Immobilien Zahl der Baugenehmigungen bricht ein

Die Nachfrage am deutschen Wohnungsmarkt ist ungebrochen groß. Die Preise steigen. Immobilienexperten fordern unentwegt einen stärkeren Wohnungsbau. Doch die Zahl bei den Baugenehmigungen sinkt statt zu steigen.

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Die Meinung unter Immobilienexperten ist einhellig: Wer Wohnungsnot lindern will, muss auch mehr bauen. Quelle: dpa

Frankfurt In Deutschland ist die Zahl der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr eingebrochen. Insgesamt wurde der Bau von 169.500 Wohnungen genehmigt – 7,3 Prozent weniger als noch im Vorjahr. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Der Trend zeichnete sich bereits in den ersten drei Monaten des Jahres ab und setzt sich nun fort.

Immobilienexperten reagieren alarmiert. Seit 2008 ist die Zahl der Baugenehmigungen kontinuierlich gestiegen. Im Gesamtjahr 2016 waren es sogar 22 Prozent mehr als im Vorjahr – doch nach Ansicht der Experten sind 375.388 immer noch nicht genug.

Seit Jahren wird von der Branche wie von Forschungsinstituten mehr Wohnungsbau gefordert, um den Wohnungsmangel zu lindern. Ein größeres Angebot würde auch den Preisanstieg mäßigen. Allen voran in den besonders gefragten Groß- und Schwarmstädten, also jenen urbanen Zentren, in die immer mehr Menschen ziehen, sind die Immobilienpreise in den vergangen Jahren unablässig gestiegen. In Städten wie München oder Berlin haben sie sich seit 2007 mehr als verdoppelt. Zu den Städten mit hohen Preissteigerungen zählen neben den größten Metropolen aber auch Städte wie Leipzig, Heidelberg oder Regensburg.

Genehmigt ist noch lange nicht gebaut, mahnt zudem der Wohnungswirtschaftsverband Deutschlands GdW. „Die abflauende Dynamik bei den Wohnungsbaugenehmigungen setzt das bezahlbare Wohnen in Deutschland weiter aufs Spiel. Spätestens mit Beginn der nächsten Legislaturperiode muss das Motto der neuen Bundesregierung lauten: Volle Kraft voraus für den Wohnungsbau“, fordert GdW-Chef Axel Gadeschko.

Aufgrund der zugespitzten Lage forderte jüngst Jürgen Schick, der Präsident des IVD, dem Branchenverband der Immobilienmakler, einen Immobiliengipfel im Kanzleramt. „Wohnen muss Chefsache werden. Wir brauchen in Deutschland eine Eigentumsquote von 50 Prozent und 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Insbesondere mehr bezahlbare Eigentumswohnungen und mehr bezahlbaren Mietwohnungsbau.“

Aufgrund der hohen Preise ist die Erschwinglichkeit von Wohnungen in den Städten in den vergangenen Jahren gesunken. Als Hindernis für den Immobilienerwerb werden immer wieder die hohen Nebenkosten erwähnt, die durch Maklerprovision, Grunderwerbsteuer und Notar anfallen und häufig zusätzlich zehn bis 15 Prozent des Kaufpreises verschlingen. Bei einem Wohnungspreis von 300.000 Euro würden so grob gerechnet bis zu 45.000 Euro allein an Nebenkosten fällig.

Für den Branchenverband ZIA ist gerade die Grunderwerbsteuer ein Ärgernis. „Die Senkung der Grunderwerbsteuer ist bereits die beste Eigenheimförderung. Schließlich stellen die Kaufnebenkosten eine enorme Hürde für Eigennutzer und Kapitalanleger dar“, sagt Hans Volkert Volckens, Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Steuern. Hohe Abgaben auf den Grundstückskauf verteuerten zudem Neubauimmobilien. Diese Kosten hätten nicht zuletzt Mieter zu tragen. In Nordrhein-Westfalen setzt die FDP daher auf einen Freibetrag von 500.000 Euro bei der Grunderwerbsteuer für ein Eigenheim.


Genehmigt ist noch nicht gebaut

Zumindest einen kleinen Lichtblick halten die Zahlen des Statistischen Bundesamt parat: Während die Genehmigungen insgesamt abnahmen, hat die Zahl von genehmigten Wohnungen in Häusern mit drei oder mehr Wohnungen bei 82.100 den höchsten Wert der vergangenen 20 Jahre erreicht.

In Branchenkreisen ist zudem immer wieder zu hören, dass Spekulanten gerade in Großstädten häufig mit einem Antrag auf Baugenehmigung die Preise für ihre Grundstücke erhöhen wollen. Ohnehin werden nicht alle ausgestellten Genehmigungen letztlich auch umgesetzt. Wo dies tatsächlich aber der Fall ist, beträgt die Bauzeit meist zwei bis drei Jahre. Es dauert also, bis eine genehmigte Wohnung an den Markt kommt.

Dass der Rückgang bei den Genehmigungen in diesem Jahr so drastisch ausfällt, hängt auch mit dem hohen Niveau aus dem Vorjahr zusammen. Die Zahl der Genehmigungen sei 2016 unter anderem wegen verschärfter Energiesparvorgaben, die ab dem 1. Januar 2016 in Kraft traten, so hoch gewesen. Laut dem Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) hatten zahlreiche Unternehmen ihre Baugenehmigungsanträge Ende 2015 gestellt, um noch die alten Regelungen nutzen zu können. Die verschärften Regelungen hätten die Baukosten um sieben Prozent in die Höhe getrieben. „Durch diesen Vorzieheffekt stiegen die Baugenehmigungszahlen Anfang und Mitte 2016 kurzfristig an, obwohl der tatsächliche Baubeginn für viele Projekte noch ungewiss war“, erklärt der BFW den starken Rückgang.

Ohnehin gibt die Zahl der Baugenehmigungen nur eine Vorahnung, ob die Wohnungsnot gelindert wird. Entscheidend ist letztlich, wie viele Wohnungen tatsächlich gebaut werden. Im Jahr 2016 waren das zuletzt 277.691. Der Trend geht seit einigen Jahren zwar nach oben, ist aber noch weit von den geforderten 400.000 Wohnungen entfernt.

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