Immobilienblase in Deutschland Häuser werden langsam unerschwinglich

Die Commerzbank warnt vor einer Immobilienblase in Deutschland. Doch Analysten sind sich uneinig: Wie gefährlich sind die Preisanstiege im Häusermarkt? Auf jeden Fall wird es schwieriger, die Kaufpreise zu finanzieren.

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Protest für bezahlbaren Wohnraum in Berlin: Immobilienkäufer werden zurückhaltender wegen steigender Kaufpreise. Quelle: Imago

Düsseldorf Was geschieht, wenn eine Immobilienblase platzt, wissen die Deutschen nur aus Fernsehen, Illustrierten und Zeitungen. In Spanien wurden Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben, weil sie die Kredite nicht mehr bezahlen konnten, in Irland wurden Geister-Stadtteile wieder abgerissen, weil niemand mehr Geld gab, um die Rohbauten fertig zu stellen. Das will hierzulande niemand erleben.

Deshalb wird wegen der seit vier Jahren besonders rasant steigenden Wohnungspreise und -mieten in Deutschland in schöner Regelmäßigkeit vor einer Immobilienblase gewarnt.

Die jüngste Warnung vor einer Immobilienblase kam am Freitag von der Commerzbank. „Der Immobilienboom in Deutschland nimmt immer mehr Züge einer Blase an, da sich die Häuserpreise mehr und mehr von den Fundamentalfaktoren abkoppeln“, schreiben die Analysten Ralph Solveen und Marco Wagner.

Preisexplosion in München

Wie schnell die Preise hochschießen machte eine am Donnerstag veröffentlichte Untersuchung des Immobiliendienstleisters JLL deutlich. Danach ginge es in den ersten sechs Monaten diesen Jahres in den acht Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart besonders heiß her. Besonders das teure München taugt als gutes Beispiel für eine drohe Blase: In der Stadt wuchsen die Preise für Mieten und Eigentumswohnungen am stärksten an.

Die Schuld für die Blasengefahr geben die Banker „der sehr expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), an der sich auf absehbare Zeit kaum etwas ändern wird“. Die Geldpolitik der EZB hat die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe ins Minus getrieben. Die Rendite dieser Anleihe ist ein Indikator für die Baugeldzinsen in Deutschland, die gegenwärtig auf dem niedrigsten Niveau aller Zeiten notieren.

Als Argument für „die Züge einer Blase“ führen die Experten Erfahrungen aus den USA an, die besagen, dass bei anhaltend niedrigen, kaum noch zu unterbietenden Baugeldzinsen die Preise zunächst weiter steigen, aber die Gefahr einer deutlichen Korrektur droht. Ab 2003 seien die Zinsen in den USA nicht wie zuvor weiter gesunken. Weil die Preise weiter kletterten, wurde Wohnraum immer weniger erschwinglich. Als zwei Jahre später die Zinsen wieder stiegen, nahm die Erschwinglichkeit noch weiter ab. Dramatisch wurde es dort wie auch in Spanien und Irland, als die Lehman-Pleite im Herbst 2008 eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise auslöste und immer mehr Menschen ihre Kredite nicht bedienen konnten.


Keine Schuldenexzesse wie in Spanien oder in den USA

Von einem Warnsignal vor einer Blase wird allgemein gesprochen, wenn die Preise schneller steigen als Mieten, Verbraucherpreise und die Einkommen der privaten Haushalte. Dies sei seit 2010 der Fall, stellen die Commerzbank-Analysten fest. Wenn die Wohnungsmieten mit den -preisen nicht mithalten, wie dies auch aus der JLL-Untersuchung hervorgeht, sinken die Renditen der Wohnungsinvestoren. Preise die schneller steigen als die Einkommen, reduzieren die Erschwinglichkeit.

Und eben diese abnehmende Erschwinglichkeit ist für die Commerzbank ein Hinweis auf eine Blase. „Auch wenn das Platzen einer Blase kaum zu prognostizieren ist: Es gibt zumindest Anzeichen, die auf mittlere Sicht zur Vorsicht mahnen“, schreiben die Analysten.

