Als SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in seiner unnachahmlich-unverblümten Art kürzlich tönte, er werde im Falle eines Wahlsiegs den übermäßigen Anstieg der Mieten verhindern, stimmten Experten und Vermieterverbände ein Konzert der Empörung und Kritik an. Nur an einem Versammlungsort der Betroffenen blieben alle gelassen - an der Börse. Die notierten Immobilienaktien rührten sich kaum - und hielten sich gänzlich ohne Geschrei dort, wo sie in den vergangenen Wochen und Monaten hingeklettert waren: in der Nähe ihrer Höchststände. Die Steinbrücksche gesamtdeutsche Mietpreisbremse erscheint den Anlegern offenbar so absurd, dass sie sich von derlei Wahlkampfgetöse nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Zur Aufregung besteht für Immobilienmarkt-Investoren tatsächlich kein Grund, sieht man von einzelnen Städten oder Stadtvierteln ab, in denen die Mieten ebenso wie die Immobilienpreise überschnell anziehen. Denn generell ist die Lage auf Deutschlands Immobilienmarkt gut - und der Markt für Investoren so attraktiv wie nie. Das belegt ganz aktuell eine Studie des Beratungshauses Ernst & Young. Für den Trendbarometer zum Immobilieninvestmentmarkt 2013 haben die Experten 120 Investoren befragt, vor allem Banken, Versicherungen, Immobilienfonds und börsennotierte Immobiliengesellschaften. 41 Prozent der Befragten schätzen den deutschen Immobilienmarkt als sehr attraktiven Standort für Investments ein, weitere 58 Prozent finden ihn immer noch attraktiv. Im Europäischen Vergleich kommt der deutsche Markt sogar noch besser an: Mehr als zwei Drittel der 500 europaweit befragten Investoren bezeichnen den hiesigen Immobilienmarkt als "sehr attraktiv".
Die Experten von Ernst & Young gehen davon aus, dass die hohe Dynamik am deutschen Immobilienmarkt noch anhält. Schon 2012 wechselten Portfolios aus Wohnimmobilien im Wert von elf Milliarden Euro den Besitzer. Hinzu kamen Transaktionen von Gewerbeimmobilien im Volumen von 25 Milliarden Euro. Das zusammengenommene Volumen lag mit 36 Milliarden um 20 Prozent über den Schätzungen im Vorjahres-Trendbarometer.
Für 2013 erwarten die Experten nun weitere Transaktionen in Höhe von 32 bis 36 Milliarden Euro. „Für 2012 hatten wir bewusst konservativ geschätzt“, sagt Christian Schulz-Wulkow, Partner bei Ernst & Young Real Estate. „Aber im vierten Quartal 2012 gab es überdurchschnittlich viele und zudem große Transaktionen. Wir schätzen daher, dass der Immobilienmarkt für Investoren trotz schwierigerem Umfeld auch 2013 so dynamisch bleibt – dank weiterhin hoher Nachfrage und einem sich ausweitenden Angebot.“
Zum Angebotsanstieg zählt Hartmut Fründ, Managing Partner bei Ernst & Young Real Estate nicht zuletzt die Immobilienobjekte, die seitens der in Auflösung befindlichen offenen Immobilienfonds auf den Markt geworfen werden. Die Gefahr eine Überangebots sieht Fründ indes nicht: „Die offenen Immobilienfonds in Auflösung haben noch drei bis vier Jahre Zeit, ihre Bestände zu veräußern. Pro Jahr ergibt das grob geschätzt maximal zehn Prozent zusätzliches Transaktionsvolumen. Das kann der Markt ohne weiteres auch zu einem vernünftigen Preisniveau aufnehmen.“
Wohnimmobilien im Fokus
Befeuert wird die Nachfrage nach Immobilien-Investments der Untersuchung zufolge vor allem vom niedrigen Zinsniveau und den anhaltenden Inflationssorgen unter den Investoren: 91 Prozent von ihnen nannten die Inflation als einen der Hauptgründe für das große Interesse der Anleger, neben der allgemeinen Unsicherheit aufgrund der Eurokrise und mangelnden Anlagealternativen mit ähnlich attraktiver Rendite. „Der Ruf des sicheren Hafens für Immobilieninvestments bleibt Deutschland erhalten“, hieß es unter den befragten Investoren. Das ruft auch vermehrt internationale Investoren auf den Plan. Sie dürften 2013 eine zunehmend große Rolle auf dem deutschen Immobilienmarkt spielen.
Im Fokus der Investoren dürften 2013 einmal mehr Wohnimmobilien stehen. Schon im vergangenen Jahr waren in diesem Segment mehr großvolumige Geschäfte zu beobachten- Etwa der Verkauf der LBBW Immobilien GmbH mit 21.500 Wohneinheiten zu einem Preis von mehr als 1,4 Milliarden Euro oder das sogenannte BauBeCon-Portfolio mit 23.500 Wohneinheiten, dass die Barclays Bank für mehr als 1,2 Milliarden Euro an die Deutsche Wohnen AG abgeben hat.
