Immobilien - kaufen oder mieten? Warum der Hauskauf vor den Toren der Stadt lohnt

In Deutschlands größten Städten sind die Mieten hoch, der Eigenheimkauf für viele unerschwinglich. Eine Studie zeigt, wie viel Hauskäufer außerhalb für das gleiche Geld bekommen und wo der Radius für Pendler endet.

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Eigenheim mit Garten. Quelle: dpa Picture-Alliance

Das Leben in einer Metropole wie München, Hamburg oder Berlin ist sicher cool, vielfältig, aufregend und voller Möglichkeiten. Die Wohnsituation in solch einer Großstadt ist jedoch oft überhaupt nicht cool: Zu hohe Mieten, zu kleine Wohnungen, selten Garten, wenig Natur, stattdessen Großstadtlärm und Abgase.

Kein Wunder also, dass Wohnlagen am Stadtrand, im Speckgürtel oder gleich weiter außerhalb für viele die einzige Alternative sind. „Es gibt einen ganz klaren Trend auf dem Wohnungsmarkt“, sagt Karl Lichtblau vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Die Haushalte mit kleinem bis mittlerem Einkommen ziehen raus, Haushalte mit höheren Einkommen wie Akademiker ziehen in die Städte. Es findet ein Bewohnerwechsel statt“, konstatiert der Geschäftsführer der IW Consult, einer Tochter des IW.

Diese Erkenntnis geht aus einer groß angelegten Immobilienmarktstudie im Auftrag der Sparda-Banken hervor, die IW Consult zusammen mit dem Institut für Demoskopie Allensbach erstellt hat und der WirtschaftsWoche vorliegt. Und anders als viele andere hat die Studie „Wohnen in Deutschland 2017“ nicht nur Miet- und Immobilienpreise in den 402 Landkreisen und kreisfreien Städten miteinander verglichen, sondern auch viele Faktoren abgefragt, die unmittelbar verantwortlich dafür sind, ob sich Menschen in ihrem Zuhause auch wohlfühlen, warum sie sich für oder gegen einen Immobilienkauf entscheiden, wie viel sie dafür ausgeben und was sie dafür bekommen.

Kernergebnisse der Sparda-Studie "Wohnen in Deutschland 2017"

IW-Experte Lichtblau sieht im Wohnungsmarkt einen hervorragenden Indikator dafür, ob die Wirtschaft einer Region brummt oder eher lahmt. „Entscheidend für die Wohnsitzwahl ist der Arbeitsplatz. Die meisten Menschen wollen da wohnen, wo sie auch arbeiten. In den Ballungszentren in Süddeutschland, dem Rheinland, Hamburg und Berlin hat das bereits zu überhitzten Wohnungsmärkten geführt. Wir erwarten daher Wanderungsbewegungen in das Umland. Die Speckgürtel werden wachsen und dichter werden“, prognostiziert Lichtblau.

Kaufen ist fast überall besser als mieten

Die gute Nachricht: Eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, ist der Studie zufolge meist vorteilhafter als mieten - sofern man es sich leisten kann. „Kaufen ist fast überall in Deutschland günstiger als mieten – und außerdem auch erschwinglich“, fast Lichtblau die Analyse der 402 Kreise und Städte Deutschlands zusammen. Zu diesem Ergebnis kamen die Studienautoren, indem sie die Mietkosten mit den Wohnnutzerkosten von Eigenheimbesitzern verglichen haben. In die Wohnnutzerkosten flossen Quadratmeterpreise, Finanzierungskosten, entgangene Eigenkapitalgewinne, Nebenkosten des Kaufs, Wertentwicklung der Immobilie sowie Instandhaltungskosten ein. So berechnet liegt der Kostenvorteil durch einen Immobilienkauf in den Hochpreisregionen wie dem Großraum München unterhalb von 30 Prozent, erreicht aber an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns sogar mehr als 50 Prozent.

Andere Berechnungsmethoden wie etwa für den Immobilienatlas der WirtschaftsWoche kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass sich insbesondere in den Großstädten der Hauskauf nur noch in bestimmten Stadtvierteln und Vororten lohnt.

