Im Oktober ging in Schweden eine politische Erfolgsgeschichte zu Ende. Nach acht Jahren löste eine rot-grüne Regierungskoalition unter der Führung von Stefan Löfven die konservative Regierung von Frederik Reinfeldt ab.
Der Mann, der die Schweden durch die Finanzkrise manövrierte und trotz strenger Haushaltsdisziplin zu einem Wachstum von 12,6 Prozent seit der Lehman-Pleite 2008 verhalf, trat nach seiner Wahlniederlage zurück. Jetzt darf sich der Sozialdemokrat und gelernte Facharbeiter Löfven an den Problemen des Landes mit einer Minderheitsregierung abarbeiten.
Obwohl Schweden gern als Musterstaat herangezogen wird, gibt es genügend Probleme in dem Land. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei mehr als 20 Prozent, die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auf.
Und zu allem Überfluss gibt es eine gewaltige Immobilienblase, die schon beim kleinsten Anlass platzen könnte – und die völlig überschuldeten privaten Haushalte, Banken und die skandinavischen Nachbarländer aufgrund der engen Wirtschaftsbeziehungen in den Abgrund zu reißen vermag.
Die Folgen der Immobilienkrisen ausgewählter Länder
Rückgang der Immobilienpreise: -21.5%
Hypothekenausfälle 2013: 1.3%
Faule Kredite: 30%
Quelle: CPB Netherland Bureau for Economic Policy Analysis
Stand: Juni 2014
Rückgang der Immobilienpreise: -20.1%
Hypothekenausfälle 2013: 0,3%
Faule Kredite: keine Angabe
Rückgang der Immobilienpreise: -48.9%
Hypothekenausfälle 2013: 12.3%
Faule Kredite: 52%
Rückgang der Immobilienpreise: -30.1%
Hypothekenausfälle 2013: 5,2%
Faule Kredite: 20%
Rückgang der Immobilienpreise: -13.5%
Hypothekenausfälle 2013: 1,3%
Faule Kredite: 1,6 bis 6,4%
Rückgang der Immobilienpreise: -18.1%
Hypothekenausfälle 2013: 9.3%
Faule Kredite: 13%
Wohnungspreise in zehn Jahren verdreifacht
Seit dem Ende der Neunzigerjahre wachsen die Immobilienpreise in dem Land mit 9,6 Millionen Einwohnern so schnell wie in kaum einem anderen Staat der Erde. Verantwortlich sind vor allem die seit Jahren sinkenden Zinsen, die Hypotheken zunehmend billig machen, sowie das viel zu knappe Wohnungsangebot. Beide Faktoren haben dafür gesorgt, dass sich die Häuserpreise in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt haben, Eigentumswohnungen sind im gleichen Zeitraum sogar dreimal so teuer geworden.
Einen moderaten Rückgang gab es lediglich in den eineinhalb Jahren nach Ausbruch der globalen Finanzkrise im Herbst 2008 sowie deren erneutem Aufflammen im Jahr 2011. Anders als bei den geplatzten Immobilienblasen in USA oder den Niederlanden ging es schnell wieder aufwärts. 2010 stiegen die Häuserpreise wieder um zehn Prozent, in den vergangenen drei Jahren lag das Plus bei fünf Prozent jährlich.
Eigentumswohnungen wurden im vergangenen Jahr sogar sieben Prozent teurer, im Ballungsgebiet Stockholm stiegen sie zwischen neun und elf Prozent. Das Fatale: An derartige Steigerungsraten haben sich Hauskäufer und die finanzierenden Banken in Schweden längst gewöhnt und verlassen sich darauf.
Diese Erfahrung machte auch Gunnar Lind*. 2008 erwarb er ein 60 Quadratmeter großes Zwei-Zimmer-Apartment in Stockholm. Beim Bau im Jahr 1985 kostete sie nur 60.000 schwedische Kronen, umgerechnet 6480 Euro. Heute ist die Wohnung rund 1,8 Millionen Kronen wert, umgerechnet 194.000 Euro. Der Wert der Wohnung ist auf das Dreißigfache gestiegen. Und das, obwohl 1993 schon einmal eine Immobilienblase in Schweden platzte und taumelnde Banken in der Folge verstaatlicht werden mussten.
