Immobilien und die EnEV 2016 Was Sie die neuen Dämmvorschriften kosten

Die Energie-Einsparverordnung (EnEV) zündet 2016 ihre nächste Stufe: Bei Neubauten und maßgebliche Baumaßnahmen steigen die energetischen Anforderungen deutlich. Was auf Bauherren und Hausbesitzer zukommt.

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Quelle: Fotolia

Die Flüchtlingskrise beschäftigte auch die Bauministerkonferenz in Dresden. Denn um die dauerhaft hier Lebenden unterzubringen, muss – das war allen klar - zügig günstiger Wohnraum geschaffen werden. Auf dem seit Jahren boomenden Immobilien- und knappen Wohnungsmarkt in Deutschland keine leichte Aufgabe. Und deshalb kamen Interessenvertreter der Wohnungswirtschaft schon im Vorfeld der Konferenz auf die Idee, die Bauvorschriften zu lockern und insbesondere auch die Verschärfung der energetischen Standards im Wohnungsbau durch die Energie-Einsparverordnung (EnEV) auszusetzen – in der Hoffnung, das würde den Wohnungsneubau ankurbeln.

Die Bauminister der Länder erteilten diesen Forderungen zur Freude von Klimaschützern und Umweltverbänden jedoch ein klare Absage: Die nächste Stufe der EnEV soll wie geplant kommen – und damit eine weitere Senkung des Energiebedarfs neugebauter Wohnhäuser um 25 Prozent bei der Anlagentechnik und eine um 20 Prozent verbesserte Wärmedämmung des Gebäudes.

Kleiner Hoffnungsschimmer für Dämmgegner: Die Bauminister der Länder sind sich einig, dass eine Neukonzeption von EnEV und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz nötig seien. „Wir sehen an dieser Stelle wirklich Handlungsbedarf“, sagte Markus Ulbig, Bauminister von Sachsen auf der Konferenz. „Stückwerk“ solle es aber nicht gegen, weshalb eine Fachgruppe von Bund und Ländern Vorschläge erarbeiten und einer Sonderkonferenz der Bauminister Mitte nächsten Jahres vorlegen soll.

Alte Heizkessel raus und dickere Wärmedämmung
Dickere Dämmung, bessere HeiztechnikFür Neubauten gilt mit der nächsten Stufe der EnEV, die ab dem 1. Januar 2016 greift, eine erneute Erhöhung der energetischen Anforderungen. So muss der Primärenergiebedarf der Anlagentechnik in Neubauten gegenüber den Grenzwerten der EnEV 2015 nochmals um 25 Prozent sinken, die Wärmeverluste der Gebäudehülle sind nochmals um rund 20 Prozent zu senken. Grundsätzlich ist dabei egal, durch welche Materialien und Technologien die Einsparung erzielt wird. Konkret müssen Bauteile mit einem niedrigeren Wärmeleitkoeffizienten verbaut werden, die Heizungstechnik benötigt in der Regel die Unterstützung durch regenerative Energiequellen, etwa durch eine Solaranlage zur Warmwassererzeugung. Bestandgebäude sind von den strengeren Vorschriften ausgenommen. Quelle: dpa
Ein Mann bringt Dämmplatten an Quelle: dpa
Haus und Mann vor Heizkessel Quelle: dpa Picture-Alliance
Symbolbild zu Immobilienanzeigen Quelle: obs
Jemand stellt die Temperatur an einer Heizung ein Quelle: dpa
Wasserzähler Quelle: dpa
Eine Frau vor einem Kaminofen Quelle: dpa Picture-Alliance

Was die EnEV ab 2016 fordert

Bei der Verschärfung der EnEV handelt es sich nicht um eine Neufassung, sondern um die planmäßige Umsetzung der EnEV aus dem Jahr 2014, die eine höhere Energieersparnis in Wohnneubauten ab dem 1. Januar 2016 vorsieht. Betroffen sind lediglich Neubauten. Wer am 1. Januar 2016 oder danach eine Baugenehmigung beantragt oder einen Neubau anzeigt, muss diese Höchstgrenzen für den Energiebedarf einhalten. Bei Bestandsgebäuden sollen die höheren Auflagen auch bei umfassende Sanierungs- und Modernisierungsvorhaben an bestehenden Gebäuden nicht gelten, sondern es bleibt bei den Auflagen der EnEV 2014 ohne die verschärften Auflagen.

