Immobilien Das schmutzige Geschäft mit der Wohnungsnot

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Tipp-Provisionen

Teurer Hauskauf, mäßige Miete
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Berlin Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Hamburg Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in München Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Köln Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Frankfurt Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Stuttgart Quelle: Immobilienscout 24
Die Entwicklung von Miet- und Kaufpreisen in Regensburg Quelle: Immobilienscout 24

Frankfurt Nordend, ein Makler spricht mit einer Kundin. Die Unterschrift unter dem Mietvertrag ist noch nicht trocken, der Makler um 1400 Euro Provision reicher, da wittert er das nächste Geschäft. Die Suche nach einem Nachmieter für ihre alte Wohnung müsse anlaufen, erzählt die Frau, das Apartment sei attraktiv: Maisonette, Dachterrasse, Kamin. Ohne eine Miene zu verziehen, entgegnet der Makler: „Wenn Sie Kontakt zum Vermieter vermitteln, zahle ich Ihnen ein Viertel meiner Provision.“

Rechtlich bewegt er sich damit auf sicherem Boden. Die vom Kartellamt genehmigten Wettbewerbsregeln des IVD sehen es nur als wettbewerbswidrig an, wenn „einem Auftraggeber ein Vorteil dafür versprochen wird, dass ein Auftrag erteilt wird“, sagt Johns. Das bedeute, dass Mitglieder einem Dritten, nicht aber dem Eigentümer Tipp-Provision zahlen dürften.

Wer im Internet nach Tipp-Provision sucht, findet zahlfreudige Makler. Ein Frankfurter, der mit zehn Prozent wirbt, zahlt an Eigentümer: „Wir teilen gern mit Ihnen“, sagt der Geschäftsführer des Maklerbüros am Telefon. Details will er bei einem „persönlichen Treffen“ erläutern. Erste Hinweise gibt er: „Sie müssen eine Rechnung stellen, alles Weitere erledigen unsere Rechtsanwälte und Steuerberater.“

Wer dahinter kommt, dass ein Makler an Eigentümer gezahlt hat, kann die Courtage verweigern. „Der Makler hat keinen Anspruch auf die Provision, denn er hat seine Neutralität verloren und die Interessen des Kunden verletzt. Sein Kunde soll der Käufer oder Mieter sein. Allerdings kann der das kaum beweisen, die Geschäfte laufen mündlich“, sagt Hubertus Garchow, Anwalt für Immobilienrecht in Düsseldorf.

Hat der Makler die Wohnung im Portfolio, versucht so mancher, die Tipp-Provision wieder hereinzuholen. So erzählte einer einer jungen Frau, die in Frankfurt eine Mietwohnung suchte, dass ihm ein anderer Interessent 150 Euro Bonus zusätzlich zur Courtage geboten habe. Wenn sie das überbiete, sorge er dafür, dass sie den Zuschlag erhalte, schreibt das Wohnungsamt im jüngsten Tätigkeitsbericht. Zahlen musste der Makler: 750 Euro Geldbuße.

Verwalter wollen verdienen

Für eine Mietwohnung darf ein Makler maximal zwei Kaltmieten plus Mehrwertsteuer kassieren. Im Verkauf kann er seine Provision verhandeln, üblich sind, je nach Region, zwei bis sechs Prozent des Kaufpreises. Die oft leicht verdiente Courtage weckt Begehrlichkeiten bei Vermietern und Verwaltern. Eigentümer, Verwalter und Mieter dürfen laut Wohnungsvermittlungsgesetz aber keine Provision verlangen.

Trotzdem tun sie es. „Hausverwalter rufen mich an: Gegen 10 bis 30 Prozent meiner Provision wollen sie mir Wohnungen zuschanzen“, berichtet Maklerin Sauer. Sie mache das nicht, für andere will sie nicht garantieren: „Durch die harte Konkurrenz unter Maklern ist das Geschäftsverhalten bei vielen heute so rücksichtslos geworden, dass die Ethik zu kurz kommt.“

Beliebt ist eine „Bearbeitungsgebühr“, etwa beim Unternehmen Wentzel Dr., das rund 20.000 Wohnungen verwaltet. Eine Tochter der Gruppe bewirbt auf Immobilienportalen Mietwohnungen, für die zwar keine Courtage, wohl aber eine Gebühr fällig wird – je nach Wohnung über 200 Euro.

Die jedoch, so Anwalt Garchow, sei nichtig: „Der Vermittler darf das Provisions-Annahmeverbot nicht umgehen, indem er eine Bearbeitungsgebühr fordert“, sagt er. Vereinbarungen dieser Art seien als „versteckte Maklergebühr“ unwirksam, Mieter könnten die Gebühr zurückfordern.

Jens-Ulrich Kießling, geschäftsführender Gesellschafter bei Wentzel, sieht kein Problem: Zu einer Vertragsausfertigungsgebühr gebe es keine höchstrichterliche Entscheidung. Da Wentzel keine Courtage nehme, hätten Mieter außer der Gebühr keine Kosten. „Wir meinen, dass dieses seit Jahrzehnten geübte Verfahren im Interesse der suchenden Mietinteressenten ist.“

Knappheit durch Regulierung?

Ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu haben ist für den Einzelnen ungleich wichtiger als der Konsum anderer Güter. Aus dieser Erkenntnis heraus greift der Staat in den Markt ein. „Der deutsche Immobilienmarkt ist in vielen Bereichen stark reguliert. So unterliegt die Durchführung von Mieterhöhungen streng regulierten Prozessen, und die Höhe orientiert sich stets an ortsüblichen Vergleichsmieten“, kommentiert Analyst Möbert. Mieten könnten daher den Marktpreisen nur „mit einigem zeitlichen Abstand“ folgen.

So lohnte sich Bauen über Jahre nicht. „Investoren bekommen im Neubau zu viele Auflagen: Sie sollen die soziale Infrastruktur fördern und Kindergärten bauen; sie sollen ökologisch bauen und die Miete begrenzen“, sagt Reiner Braun, beim Beratungsunternehmen Empirica zuständig für Wohnungsmarktprognosen. Die Preise für Wohnimmobilien seien – ohne die Inflation zu berücksichtigen – von 1999 bis 2005 um rund acht Prozent gefallen und hätten dann bis 2009 stagniert, schreibt Deutsche Bank Research. Erst „dank der Preisanstiege in den letzten beiden Jahren konnten Investoren seit 1999 zumindest ihr nominelles Kapital erhalten“.

Hinzu kommt, dass Städteplanung eine staatliche Aufgabe ist, nur die Kommunen können neues Bauland ausweisen. Jahrelang haben die Städte immer weniger Baugenehmigungen vergeben – auch weil es zu wenig Nachfrage nach Bauland gab. Erst seit Kurzem dreht der Trend, befeuert von niedrigen Zinsen, steigenden Mieten, Inflationsängsten und Mangel an Anlagealternativen: Immobilien werden für Versicherer attraktiver, weil deren Mietrenditen heute über den Renditen sicherer Staatsanleihen liegen. Bis sich die Lage am Markt entspannt, dürfte es aber noch Jahre dauern. „Man kann gar nicht so schnell bauen, wie die Nachfrage in den Zentren zunimmt“, sagt Immobilienökonom Ralph Henger vom IW Köln.

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