Ergebnis Großstädte: Wie viel Wohnfläche im Schnitt für 242.000 Euro Kaufpreis zu haben ist

Im deutschlandweiten Durchschnitt liegt der Vorteil bei 41,1 Prozent. Besonders große Vorteile bietet der Immobilienkauf im Landkreis Wittenberg (67 Prozent), gefolgt von Saale-Orla-Kreis, Kreis Bernkastel-Wittlich und den Kreisen Altenburger Land, Mansfeld-Südharz, Landkreis Rostock, Sankt Wendel und dem Eifelkreis Bitburg-Prüm. Bei den Mittelstädten (100.000 bis 600.000 Einwohner) liegen Rostock (58 Prozent), Trier (56,9 Prozent) und Jena (54,2 Prozent) vorn. Bei den Großstädten liegen München (34 Prozent) und Stuttgart (35 Prozent) unter dem bundesweiten Durchschnitt, Hamburg (47 Prozent) erreicht vor Berlin und Frankfurt am Main den Spitzenplatz unter den größten Städten in Deutschland. Am schlechtesten schnitten Städte wie Regensburg (28 Prozent) und Leipzig (37 Prozent) sowie die Landkreise Kelheim (16 Prozent) und Bautzen (27 Prozent) ab.

Eigenheim bevorzugt

Auch unabhängig von diesen kalkulierbaren Kostenvorteilen betrachtet eine große Mehrheit der Deutschen den Immobilienkauf als vorteilhaft. Eine Umfrage von Allensbach im Rahmen der Studie ergab, dass zwei Drittel der Deutschen überzeugt sind, dass sich der Erwerb von Wohneigentum lohnt. Nur zwölf Prozent sagten, es lohne sich nicht. 22 Prozent waren unentschieden.

Ein Grund für diese positive Einschätzung von Immobilienkäufen dürfte in der hohen Zufriedenheit von Eigentümern liegen. Wer Haus oder Wohnung kauft, ist zumeist sehr zufrieden mit seiner Wohnsituation. Mit 63 Prozent gaben das doppelt so viele an wie in der Gruppe der Mieter. Hier sind nur 30 Prozent sehr zufrieden, 15 Prozent sind weniger oder gar nicht zufrieden. Dabei legen alle Gruppen großen Wert auf gute Einkaufsmöglichen, ärztliche Versorgung, gesundes Klima und gute Luft sowie wenig Lärm und wenig Verkehr.

Beim Hauskauf hinken die Deutschen hinterher

Kaufpreise und Mieten In diesen Stadtteilen sind Haus und Wohnung noch bezahlbar

Mit unseren interaktiven Karten bekommen Sie Einblick in den regionalen Immobilienmarkt. Sieben deutsche Großstädte im Vergleich.

Interaktive Kartengrafiken des Immobilienatlas

Angesichts dieser Werte ist es erstaunlich, dass trotz der hohen Zustimmung zum Eigenheimerwerb die Eigentumsquote in Deutschland im internationalen Vergleich immer noch vergleichsweise niedrig ist. Nach eigenen Angaben wohnen nur 46 Prozent der Deutschen in ihren eigenen vier Wänden, andere Statistiken sehen diesen Wert eher bei 52 Prozent. Damit ist er bereits ein paar Prozentpunkte höher als etwa vor zehn Jahren. Aber von Eigentumsquoten von mehr als 70 Prozent wie in Schweden, Italien, Spanien oder Portugal sind wir hierzulande noch weit entfernt.

Die Sparda-Bank-Studie nennt auch die am häufigsten genannten Gründe, die potenzielle Immobilienkäufer letztendlich abschrecken: Das Risiko, sich finanziell zu übernehmen und Kreditraten nicht bezahlen zu können, die hohen Anschaffungskosten sowie die Sorge vor Einschränkungen in anderen Lebensbereichen und Instandhaltungskosten. Kurz gesagt: Wer trotz der niedrigen Finanzierungszinsen jetzt nicht kauft, scheut die langfristigen finanziellen Risiken.

Ergebnis Mittelstädte in Ostdeutschland: Wie viel Wohnfläche im Schnitt für 242.000 Euro Kaufpreis zu haben ist

Im Durchschnitt 126 Quadratmeter für 242.000 Euro

Wer sich jedoch für den Immobilienkauf entscheidet, gibt demnach im bundesweiten Durchschnitt 242.000 Euro aus. Die dafür durchschnittlich aufzuwendenden sechs Jahresnettoeinkommen haben die Studienautoren als Grenze für die Erschwinglichkeit einer Immobilie angesetzt. Wo Käufer mehr investieren müssen, gelten Immobilien als unerschwinglich. Zum Beispiel sind in München für eine durchschnittliches Eigenheim in der Spitze 12,9 in den ländlichen Regionen Vulkaneifel nur 3,1 Jahresnettoeinkommen erforderlich.

Ergebnis Mittelstädte in Westdeutschland: Wie viel Wohnfläche im Schnitt für 242.000 Euro Kaufpreis zu haben ist

Für den genannten Preis 242.000 Euro gibt es durchschnittlich 126 Quadratmeter Wohnfläche. Je teurer die Region, umso weniger Quadratmeter gibt es. In den Metropolen gibt es für das gleiche Geld weniger als 100 Quadratmeter: In Berlin sind 98, in Köln 88 und in München sogar nur 44 Quadratmeter für das Durchschnittbudget drin – zu wenig für eine Familie mit nur durchschnittlichem Einkommen. In Goslar gibt es für diese Summe hingegen 228, in Stendal sogar 299 Quadratmeter.