Ist eine Baumaßnahme nicht genehmigungspflichtig, sind bei Baubeginn ab dem Neujahrstag 2016 ebenfalls die Vorschriften der EnEV zu beachten. Bei einem laufenden Genehmigungsverfahren über den Jahreswechsel gelten die strengeren Regeln nur, wenn der Bauherr dies explizit wünscht, etwa um zu dokumentieren, dass er die EnEV-Standards von 2016 eingehalten hat.

Staatlicher Zuschuss zur Energieberatung

Im Einzelnen sieht die EnEV ab dem kommenden Jahr folgendes vor:

1. Primärenergiebedarf um ein Viertel senken

Der Energiebedarf aus nicht-regenerativen Energiequellen für Heizung, Warmwasser und Lüftung eines Wohngebäudes errechnet sich seit der EnEV 2014 anhand eines Referenzhauses, für das die Wärmedurchgangkoeffizienten der Bauteile, Anlagentechnik für Heizung und Warmwasserbereitung, Luftdichtheit oder Sonnenschutz genauer spezifiziert sind. Anhand dieser Spezifikationen kalkuliert der Bauplaner den Primärenergiebedarf eines virtuellen Referenzhauses mit identischer Quadratmeterzahl, Gebäudeform, Außenmaßen und Ausrichtung wie vom Bauherren gewünscht. Vom Energiebedarf des Referenzhauses muss der Planer dann ab 2016 ein Viertel abziehen, das heißt, er rechnet mit dem Faktor 0,75. Diesen Maximalwert darf der Neubau dann nicht mehr überschreiten.

Zusatzkosten für dickere Wärmedämmung der Immobilien

2. Wärmeschutz der Gebäudehülle

Fassade, Dach, Fenster und Bodenplatte eines Hauses sollten in der kalten Jahreszeit so wenig Wärme wie möglich nach außen entweichen lassen und dürfen auch nicht zu viel Hitze hereinlassen. Sonst muss viel geheizt oder im Sommer gekühlt werden, um den nötigen Wohnkomfort herzustellen. Die EnEV-Höchstwerte für 2016 schreiben vor, dass der Wärmeschutz der Gebäudehülle – also der oben genannten Gebäudeteile – gegenüber den Richtwerten von 2014 nochmals um 20 Prozent verbessert werden muss.

Auch hier gilt als Maßstab der Transmissionswärmeverlust des Referenzhauses, sowie der laut EnEV vorgegebene Höchstwert je nach Haustyp – etwa freistehend, einseitig angebaut. Entscheidend für den Bauherren ist der jeweilige Wärmedurchgangskoeffizent der Bauteile, auch U-Wert genannt. Je niedriger der U-Wert, umso weniger Wärme lässt das Bauteil nach außen entweichen.

Musterrechnung: Hier lohnt sich die Sanierung

Was die EnEV Bauherren und Haussanierer zusätzlich kostet

In dieser Form sind die neuen Vorschriften schon seit zwei Jahren Hauseigentümern, Vermietern und der Bauwirtschaft bekannt. Sie einzuhalten, gelingt etwa durch den Bau eines KfW-Effizienzhauses 70. Die Flüchtlingskrise bot nun einigen Verbänden und Interessengruppen die Hoffnung, den verschärften Auflagen zu entgehen. Ihr Argument: Die Auflagen trieben die Baukosten in die Höhe und trügen so dazu bei, dass zu wenig Wohnraum entstünde. Die ohnehin schon angespannte Situation am Wohnungsmarkt würde so unnötig verschlimmert.

