgelöst. Danach zahlt er Zins und Tilgung für das Bauspardarlehen an die Bausparkasse. Zuteilungsreif bedeutet, dass der Bausparkunde die Mindestsparsumme eingezahlt und eine von der Kasse ermittelte Bewertungsziffer erreicht hat. Die Laufzeit des Sofortdarlehens wird in etwa so gewählt, dass sie bis zum Erreichen der Zuteilungsreife währt.

Über Vorfälligkeitsentschädigungen streiten Verbraucherschützer und Banken seit Jahren. Vieles was heute Recht ist, wurde über die Jahre durch Gerichte entschieden. Dass die Bank für die vorzeitige Ablösung eines Kredites entschädigt werden muss ist unstreitig. Willkürlich kündigen, etwa weil ihm ein zinsgünstigeres Angebot einer anderen Bank vorliegt, kann ein Bankkunde nicht. Zweifelsfrei außerordentlich kündigen darf er, wenn er sein Haus verkauft. Dann wird der Restdarlehensbetrag plus Vorfälligkeitsentschädigung fällig.

Die am weitesten verbreitete Methode die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen ist die sogenannte Aktiv-Passiv-Methode. Es wird der finanzielle Nachteil der Bank errechnet, der ihr dadurch entsteht, dass sie den vorzeitig zurückgezahlten Darlehensbetrag am Kapitalmarkt zu einem „Wiederanlagezins“ investiert, der unter dem Sollzins des Darlehens liegt.

Die Verbraucherzentrale Bremen wollte wissen, ob Kunden, die eine Vorfälligkeitsentschädigung für eine Kombifinanzierung zahlen mussten, billiger weggekommen wären, wenn sie stattdessen ein klassisches Annuitätendarlehen aufgenommen hätten.


Kombifinanzierung bietet keine Sicherheit

Dazu werteten die Verbraucherschützer insgesamt 209 Bausparkombinationsfinanzierungen aus, für die die Verbraucherzentralen bundesweit Vorfälligkeitsentschädigungen überprüft hatten. Die untersuchten Verträge wurden zwischen den Jahren 2003 und 2015 abgeschlossen und in der Phase des tilgungsfreien Vorausdarlehens zwischen den Jahren 2011 und 2016 gekündigt.

In 79 Prozent der Fälle mussten die Kündigenden mehr als zehn Prozent der noch verbleibenden Restschuld des Vorausdarlehens, in sieben Prozent der Fälle mehr als 25 Prozent der Restschuld zahlen.

Um vergleichen zu können, rechnete das Bremer Marktwächterteam durch, wie hoch die Entschädigung ausgefallen wäre, wenn der Beratungskunde statt des Sofortdarlehens ein Annuitätendarlehen abgeschlossen hätte. Dieses Annuitätendarlehen wurde simuliert. 

Je geringer die Restschuld des simulierten Annuitätendarlehens zum Ablösezeitpunkt ist, desto geringer ist auch dessen Vorfälligkeitsentschädigung im Verhältnis zu jener des Vorausdarlehens einer Bausparkombinationsfinanzierung, stellte das Marktwächterteam fest. Weiterhin erkannten sie, dass es darauf ankommt, wie schnell getilgt wird. Je höher der Tilgungssatz ist und je später die Ablöse des Darlehens erfolgt, desto größer ist der Vorteil des simulierten Annuitätendarlehen gegenüber Vorausdarlehen des Kombi-Angebots.

„Bei Vorausdarlehen von Bausparkombinationsfinanzierungen sind die Einflussmöglichkeiten auf die Vorfälligkeitsentschädigung gering“, sagt Philipp Rehberg, Teamleiter Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Bremen, „da keine laufende Tilgung erfolgt und Sondertilgungsmöglichkeiten die Ausnahme sind.“

Die Verbraucherschützer entlarvten bei dieser Gelegenheit auch das Argument der Kassen als falsch, dass eine solche Kombifinanzierung Zinssicherheit biete. Denn in 83 Prozent der Fälle waren die Zinsbindungen der Sofortdarlehen zu kurz gewählt.

Bei Auslaufen der Zinsbindung waren die Bausparverträge noch nicht zuteilungsreif, so dass die Bausparkunden Zwischenfinanzierungen vornehmen mussten. Bausparkassen können bei Vertragsabschluss den Zeitpunkt der Zuteilungsreife nicht exakt vorhersagen. Denn die Summe der Darlehen, die sie auszahlen können hängt von den Sparleistungen aller Kunden ab. Je weniger im Spartopf ist, desto weniger Bauspardarlehen können ausgegeben werden.

„Hat die Bausparkasse gerade nicht genügend Mittel im Topf, müssen die Kreditnehmer auf das angesparte Bausparguthaben und das Bauspardarlehen warten“, erläutert Hartmut Schwarz, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Bremen. Sein Rat an all jene, die dennoch eine Kombifinanzierung aufnehmen möchten: „Wer ein Sofortdarlehen aufnimmt, sollte gerade jetzt unbedingt eine Zinsbindung bis zur Zuteilung vereinbaren. Denn die Zinsen werden in den nächsten Jahren eher steigen als sinken.“

Ob das sinnvoll ist, können Immobilienkäufer heute leichter feststellen als früher. Diese Kombinationsfinanzierungen werden auch Konstantmodelle genannt. Seit Inkrafttreten der Wohnimmobilienkreditrichtlinie müssen die Anbieter den Gesamteffektivzins über die ganze Laufzeit dieses aus Vorfinanzierung, Bausparen und Bauspardarlehen bestehenden Modells nennen.

Solche Kombiverträge aus tilgungsfreiem Sofortdarlehen und Bausparverträgen wurden in den vergangenen Jahren für die Bausparkassen immer wichtiger. Klassische Bausparverträge machen nur noch etwa zwölf Prozent des Geschäfts der Kassen aus, hat die Verbraucherzentrale Bremen vor einem Jahr herausgefunden.

Elgin Gorissen-van Hoek, Baufinanzierungsexpertin im Bundesverband Finanz-Planer e.V., kann den Kombimodellen nichts abgewinnen: „Solche Konstruktionen sind für Banken und Vermittler lukrativ, denn der Abschluss von Bausparverträgen bringt Provisionen, die nicht durch spätere Stornierungen gefährdet werden.“

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