Als Lind vor sieben Jahren von Deutschland nach Schweden zog und auf Wohnungssuche ging, hatte er keine Chance auf eine Mietwohnung. Also tat er, was die meisten Schweden in dieser Situation tun: Er finanzierte eine Eigentumswohnung.
Einen Kredit für den Immobilienerwerb zu bekommen, ist in Schweden kein Problem. Ein Kreditvolumen von 100 Prozent des Kaufpreises ist weit verbreitet. "Eine Tilgung wollte meine Bank auch nicht. Die Banken sind nur an den Zinseinnahmen interessiert“, erklärt Lind. Banken würden sogar von Tilgungen abraten, erzählt er.
Für die schwedischen Hypothekenbanken ist die Immobilienblase ein gutes Geschäft. Sie werben aggressiv für ihre Darlehen und sind bei der Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmer nicht gerade empfindlich. Die im Wert steigende Immobilie genügt ihnen als Sicherheit.
Die Folge: Schwedens Privathaushalte sind mit insgesamt 175 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens im europäischen Vergleich sehr hoch verschuldet. Zum Vergleich: In Deutschland liegt dieser Wert bei 86 Prozent.
Eine Studie der schwedischen Zentralbank vom Mai 2014 besagt, dass die privaten Hypothekenschulden mittlerweile im Durchschnitt das 3,7-fache des jährlichen Haushaltseinkommens erreichen. Bei Haushalten mit sehr niedrigem Einkommen übersteigen die Schulden gar das Vierfache des Einkommens. 95 Prozent der Schulden dienen der Immobilienfinanzierung.
Schulden erst in 100 Jahren getilgt
Nur 60 Prozent der verschuldeten Haushalte zahlen ihre Kredit überhaupt zurück – allerdings langsam. Die meisten werden eine Tilgung zu Lebzeiten nicht schaffen. Die durchschnittliche Rückzahlungsdauer liegt bei 100 Jahren.
Die Zentralbank hat sich die Verschuldung von rund vier Millionen erwachsenen Schweden genauer angesehen. 15 Prozent dieser Haushalte reduzieren ihre Schulden überhaupt nicht. Noch schlimmer: 25 Prozent erhöhen ihre Schulden von Jahr zu Jahr.
Immobilienpreise in Europa
Nachfolgend die 15 teuersten Länder in Bezug auf den Immobilienpreis in Euro pro Quadratmeter. Die Preisangaben speisen sich aus Immobilienanzeigen für hochwertig ausgestattete Wohnungen mit ca. 120 Quadratmetern Wohnfläche in zentralen Lagen der Großstädte. Ausgelassen wurden die Zwergenstaaten Andorra (3868 Euro pro Quadratmeter), Luxembourg (5669 Euro) und Monaco, (44.552 Euro).
Quelle: globalpropertyguide.com
Durchschnittlicher Preis: 2855 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 3384 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 3442 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 4078 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 4156 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 4279 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 4907 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 5009 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 5930 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 6214 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 6991 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 11.306 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 11.866 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 13.639 Euro pro Quadratmeter
Durchschnittlicher Preis: 3442 Euro pro Quadratmeter
Weil die Immobilienbanken gern auch 120 Prozent der Kaufpreise für Wohnungen und Häuser finanziert haben, war oft auch noch der Urlaub, das Ferienhaus oder das neue Auto mit der Hypothekenfinanzierung drin. Steigt die Immobilie im Wert, kann der Kredit erweitert werden. Was die private Verschuldung angeht, sitzt Schweden auf einem Pulverfass.