Prognose für Mieten bis 2015
Durchschnittspreis 2012: 10,4 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +10,5 Prozent
Quelle: Feri Eurorating Services AG
Durchschnittspreis 2012: 12,6 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +9,5 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 11,5 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +9,3 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 6,1 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +8,3 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 7,5 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +8,2 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 8,9 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,7 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 7,2 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,5 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 9,4 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,2 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 7,2 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,1 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 9,6 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,1 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 5,7 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +7,1 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 9,2 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +6,9 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 8,7 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +6,7 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 4,9 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +5,4 Prozent
Durchschnittspreis 2012: 6,3 Euro/qm
Preisentwicklung bis 2015: +4,5 Prozent
Im Bereich der Wohnimmobilien rechnen Branchenkenner daher mit steigenden Preisen. Zwar gebe es laut Trendbarometer in Bestlagen bestimmter Regionen vereinzelt überhitzte Märkte, eine generelle Preisblase sei jedoch nicht zu beobachten. In den meisten Fällen lassen sich die gestiegenen Immobilienpreise durch ebenfalls steigende Mieten rechtfertigen. Drei Viertel der von Ernst & Young befragten Investoren erwarten somit steigende Preise für Wohnimmobilien in Bestlagen. Zwei Drittel sagen steigende Preise selbst für 1b-Lagen und stabile Preise in der Peripherie voraus. Berlin wird laut Umfrage auch 2013 mit deutlichem Abstand der Liebling der Investoren bleiben: 44 Prozent der Investoren nehmen die Hauptstadt ins Visier. Nur etwa halb so viele nennen auch die übrigen Top-Standorte Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart.
Für Fründ sieht den Markt noch längst nicht ausgereift. „Das Marktvolumen wird von vielen immer noch überschätzt“, sagt er. In Deutschland gebe es insgesamt rund 39 Millionen Wohneinheiten. „Davon sind vielleicht maximal sieben bis acht Millionen Wohnungen überhaupt handelbar. Zudem sind größere Transaktionen von ganzen Wohnungsportfolios erst seit zehn Jahren handelbar. Der Markt befindet sich weiterhin in einer Aufbauphase."
Vom Wettrennen um die besten Immobilien profitieren die übrigen Segmente nur teilweise. So werden bei Einzelhandelsimmobilien die Preise laut Prognose überwiegend stabil erwartet, in einzelnen Städten wie Köln oder Stuttgart dürfte die Nachfrage noch am höchsten ausfallen. Bei den Büroimmobilien stehen vor allem Hamburg und München hoch im Kurs. Frankfurt verliert hingegen seine Spitzenposition aufgrund der hohen Leerstände, die die Stadt dem Schrumpfkurs der Finanzbranche als Folge der Krise zu verdanken hat.
Immobilienaktien bleiben begehrt
Vom positiven Marktumfeld profitieren natürlich auch die großen Immobiliengesellschaften. Bereits im vergangenen Jahr lief es für Deutsche Wohnen, Gagfah und Co. nicht schlecht. Die im MDax notierte Deutsche Wohnen legte im Jahresverlauf um 38 Prozent zu, bei den Index-Kollegen der Berliner GSW ging es ebenfalls nahezu konstant bergauf – um satte 46 Prozent konnte das Papier zulegen.
Die im SDax gelisteten Aktien der Patrizia Immobilien AG konnten sich 2012 sogar um mehr als 100 Prozent auf über sechs Euro verbessern. Aktien von Immobiliengesellschaften waren also durchaus ein lohnendes Investment für Anleger. Bleibt das 2013 so?
„Das Ende der Fahnenstange ist auf dem Immobilienmarkt noch nicht erreicht“, sagt Roger Peeters, Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der gleichnamigen Bank. Sein Analysehaus hat im Rahmen einer aktuellen Studie Prognosen für die Entwicklung am Wohnimmobilienmarkt erstellt. Gleichzeitig entwickelten die Analysten mehrere Szenarien für mögliche Übernahmen bei Deutsche Wohnen und Co.
„Je mehr sowohl die Branche und einzelne Unternehmen wachsen, desto höher ist der Druck auf andere, ebenfalls zuzulegen“, sagt Peeters. Der nächste logische Schritt für die Unternehmen sei nun, „gegenseitig übereinander herzufallen“, so Peeters in bewusst bildlicher Sprache. Demnach dürften die nächsten Übernahmen nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Bereits in den vergangenen Monaten hatten Immobiliengesellschaften kaum Probleme bei der Finanzierung. Mit ihrer Kapitalerhöhung Ende des Jahres sammelte die TAG Immobilien rund 270 Millionen Euro ein. Das Geld war nötig, um die bis dahin bundeseigene TLG Wohnen zu kaufen. Auch die Deutsche Wohnen, die größte der börsennotierten Immobiliengesellschaften, hat kräftig zugelangt am Kapitalmarkt. Allein durch eine Kapitalerhöhung im Sommer kamen rund 460 Millionen Euro in die Kasse der Frankfurter.
