Immobilien Wie der Fluglärm die Preise prägt

Fluglärm ist trotz des Nachtflugverbots in Frankfurts Wohnvierteln ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der Immobilienpreise. In welchem Stadtteil der Immobilienmarkt leidet, wo er profitiert.

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Ein Anwohner in Frankfurt-Sachsenhausen protestiert gegen Fluglärm Quelle: dpa

Eine Betonpiste im Süden der Stadt wirbelt den Immobilienmarkt durcheinander: Seitdem täglich Hunderte Flieger die neue Landebahn des Frankfurter Flughafens ansteuern, kocht in Stadtteilen südlich des Mains wie Sachsenhausen, Oberrad und Niederrad die Wut der Bewohner über den Fluglärm hoch. Der Gutachterausschuss für Immobilienwerte hat bereits reagiert und die Bodenrichtwerte, anhand derer sich der Wert eines Grundstücks bestimmen lässt, zwischen drei und acht Prozent gesenkt. Im südlichen Sachsenhausen, mit dem Villenviertel Lerchesberg, das landende Jumbos in einer Höhe von rund 300 Metern überfliegen, empfehlen die Gutachter jetzt einen Quadratmeterpreis von 600 Euro statt 650 Euro.

Für Neubauten im südlichen Sachsenhausen ist der durchschnittlich gezahlte Quadratmeterpreis seit Ende 2010 von etwa 4.700 Euro auf 3.800 Euro gefallen. Aber auch das sind im Bundesvergleich noch immer absolute Spitzenpreise.

Gefährliche Spekulationen

Die Landebahn ist erst seit dem 21. Oktober 2011 in Betrieb, noch wurde kaum ein Objekt verkauft. Rainer Müller-Jökel, Leiter des Stadtvermessungsamtes und stellvertretender Vorsitzender des Gutachterausschusses, schließt allerdings weitere Wertänderungen nicht aus. Abhängig ist das beispielsweise davon, ob Flughafenbetreiber Fraport mit seinen Lärmminderungsmaßnahmen erfolgreich ist. Positiv wirkt sich zumindest das vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nachtflugverbot für die Zeit von 23 Uhr bis 5 Uhr aus. Auch die 17 Ausnahmeflüge während der Nachtstunden ließ das Gericht bis auf weiteres nicht zu, zuerst muss der Flughafenbetreiber Fraport das Planfeststellungsverfahren für die neue Landebahn nachbessern .

Käufer, die darauf spekuliert haben, das die Richter die strenge Einhaltung eines Nachtflugverbots fordern, können sich also freuen. Aber die Richter wiesen auch die Revision der Anwohner gegen den Flughafenausbau ab. Das heißt, der Flughafen darf weiter wachsen. Die Hauspreise in der Flugzone sind zudem keine Schnäppchen, also für riskante Wetten kaum geeignet.

Investitionsstau drückt die Immobilienwerte

Viele der Villenbewohner am Lerchesberg und in Sachsenhausen hätten zudem häufig falsche Preisvorstellungen, sagt der Architekt Thomas Dreesen von der Frankfurter BSD-Planungsgesellschaft. Die oft älteren Bewohner haben in die aus den 70er Jahren stammenden Häuser zwischenzeitlich wenig investiert. „Teilweise haben die Gebäude den Wert Null. Käufer zahlen dann vielfach den Grundstückspreis und bauen neu“, sagt Dreesen.

Zwar wollen der Flughafenbetreiber Fraport und das Land Hessen 335 Millionen Euro zusätzlich für Lärmschutz investieren und Fraport sein Ankaufprogramm für „Lärm-Häuser“ um 70 Millionen Euro aufstocken, aber von diesen Offerten profitieren vermutlich Frankfurts Nachbarorte wie Flörsheim oder Mörfelden stärker als die Frankfurter Stadtteile. Mancher Flörsheimer bietet seine Immobilie jetzt schon zu Fantasiepreisen im Internet an, in der Hoffnung auf eine dicke Abfindung.

Luft nach oben

Der Lärm belastet allerdings künftige Bauprojekte in Sachsenhausen, wie das vom SAP-Mitgründer Dietmar Hopp am Frankfurter Wahrzeichen Henninger Turm. „Die staatlichen Auflagen für den Lärmschutz werden die Preise für Neubauten stark erhöhen“, erwartet Architekt Dreesen.

In den nördlichen Stadtteilen, die weit weg vom Flughafen allenfalls vom Straßenlärm geplagt werden, boomt hingegen der Immobilienmarkt und Luxus läuft besonders gut.

Mit allein 1600 verkauften Neubauwohnungen in 2011 liegt Frankfurt hinter München auf Platz zwei. Die Hälfte davon stammt aus der Neubau-Retorte Europaviertel zwischen Hauptbahnhof und Messe gelegen, wo im Schnitt 3.300 Euro pro Quadratmeter gezahlt wurden. Besonders gut liefen allerdings auch teure Objekte.

Luxussegment läuft gut

In den Innenstadtnahen Lagen wie Nordend, Westend und Bornheim klettern die Preise weiter. Baulücken und Hinterhöfe werden dort für teure Neubauten genutzt. Die Verkäufe von Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis zwischen 3.500 und 5.000 Euro sind gegenüber 2010 um 60 Prozent gestiegen, auf 680. Mit 130 Wohnungen ab einem Quadratmeterpreis von 5.000 Euro wurden 2011 in dem Luxussegment 35 Prozent mehr Wohnungen verkauft. Und selbst mit 10.000 Euro pro Quadratmeter fanden Wohnungen Käufer.

Aufsteiger und Absteiger im Immobilien-Ranking
Bochum Quelle: Presse
Wiesbaden Quelle: dpa
Freiburg Quelle: dpa
Halle (Saale) Quelle: GNU
Leipzig Quelle: dpa
Nürnberg Quelle: dpa
Krefeld Quelle: GNU

Und obwohl auch die Banker und Berater bei Bonis kurzgehalten werden, sind noch immer viele auf der Suche nach Immobilienbesitz. Dreesen, der für internationale Projekte viel unterwegs ist, sieht im Vergleich mit europäischen oder internationalen Großstädten auch für Frankfurt noch Luft nach oben. „Preise um 4.000 Euro pro Quadratmeter sind für Großstädte durchaus üblich.“ Wer aktuell im Europaviertel oder im nördlichen Stadtteil Riedberg für weniger Geld kauft, kann langfristig vielleicht doch mit einer Wertsteigerung rechnen. Zudem weichen Käufer inzwischen auch in Stadtteile wie Ginnheim oder Bockenheim aus, weil ihnen zentrumsnähere Lagen zu teuer wurden.

Derzeit profitieren ruhigere Viertel vielleicht noch von der Flucht aus Sachsenhausen, längerfristig allerdings wird die Stadt unter schlechter Luft und dem Dreck leiden, den der gestiegene Flugverkehr hinterlässt. Nicht nur für den Wochenendausflug zieht es viele nach Norden, Richtung Taunuswälder und in ruhigere Orte wie Bad Homburg – dort ist auch der Fraport-Chef und Herr über die Landebahnen, Stefan Schulte, zuhause.

Mehr zu den Immobilienmärkten einzelner Städte:

  • Hamburg: Was die Stadt zum Sieger macht

  • Berlin: Nachbarschaft hilft

  • München: Alle wollen rein

  • Dresden: Baby an Bord

  • Karlsruhe: Unheimliche Preise

  • Wuppertal: Kaum Nachfrage

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