„An die Form der Immobilienfinanzierung musste ich mich erst gewöhnen“, erinnert sich Lind. In Schweden sind Hypothekenkredite mit variabler Verzinsung vollkommen normal. Mehr als zwei Drittel der Schweden nutzen diese Kreditform. Dass Lind damals für das Darlehen eine Zinsfestschreibung für fünf Jahre vereinbarte, sorgte bei seinen Kollegen für Schmunzeln. So etwas mache niemand, erklärten sie ihm.
Verführerische Niedrigzinsen
Als Lind seine Wohnung finanzierte, kletterte der Zinssatz noch von Woche zu Woche. Die Zinsanpassungen zieren regelmäßig die Titelseiten der Tageszeitungen, Stammtischgespräche drehen sich um die aktuelle Zinshöhe. 2008 lag er noch bei mehr als sechs Prozent. Aber die lange Phase fallender Zinsen nach Ausbruch der weltweiten Finanzkrise und eine schwelende Deflation haben ihn inzwischen unter die Marke von zwei Prozent gedrückt.
Die Immobilienblase birgt erhebliche Gefahren. Steigt der variable Zins irgendwann wieder, dürften insbesondere junge Familien schnell mit den Monatsraten überfordert sein. Wenn diese Haushalte dann ihr Wohneigentum verkaufen müssen, fallen die Häuserpreise. Die Sicherheiten der Banken verlieren dann dramatisch an Wert, viele Haushalte auf einen Schlag technisch gesehen Insolvent – und auch den Banken droht eine Pleitewelle.
Die Schweden haben dabei offenbar ähnlich wie Dänen und Niederländer eine vollkommen andere Einstellung zum Schuldenmachen. "Es gibt einen deutlichen Mentalitätsunterschied", hat Lind beobachtet. "Die Schweden wollen gar nicht tilgen, selbst dann nicht, wenn sie hohe Ersparnisse haben. Wenn Sie eine Anschaffung planen, fragen sie die Bank nur nach den Raten. Sie sehen nur die monatlichen Kosten."
Staatlicher Mietmarkt funktioniert nicht
Wohnungsknappheit und Zinstief haben in Schweden merkwürdige Blüten getrieben. Der Mietmarkt etwa ist seit der Nachkriegszeit fest in kommunaler Hand, ein freier Markt existiert nicht. Die Städte und Gemeinden legen zudem einheitliche Mietpreise fest. Lediglich die Wartezeit bis zur Zuteilung einer Mietwohnung signalisiert, ob es sich um eine gute Wohngegend oder eine begehrte Wohnung handelt oder nicht. Allein in Stockholm sollen rund 400.000 Personen in den Warteschlangen gelistet sein, die auf eine Mietwohnung warten.
Aufgrund der massiven Landflucht sind insbesondere in den Großstädten Mietwohnungen Mangelware. In den begehrtesten Lagen Stockholms warten Mietinteressenten bis zu 30 Jahre auf eine freie Wohnung. Wer einmal die gewünschte Mietwohnung ergattert hat, gibt sie daher so schnell nicht auf. Mieter können ihr Mietrecht auch an die Kinder vererben oder über staatliche Tauschbörsen gegen andere Mietwohnungen eintauschen.
Hypothek für ein Wohnrecht
Um der Wohnungsknappheit zu begegnen, entstanden schon vor Jahrzehnten die sogenannten „Bostadsrätt“, eine Art Wohnungsgenossenschaften mit vereinsähnlichen Strukturen und ehrenamtlichen Verwaltern. Darin sind die Bewohner von Mehrfamilienwohnungen zusammengeschlossen.
Die Vereine bauen die Wohnhäuser und verkaufen anschließend Vereinsanteile, die den Mitgliedern ein dauerhaftes Wohnrecht in ihren Häusern zusichern. Streng genommen aber bleiben die Wohnungen Eigentum der Vereine. Die Vereinsanteile aber sind für die Schweden mit dem direkten Kauf einer Eigentumswohnung gleichzusetzen – und mindestens ebenso teuer. Sie können auch genauso wie Eigentumswohnungen verkauft werden. Einzige Einschränkung: eine Vermietung ist nur für maximal ein Jahr erlaubt.
