Immobilien in Deutschland Geldflut erreicht selbst Regensburg

Der deutsche Immobilienmarkt wird weiter mit Geld überschwemmt. Weil Renditen in den Metropolen kaum noch zu erzielen sind, weichen Investoren auf mittelgroße Städte und komplexere Projekte aus. Wo das Risiko steigt.

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Selbst in kleineren Städten ziehen Büromieten an, was Investoren anlockt. Nicht immer sind die Gründe offensichtlich.

Frankfurt Mehr Wettbewerb, mehr Geschäft, mehr Risiko, weniger Marge. Mit diesen vier Wortgruppen fasst die Regensburger Immobilienakademie Irebs die zentralen Ergebnisse ihres neuesten „German Debt Report“ zusammen, der die gewerbliche Immobilienfinanzierung in Deutschland untersucht.

Dabei betrachtet die Irebs die Fremdkapitalfinanzierungen von Investoren, allen voran Banken. Investments, die etwa Versicherung oder Pensionskassen durch ihr Eigenkapital eingehen, sind hingegen nicht Teil der Studie. Insgesamt haben 23 Institute an der Studie teilgenommen, die mit einem Kreditvolumen von 183 Milliarden Euro knapp die Hälft des Marktes gewerblicher Immobilienfinanzierung abdecken.

Alles in allem hält der Trend zur Kapitalanlage Immobilien 2015 an. Das Neugeschäft ist laut Studie um 20 Prozent gestiegen. Die Finanzierung von institutionell investierten Wohnens, also Bauprojekte, die nicht direkt von der Bank, sondern über Dritte weitervertrieben werden, steht dabei aber nicht ganz oben auf der Liste. Wegen der großen Nachfrage, besonders in den Metropolen wie Berlin, München oder Frankfurt, sinken die Renditen in diesem Bereich.

Bereits in den vergangenen Jahren gab es große Deals. Und so sank das Neugeschäft der Wohninvestments um knapp acht Prozent auf 39,8 Milliarden Euro. „Der Wettbewerb ist im Bereich Wohnen am größten. Auf unkomplizierte, große Deals stürzen sich alle“, sagt Markus Hesse, Geschäftsführer des Irebs und Hauptautor der Studie.

Viel stärker wurde in gewerbliche Immobilien investiert. Das Neugeschäft ist um mehr als ein Drittel auf 97,4 Milliarden Euro gestiegen. Doch auf der Suche nach Rendite wird das Geschäft komplexer. So wird etwa verstärkt in Fachmärkte oder Betreiberimmobilien investiert. Zu letzteren zählen etwa Hotelanlagen, die dann von einzelnen Ketten betrieben werden. „Bei diesen anspruchsvollen Investments müssen die einzelnen Finanzierer genauer wissen, was sie tun“, sagt Tobias Just, Geschäftsführer der Irebs.

Das heißt auch: Die Risiken steigen. In einzelnen Segmenten seien derzeit bereits „spekulative Übertreibungen“ zu beobachten. Das gelte etwa bei gewissen Projektfinanzierungen von Luxus-Wohnen in Berlin oder gefragten Büro-Immobilien in zentraler Metropollage.

Der Druck käme jedoch nicht, wie häufig ausgemacht, unbedingt von ausländischen Investoren. „Die größten Deals machen Deutsche, etwa Versicherungen wie die Allianz“, sagt Markus Kreuter von Jones Lang LaSalle (JLL).

„Der Markt wird weiter mit Geld geflutet“, befindet auch Stefan Jung, Managing Director vom Immobilienfinanzierer bf direkt. Schließlich bleiben die Zinsen im Euroraum unter Druck. „Ob das Heil aller in Immobilien liegt, sei einmal dahingestellt.“


Verschärfung? „Noch kein Weltuntergang“

Die hohe Nachfrage wirke sich auf die Margen der Finanzierer aus, die im vergangen Jahr um 11,5 Prozent gesunken sind. Beim Neugeschäft lag sie 2015 noch bei 118 Basispunkten. „Bei Monopoly würde man sagen: ‚Zurück auf Los‘. Denn damit befinden wir uns auf dem Niveau von 2010“, erklärt Markus Hesse von der Irebs.

Ertrag suchen die Marktteilnehmer daher in den mittelgroßen Städten. Außerhalb der sieben größten Metropolen in Deutschland ist das Neugeschäft um 57 Prozent gestiegen. In den Top-7-Städten jedoch nur um ein Prozent, analysieren die Autoren der Studie.

Potenzial erkennt Sven Carstensen in den B-Städten. Der Experte von der Immobilienmarktforschungsfirma Bulwiengesa nennt dabei Standorte wie Dresden, Leipzig, Münster oder Bremen. „Vor allem in Leipzig ist im gewerblichen Bereich noch viel Musik drin.“ Aufpassen sollte man hingegen bei Potsdam oder Regensburg, wo Büromieten zwar steigen, es aber an der ausreichenden Erklärung mangele.

Hohe Nachfrage, steigende Preise, sinkende Margen. Das klingt zunächst nach irrer Verschärfung, räumt auch der Just von der Irebs ein. „Doch das ist noch kein Weltuntergang.“ Noch sei der Markt weit von den riskanten Niveaus der Vorkrisen-Zeit in den Jahren 2006 und 2007 entfernt. „Heute sind die Banken sehr risikobewusst und schauen sehr genau hin“, erklärt Just. So gebe es etwa Vollfinanzierungen von Immobilienprojekten, wie es sie damals etwa in Spanien gab, in Deutschland heute kaum. Die Finanzierung über Fremdkapital liege derzeit eher bei 80 Prozent.

„Solange die Finanzierungen stabil bleiben und keine exogenen Schocks kommen, ist die Entwicklung okay“, urteilt auch Markus Hesse, der Hauptautor der Studie. Exogene Schocks, das könnten etwa starke Zinserhöhungen sein. Ein solches Ereignis würde die Kapitalströme von Pensionskassen und Versicherern aus dem Immobiliensektor abziehen. Doch in der Eurozone rechnet in den kommenden fünf Jahren kaum ein Ökonom mit steigenden Zinsen. Und die Fed müht sich in den USA derzeit, ihre Zinswende fortzusetzen. Der Run auf den deutschen Immobilienmarkt dürfte also nicht so schnell enden.

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