Der Streit der EnEV-Gegner und -Befürworter entzündete sich vorrangig an der Frage, ob die Baukosten durch die Energiespar-Anforderungen tatsächlich signifikant steigen. Dazu gibt es allerlei Berechnungen und Prognosen von Umweltverbänden, Bau- und Immobilienwirtschaft sowie von der Bundesregierung selbst.

Musterrechnung: Hier lohnt sich die Sanierung nicht

Die Bundesregierung geht etwa nach Berechnungen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) davon aus, dass die Einführung der EnEV 2014 zu Mehrkosten bei Wohngebäuden von durchschnittlich 1,7 Prozent führt, die nicht durch Energieeinsparungen und Mietumlage gedeckt sind. Durch die Verschärfung der EnEV mit Beginn des Jahres 2016 würde der Mehraufwand nochmals um rund zwei Prozent steigen. Unter dem Strich stiegen die Kosten im Wohnungsbau also um etwas mehr als 3,7 Prozent.

Das Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) schätzt hingegen die Mehrkosten beim Neubau eines KfW-70-Effizienzhauses auf 75 Euro pro Quadratmeter für ein Mehrfamilienhaus. Bei durchschnittlichen Baukosten von 3080 Euro je Quadratmeter wäre das ein Plus von 2,5 Prozent gegenüber einem EnEV-2014 konformen Gebäude.

Einige Vertreter der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft schätzen den Mehraufwand hingegen eher auf sieben bis acht Prozent, einzelne Stimmen sprechen sogar von bis zu zehn Prozent. Laut Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen aus Kiel (Arge) basierend auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, sind die Kosten für den Wohnungsneubau seit dem Jahr 2000 um knapp 40 Prozent gestiegen. Davon sollen etwa neun Prozentpunkte auf das Konto verschärfter Energieeinsparvorschriften gehen. Durch die EnEV-Grenzwerte für 2016 und das Erneuerbare EnergienWärmeGesetz rechnet die Arge mit einer weiteren Steigerung um neun Prozentpunkte. Bereits mit der EnEV 2014 sei das Ende der wirtschaftlichen Vertretbarkeit erreicht worden, kritisiert die Arge.

Dem widersprechen unter anderem der Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE) – ein Zusammenschluss unter anderem von mehr als 5000 Unternehmen aus der Energiebranche - und die Dämmstofflobby vehement. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die deutlich gestiegenen Baukosten der vergangenen Jahre im Wesentlichen auf das Konto von Immobilienspekulanten gegangen seien. BEE-Geschäftsführer Hermann Falk argumentiert, die höhere Anforderungen der EnEV an die Energieeffizienz von Neubauten machten nur einen sehr geringen Teil aus, trügen aber durch verstärkte Nutzung von Bioenergie, Geothermie, Solarenergie und Umweltwärme zusammen mit höheren Energiestandards zu einer erheblichen Reduktion des Energiebedarfs und der Treibhausgasemissionen bei.

Tatsächlich sind die Mehrkosten auch nach Zahlen der Bundesregierung kaum durch die Energieersparnis wieder hereinzuholen – jedenfalls nicht bei Wohngebäuden. Das zeigen auch Gutachten, die das Bundesbauministerium in Auftrag gegeben hat.

Finanzieller Mehraufwand zahlt sich nicht aus

Die Schätzungen der Regierung basieren nämlich auf einem Wirtschaftlichkeitsgutachten zur Fortschreibung der Energieeinsparverordnung durch das Bundesbauministerium. Dabei wurden unterschiedliche Varianten in der Anlagentechnik (Brennwertheizung mit Solarunterstützung für Warmwasser, Wärmepumpen und Pelletheizungen) für insgesamt 14 Gebäudetypen vom Bungalow bis zum Single-Apartment auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht. Dass sich der finanzielle Mehraufwand hinsichtlich der Anforderungen an den Primärenergiebedarf und Wärmeschutz innerhalb von 20 Jahren vollständig amortisiert, ist demnach eher die Ausnahme als die Regel.