18 Kilometer weit pendeln für 90 Quadratmeter

Mit normalen Budget und entsprechendem Wohnraumbedarf bleibt als Alternative für die Großstadtbewohner nur, eine Bleibe zu suchen, die weiter entfernt von den teuren Stadtteilen ist. Die Studie hat deshalb betrachtet, in welcher Entfernung von der City mehr Wohnraum erhältlich ist. Demnach müssen Hamburger von der Innenstadt aus schon 18 km weit pendeln, um für 242.000 Euro eine 90-qm-Wohnung zu bekommen. In Berlin sind es 15, in Frankfurt 12 Kilometer.

Laut Umfrage sind zwei Drittel der Mieter mit Immobilienkaufplänen nicht bereit, mehr als 30 Kilometer Pendelstrecke in Kauf zu nehmen. Dafür wird, wer diesen Radius ausschöpft, mit mehr Wohnfläche und niedrigeren Kaufpreisen entschädigt. Aus diesem Grund dürfe es zu dem eingangs skizzierten Einwohnerwechsel kommen: Die Wohnhabenden in die Zentren, die Normal- und Geringverdiener in den Speckgürtel oder noch weiter weg den Großstädten.

Finanzierung heute 58.000 Euro billiger als vor zehn Jahren

Für einen Immobilienkauf spricht neben den individuellen Präferenzen und dem verfügbaren Budget in jedem Fall die noch immer günstige Finanzierbarkeit. Ausgehend vom mittleren Einkommen von mehr als 2500 Euro netto erfüllt der Studie nach etwa ein Drittel der Haushalte die Anforderung der Banken von 30 Prozent Eigenkapital. Ab einem Haushaltseinkommen ab 5500 Euro schafft diese Hürde praktisch jeder Haushalt.

In diesen zehn Städten rentiert sich die Miete
Frankfurt-am-Main Quelle: dpa
Düsseldorf Quelle: DPA/Picture-Alliance
Rostock Quelle: DPA
Stuttgart Quelle: dpa
Kiel Quelle: dpa
Berlin Quelle: dpa
Münster Quelle: dpa

Gemessen am durchschnittlichen Investitionsvolumen von 242.000 Euro sparen Hauskäufer gegenüber 2007 Zinsaufwendungen von 58.000 Euro bis zur letzten Rate. Waren 2007 für den gewöhnlichen Finanzierungsfall von knapp 95.000 Euro für die Kreditzinsen fällig, sind es heute nur 36.500 Euro – 20 Jahre Laufzeit und Zinsbindung bis zur vollständigen Kreditrückzahlung vorausgesetzt.

Niedrige Zinsen sind nicht mehr so wichtig

Allerdings sind die niedrigen Zinsen nicht mehr so entscheidend für Hauskäufer wie vor ein paar Jahren. War dies 2013 für knapp die Hälfte der Deutschen ein wichtiger Kaufanreiz, ist diese Zahl auf unter 40 Prozent gesunken. Erstaunlich ist das insofern, als dass seit 2005 die Immobilienpreise im Bundesdurchschnitt um 21,5 Prozent gestiegen sind – in den Städten sogar plus 41 Prozent, in den Landkreisen plus 12 Prozent. Die größte Preissteigerung erlebte München mit 81,4 Prozent plus.

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von Niklas Hoyer

Insgesamt sind die Immobilienpreise in den vergangenen zwölf Jahren in drei Vierteln der Städte und Landkreise gestiegen – vor allem in den bereits teuren Regionen. Die Vermutung liegt nahe, dass da immer mehr potenzielle Eigenheimerwerber Zweifel haben, ob die hohen Kaufpreise auch berechtigt sind. Verlieren die Immobilien denn eines Tages kräftig an Wert, werden Verkauf oder Anschlussfinanzierung zum Minusgeschäft.

Ein Immobilienkauf vor den Toren der Stadt kann sich daher durchaus lohnen: Mehr Platz, weniger übertrieben hohe Preise, gute Anbindung, bessere Luft und weniger Lärm sind die wesentlichen Vorteile. Wer in der Stadt arbeitet, muss dann aber pendeln. Und wer pendeln muss, sollte diese nur so wenig wie nötig tun, damit die Zufriedenheit mit den eigenen vier Wänden nicht auf der Strecke bleibt. Zufriedenheit mit dem eigenen Zuhause ist eben unbezahlbar.

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