Immobilien Wenn der Traum vom eigenen Heim platzt

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Es wird teurer

Rolf Tilmes, Professor für Private Finance & Wealth Management an der European Business School in Oestrich-Winkel und unabhängiger Finanzplaner, nimmt diese Rechnungen schon von Berufs wegen unter die Lupe. Und wurde so zum Wertzuwachs-Skeptiker, der sich als Privatmann anschließend zur Miete eines Hauses entschied: „Noch dazu bin ich froh über meine Flexibilität, den Mietvertrag kündigen zu können, gegenüber der Vorstellung auf einer zum nötigen Zeitpunkt schwer verkäuflichen Immobilie zu sitzen.“

Wer sich wundert, dass die Kreditwirtschaft bei der Renditefrage zu anderen Ergebnissen kommt: Die lassen sich wunderbar nach Gusto herbeirechnen. Die Verkäufer setzen die Inflationsrate und den Wertzuwachs zu hoch an und schon schraubt sich die Rendite in den Himmel.

Tilmes kritisiert die Banken: „Sie beschäftigen sich zudem oft weder mit der Lebensplanung ihrer Kunden, noch verkaufen sie ihm das günstigste Darlehen, sondern oft eines aus ihrer Kreditfabrik.“

Aber auch die Immobilienkäufer sind oft blauäugig: „Viele scheuen die Kosten eines neutralen Gutachters. Dabei könnten sie sich mit seiner Hilfe oft viel Ärger und weit höhere Kosten ersparen“, so Tilmes.

Der Finanzexperte hat drei Szenarien für eine Frankfurter Jugendstil-Wohnung, ein Haus in begehrter Taunuslage und ein Haus im Westerwald unter realistischen Annahmen nachgerechnet. Sein Ergebnis: Der Mieter steht sich im hohen Alter besser.

Sehr detaillierte Angaben einschließlich der dazu gehörenden Liquiditätsrechnungen für das freie Kapital des Mieters und das nach der Tilgung frei werdende Kapital des Käufers sowie nützliche Checklisten etwa zu Erwerbsnebenkosten finden Sie unter www.wiwo.de/bauen-wohnen.

Klarer Fall: Diesen Musterrechnungen liegt ein disziplinierter Mieter zugrunde, der das ersparte Geld erstens postwendend und dauerhaft in eine Geldanlage investiert und zweitens sich nicht nach Lust und Laune an ihr bedient.

Menetekel Hypothekenzins. Das ist die entscheidende Frage für Kreditnehmer: Steigt er – also schnell zugreifen? Sinkt er – also abwarten? Oder stagniert er – also in Ruhe nach einer Immobilie weitersuchen? Antwort: Er steigt gerade. Perspektive: Er könnte noch weiter steigen, die steigenden Inflationsraten treiben die Zinsen auch für Baukredite.

Rund fünf Prozent an Hypothekenzins verlangt der günstigste Anbieter derzeit, 1994 waren es noch mehr als acht Prozent.

Emotional, nicht kalkuliert

Egal, wie sich der Zins bewegt, Stephan Gawarecki merkt sofort, dass Immobilieninteressenten nervös werden. Er ist Vorstand der Kreditvermittlers Dr. Klein, der auf einem erfolgreichen Internet-Portal Hypothekendarlehen von mehr als 60 Anbietern an Kaufwillige vermittelt. Gawarecki sieht: „Sobald der Zins nach oben oder unten ausschlägt, steigt nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Abschlussbereitschaft.“

Trotzdem werden die Kunden anspruchsvoller. „Sie sind weit besser über aktuelle Konditionen informiert als noch vor zehn Jahren. Dafür ist nicht mehr der günstigste Zins automatisch der beste, sondern vielen ist die Sicherheit einer Zinsgarantie und die Flexibilität zum Beispiel durch Sondertilgungen wichtiger.“ Das gilt auch für den Ausschluss eines Weiterverkaufs ihres Kredits oder die Option einer günstigen Anschlussfinanzierung.

Das lassen sich weitsichtige Bauherren etwas kosten, denn wie man an der Hanauer Dachterrassenwohnung sieht, führen schon 0,5 Prozent hinterm Komma beim Kreditzins zu fünfstelligen Mehrkosten. Also gilt es, das günstigste oder aber ein günstiges unter den flexiblen Angeboten zu finden.

So groß, wie man glaubt, ist die Konkurrenz der Internet-Plattformen untereinander gar nicht. Man kooperiert hinter den Kulissen, und so stellt Dr. Klein auch die Angebote zum Beispiel der ING-Diba ein. Das Geschäftsmodell dahinter: Der Betreiber der Plattform verdient seine Provision an den tatsächlich abgeschlossenen Verträgen – das betrifft etwa 40 von 100 Anfragen.

Da ein Immobilienkauf immer komplexe Fragen aufwirft, kommt oft die eigene Hausbank als ernst zu nehmende Anbieterin wieder ins Spiel.

Doch Vorsicht: Realistische Angaben zum Kreditzins und allen Kosten bekommt erst, wer bereit ist, seine finanzielle Lage im Detail zu schildern. Am Ende hängt der Kreditzins eben an der persönlichen Bonität, auch an der Frage, ob der Kreditsuchende selbstständig (bei manchen Anbietern ein Malus) oder angestellt ist. Vermeintlich tolle, als Lockangebote eingestellte Kreditkonditionen wandern dann kaum ausgedruckt in den Papierkorb.

Egal wie finanziert, am Ende ist der Kauf einer Immobilie häufig eine emotionale Entscheidung. Sein Haus nach eigenen Wünschen gestalten zu können, Geborgenheit für eine Familie, Erbmasse für die Kinder oder die Zuflucht, die einem niemand mehr nehmen kann – die Erwartungen sind groß.

Auch Architekt Michael Dahmen erlebt es bei seinen Bauherren immer wieder: „Jeder kalkuliert die Rentabilität anders. Aber fast alle machen im Stillen eine individuelle, emotionale Rechnung auf.“

Die Wertfrage als philosophische Betrachtung statt als mathematische.

Drei simple Fragen zum Schluss: Macht Sie dieser Immobilienkauf glücklich? Können Sie ihn sich leisten? Und können Sie sich von der Immobilie trennen und mögliche Verluste verkraften, falls das Leben neue Pläne für Sie hat?

Dann Kaufen. Aber nur dann.

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