Phasen der Bauzinsentwicklung von 1980 bis heute
Im Juni 1980 lagen die Zinsen für Immobilienkredite bei rund 9,5 Prozent, so dass eine Finanzierung über 200.000 Euro mit zehnjähriger Zinsbindung, einem Beleihungsauslauf von 60 Prozent und einer Tilgung von einem Prozent monatlich umgerechnet 1.750 Euro kostete. Die Belastung für ein solches Darlehen summierte sich damit binnen zehn Jahren auf rund 178.000 Euro.
Quelle: Interhyp Gruppe
Die Zeit der Wiedervereinigung war aus Kreditsicht alles andere als ein preiswertes Vergnügen. Mitte der Achtziger waren die Zinsen zwar auf rund 7,5 Prozent gefallen, Anfang der Neunziger verlangten die Banken für ein Immobiliendarlehen jedoch wieder neun Prozent und mehr. Pro Monat mussten Darlehensnehmer dementsprechend erneut rund 1.700 Euro für den besagten 200.000-Euro-Kredit aufbringen.
Zur Jahrtausendwende sind die Zinsen für Immobilienkredite und Kredite überhaupt Achterbahn gefahren. Die Internetblase hatte die Konditionen binnen kurzer Zeit extrem steigen lassen. Konnten Kreditnehmer Ende der neunziger Jahre bereits zu vier Prozent finanzieren, hatte der Aktienboom die Kreditzinsen Anfang 2000 wieder auf über sechs Prozent getrieben. Im Vergleich zu den vorangegangen Jahren waren Darlehen dennoch billig wie nie zuvor. Unser 200.000-Euro-Kredit konnte im Juni 2000 daher bereits mit einer Monatsrate von rund 1.200 Euro bedient werden. Die Kosten dafür lagen auf zehn Jahre gerechnet bei 113.000 Euro.
Die Bankenkrise und die weltweite Erlahmung der Konjunktur haben die Konditionen weiter sinken lassen. Die Zinsen bewegten sich im Juni 2010 bei rund 3,6 Prozent. Im Vergleich zu 2000 halbierte sich die Monatsrate für den beispielhaften 200.000-Euro-Kredit damit fast auf rund 770 Euro. Die Kosten über zehn Jahre hinweg beliefen sich 2010 auf nur noch rund 68.000 Euro.
Während Sparer unter der aktuellen Niedrigzinsphase leiden, dürfen sich Immobilienkäufer über beste Finanzierungsbedingungen freuen. Die Zinsen für das bekannte Immobiliendarlehen über 200.000 Euro mit der Laufzeit von 10 Jahren und einer 60-prozentigen Beleihung liegen im Juni 2014 bei rund 2,2 Prozent. Die monatliche Kreditrate kostet derzeit mit 533 Euro weniger als ein Drittel der Rate vom Juni 1980 – als rund 1.750 Euro für dasselbe Darlehen fällig waren. Und während Kreditnehmer in den achtziger Jahren allein fast die komplette Kreditsumme als Kosten kalkulieren mussten, müssen Häuslebauer heute nur noch knapp 42.000 Euro binnen zehn Jahren zahlen.
Solch ein Angebot hatte auch Gunnar Lind genutzt. Der Verein, der Linds Wohnung erbaut hatte, erstellte für die Baukosten 1985 einen Tilgungsplan über 120 Jahre. Noch heute ist die Wohnung mit Schulden in Höhe von rund 30.000 Euro belastet. Die Kosten für Zins und Tilgung werden von dem Verein mit der Nebenkostenabrechnung auf die Immobilienbesitzer umgewälzt.
Als Lund nach fünf Jahren seinen Kredit – ganz untypisch - komplett zurückzahlte, blieben im deshalb monatliche Kosten von knapp 500 Euro, die er an den Verein zu zahlen hatte. Die Immobilienschulden gibt es somit zweimal: einmal beim Verein, und einmal beim Käufer des Wohnrechts, der es finanziert. Die Banken danken es.