Immobilienunternehmen im Dax?
Die möglichen Kapitalerhöhungen geben den Unternehmen genug Spielraum für Zukäufe, so die Analysten von Close Brothers Seydler. Als wahrscheinlichster Käufer am Markt gilt die Deutsche Wohnen, da sie die entsprechende Größe mitbringt. In einem Szenario spielen die Analysten beispielsweise eine Übernahme der Gagfah durch die Frankfurter durch. Damit würde einer der größten Immobiliengesellschaften Europas entstehen. „Käme es zu einer Übernahme dieser Größe in Kombination mit einer Kapitalerhöhung, dann könnten wir schon 2013 das erste Immobilienunternehmen im Dax sehen“, sagt Peeters. Das zeige, wie viel Dynamik zur Zeit im Markt stecke. Bereits in den vergangenen Jahren hatte es einige Index-Aufstiege gegeben, so stieg TAG Immobilien erst im September 2012 in den MDax auf, die GSW kam zwölf Monate vorher dazu.
Raum für Ausstiege
Befeuert wird die Diskussion um die deutschen Immobilien-AG’s auch aufgrund anstehender Börsengänge in der Branche. Nicht nur die Wohnungsgesellschaft LEG will aufs Parkett, auch bei der doppelt so großen Deutsche Annington laufen die Verhandlungen um einen baldigen Börsengang.
„Das Marktumfeld für Börsengänge im Immobiliensektor ist sehr positiv“, sagt Peeters. Früher sei der Börsengang einer Immobiliengesellschaft eher eine Exitstrategie gewesen, das Wachstum des Unternehmens war dann in der Regel zunächst beendet. „Now, the listing is not the end, it’s the beginning of the story“, schreiben die Analysten – im Rahmen des aktuell positiven Marktumfeldes markiert ein Börsengang erst den Anfang des Wachstums. Und Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft, mehr gelistete Unternehmen dürften also für mehr Wachstum bei den bereits an der Börse gehandelten Gesellschaften sorgen.
Vorsicht ist geboten
Gilt jetzt: Feuer frei für den Einstieg in Immobilienaktien? Denn normalerweise ist Vorsicht geboten, wenn viele Aktien neu an die Börse kommen. Die Börsengänge signalisieren, dass die Preise hoch sind. Und tatsächlich sind die Kurse von Immobilienaktien weit oben. Einige Analysten sehen die Papiere schon überbewertet, die Wahrscheinlichkeit, dass es bald zu Verkäufen und Gewinnmitnahmen kommt, ist gegeben.
Und es gibt weitere Unsicherheitsfaktoren. Immobiliengesellschaften profitieren nicht nur vom Boom beim Betongold, sondern vor allem vom aktuellen Niedrigzinsumfeld. Das treibt nicht nur die Anleger in Immobilien, sondern erleichtert den Unternehmen auch die Finanzierung. In der Ernst&Young-Umfrage nannten Investoren fehlendes Eigen- und Fremdkapital als ein wichtiges Problem. Denn auch wenn die Zinsen niedrig sind, so vergeben die Banken Immobilienkredite doch nur selektiv und größerer Vorsicht als noch vor einigen Jahren. Dafür sorgen nicht zuletzt strengere Eigenkapitalvorschriften.
Versicherungen und Pensionskassen haben daher vermehrt damit begonnen, die Finanzierungslücke bei den Investoren zu verringern.
Sobald die Zinsen wieder anziehen, dürften die Aktien der Immobiliengesellschaften als erste darunter leiden. „In unseren Szenarien gehen wir davon aus, dass die Zinsen vorerst niedrig bleiben“, sagt Peeters. Das sei Bedingung für mögliche Übernahmen.
Ein weiteres Risiko lauert in Berlin. Sollte die Politik beispielsweise den Anstieg der Mietpreise begrenzen, dürfte das für die Immobiliengesellschaften ebenfalls nicht ohne Folgen bleiben. Diese Risiken müssen Anleger auf jeden Fall im Hinterkopf behalten, wenn sie ihr Geld in Immobilienaktien stecken. Angesichts möglicher Übernahmen sollten Anleger eher ein Auge auf die Übernahmekandidaten als auf die Käufer werfen. Schließlich besteht beim Käufer die Gefahr, dass gezahlte Preisaufschläge den Kurs belasten. Auch mögliche Probleme bei der Integration des Zukaufs können die Aktien auf Talfahrt schicken.