Es gibt jedoch auch Kombinationen aus Gebäudetyp und Anlagentechnik, die sich quasi sofort rechnen. Bei Wohngebäuden liegen die Amortisationszeiten hinsichtlich der Wärmedämmung der Gebäudehülle laut Gutachten im Durchschnitt bei 29 Jahren. Feinschmecker finden die Studie unter Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung.

Die Untersuchung zeigt eines deutlich: Die Effektivität und Wirtschaftlichkeit beim Einsatz energiesparender Bautechnik ist vom Einzelfall und diversen Annahmen über die Entwicklung der Preise für Energie, Dämmstoffe und Anlagentechnik sowie von der Zinsentwicklung auf der Finanzierungsseite abhängig. Und das Gutachten fördert eine weitere Erkenntnis zutage: Bei Nichtwohngebäuden wie Schulen, Büros oder Hallen amortisiert sich der Mehraufwand nach EnEV deutlich schneller: oftmals sofort und spätestens nach zehn Jahren.

Wer es mit dem Klimaschutz bei Wohngebäuden ernst meint, muss also mehr Geld in die Hand nehmen und holt dieses unter Umständen auch nicht mehr in einer vertretbaren Zeit rein. Doch wenn jetzt – wegen der Wohnungsknappheit in vielen Städten und den gestiegenen Wohnraumbedarf durch hier dauerhaft lebende Flüchtlinge – die Chance verpasst wird, zumindest im Neubau von Wohnungen gleich hohe Maßstäbe an die Energieersparnis anzulegen, wird diese auf Jahrzehnte nicht wieder bekommen. Denn sicher ist es effizienter, beim Wohnungsneubau den Energiebedarf zu senken als durch eine Sanierung alter Gebäude.

Die Sanierung lohnt sich vor allem dann, wenn ohnehin Gebäudeteile erneuert werden müssen. Die energetisch bedingten Mehrkosten für Wärmedämmung und neue Heizung halten sich dann im Rahmen. Und der zusätzliche Aufwand für eine um fünf oder zehn Zentimeter dickere Dämmung die es braucht, um die auch strengeren Vorschriften der EnEV 2016 - noch sind sie freiwillig - einzuhalten, fällt dann weniger stark ins Gewicht. Wichtiger für die Dämmkosten pro Quadratmeter sind etwa die Gesamtfläche der zu dämmenden Bauteile, die Zugänglichkeit je nach Gebäudetyp und die Gebäudegröße. Das Umweltinstitut München schätzt etwa, dass die Zusatzkosten zwischen 80 Euro pro Quadratmeter bei ohnehin fälligem Fassadenanstrich, und 150 Euro pro Quadratmeter inklusive Gerüst bei kleinen Häusern liegen - unabhängig davon, ob das Dämmmaterial 10, 15 oder 20 Zentimeter dick ist. Unter dem Strich ist das für jedes Haus anders zu berechnen – am besten mit professioneller Hilfe durch einen Energieberater.

Dass sich eine Wärmedämmung bezahlt machen kann, hat nicht zuletzt die WirtschaftsWoche an Beispielfällen nachgewiesen. Allerdings ist es bei der Wärmedämmung wie bei vielen Optimierungsverfahren: Der Grenznutzen nimmt ab. Um das letzte Prozent herauszuholen ist ein überproportionaler Aufwand nötig.

Im Klartext heißt das: Die ersten zehn Zentimeter Dämmung bringen am meisten, die letzten zehn Zentimeter im Vergleich dazu wenig. Ob sich die Wärmedämmung im Verhältnis zu den Kosten lohnt, zeigt sich daher immer erst am konkreten Objekt.

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