Positiv bewerten sie, „dass von Schuldenexzessen wie zum Beispiel in Spanien oder in den USA während der dortigen Blasen nicht die Rede sein kann“. So sei der Bestand an Wohnungsbaukrediten zwar zuletzt etwas stärker gestiegen als die Einkommen der privaten Haushalte, allerdings bei weitem nicht in dem Ausmaß wie während des Booms in den neunziger Jahren.

Dabei hatte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret vor ein paar Wochen in einem „Spiegel-Online“-Interview bereits einen Anstieg der Wohnungsbaukredite um 3,5 Prozent im vergangenen Jahr als Zeichen für eine Blase gewertet und vor einer zu lockeren Kreditvergabe gewarnt. Der Anstieg war der höchste seit zwei Jahren gewesen.

Für Michael Schick, Präsident des Maklerverbandes IVD, erschien dieser Hinweis „geradezu absurd“. Er merkte an: „Angesichts der Nullzinspolitik der EZB ist das noch lange kein Anzeichen einer lockeren Kreditvergabepraxis. Eine Zunahme um 35 Prozent wäre da vielleicht ein Krisenzeichen.“

Die Risiken würden zunehmen, wenn es in Deutschland zu einem Bauboom käme, weil dann der Preistreiber Wohnungsknappheit entfallen würde. Doch darauf deutet zurzeit nichts hin. Von Januar bis Mai wurde in Deutschland der Bau von 148.400 Wohnungen genehmigt.

Das sind zwar gut 30 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum, doch der hohe Zuwachs resultierte aus dreistelligen Genehmigungszuwächsen für Wohnheime. Auf das ganze Jahr hochgerechnet würden die Baugenehmigungen nicht einmal den auf jährlich 400.000 zusätzliche Wohnungen geschätzten Bedarf decken. Selbst wenn alle genehmigten Wohnungen zügig gebaut würden, wären sie erst in etwa zwei Jahren bezugsfertig.


Einzelne Käufer werden von steigenden Preisen abgeschreckt

Wie weit der deutsche Wohnimmobilienmarkt von einer Blase wie in Spanien und Irland entfernt ist, versuchen die Analysten des Bankhauses M.M. Warburg zu belegen: Im internationalen Vergleich seien die Preise für Wohnimmobilen seit 1990 um 157 Prozent gestiegen, in Deutschland lediglich um 39 Prozent. Dass die Kreditfinanzierungen im vergangenen Jahr zugenommen hat, beunruhigt die Analysten des Bankhauses nicht.

Die Deutschen finanzierten im internationalen Vergleich aufgrund der hohen Eigenkapitalquote deutlich konservativer. Baufinanzierungsvermittler wie Dr. Klein und Interhyp bestätigen, dass sich die Eigenkapitalquoten in der Niedrigzinsphase kaum verändert haben, dafür die Tilgungsquoten steigen und sich die Häuslebauer die niedrigen Zinsen über längere Zinsbindungslaufzeiten über größere Zeiträume als früher sichern.

Zudem hat die seit 21. März gültige Wohnimmobilienkreditrichtlinie die Nachfrage nach Baufinanzierungen sogar gedämpft. Entscheidend für die Vergabe eines Kredites ist nun, ob der Darlehensnehmer bis zur endgültigen Tilgung den Kredit aus seinem Einkommen bedienen kann. Folgt man Jürgen Wannhoff, Vizepräsident des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe, ist das neue Kreditvergaberecht nicht die einzige Kreditbremse.

Vielmehr „schreckt das Anziehen der Immobilienpreise einzelne Käufer ab“. Die Kundschaft werde vorsichtiger angesichts der Preisentwicklung. Bei den 68 Sparkassen in der Region Westfalen-Lippe sind die ausgegebenen Immobilienkredite im ersten Halbjahr um zehn Prozent geschrumpft. Andere Verbände berichten von vergleichbar rückläufigen Kreditzusagen.

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