In den vergangenen Jahren haben sich viele neugegründete Wohnungsvereine allerdings mit zweifelhaften Buchführungsmethoden hervorgetan. Um die monatlichen Raten möglichst attraktiv zu gestalten, wählten sie für die Baukosten Abschreibungszeiträume von bis zu 1200 Jahren. Die Auswüchse am Immobilienmarkt nehmen immer skurrilere Züge an.
Steuergeschenke senken die Kreditraten
Üblich ist auch die Versteigerung der Wohnungen, was aufgrund der hohen Nachfrage regelmäßig die Immobilienpreise weiter in die Höhe treibt. Verkaufsdesigner statten die Wohnungen zu den Besichtigungsterminen mit Designermöbeln aus, um Käufer zu locken.
Verbreitet müssen Käufer das Mindestgebot um 20 Prozent überbieten, um den Zuschlag zu erhalten. Am eigenen Hausbau aber zeigen die Schweden wenig Interesse. Lieber zahlen sie für eine bestehende Immobilie einen deutlichen Aufschlag, als sich das Projekt Neubau anzutun.
Das liegt nicht nur an der Bequemlichkeit vieler Schweden, sondern auch an den enormen Steuererleichterungen für Immobilienbesitzer, die für Käufer von mindestens fünf Jahre alten Gebäuden sogar noch deutlich höher ausfallen.
Alle Immobilienkäufer in Schweden können 30 Prozent ihrer Zinsausgaben direkt von der Einkommensteuer abziehen. Die Regierung des Konservativen Reinfeldt hat den Immobilienboom sogar noch weiter angeheizt. Sie schaffte die Immobiliensteuer – ähnlich der deutschen Grundsteuer – kurzerhand ab.
Außerdem förderte sie auch noch Renovierungen mit Zuschüssen. Jeder eingetragene Immobilienbesitzer erhält jährlich einen Zuschuss von bis zu 50.000 schwedischen Kronen, umgerechnet 5400 Euro. Offiziell will Schweden damit die Schwarzarbeit im Handwerk bekämpfen. In der Praxis ist auch deshalb die Zahl der Neubauten in den vergangenen Jahren gesunken.
Zentralbank schlägt Alarm
Umgekehrt hat der Staat am lebhaften Immobilienhandel auch gut verdient. Wer seine Wohnung oder sein Haus verkauft, überweist den Finanzbehörden 22 Prozent des Gewinns aus dem Verkauf. Die Schweden nennen das „Umzugssteuer“, weil sie auch beim Wechsel in ein anderes Eigenheim anfällt. Wie auch die knappen Mietwohnungen trägt diese Steuer dazu bei, dass die schwedischen Arbeitnehmer zunehmend an Mobilität bei der Arbeitsplatzsuche einbüßen.
Mit Niedrigzinsen zum Eigenheim
Langfristige Baukredite mit festen Zinsen für zehn bis 15 Jahre gibt es derzeit oft mit einer Verzinsung von unter drei Prozent. Allerdings haben die Preise für Immobilien besonders in Großstädten in den vergangenen Jahren deutlich angezogen.
Immobilien gelten nicht als Renditeknüller. Allerdings sind sie gerade in Krisenzeiten Verbraucherexperten zufolge eine solide Geldanlage. Der Wert einer Immobilie ist vergleichsweise sicher - vorausgesetzt, Preis, Qualität und Lage stimmen. In jedem Fall sollte ein Immobilienkauf gut überlegt sein.
Hier hilft nur ein Vergleich der verschiedenen Anbieter, wobei die Auswahl an Krediten laut Stiftung Warentest derzeit besonders groß ist. Bauherren und Käufer können dafür Vergleichsrechner im Internet nutzen. Auch Verbrauchermagazine und Zeitungen liefern häufig aktuelle Zinskonditionen. Die Hausbank kann ein wichtiger Ansprechpartner sein - ist jedoch nicht immer zwingend die erste Wahl. Ein Anbietervergleich kann teils mehrere zehntausend Euro sparen.
Kredite für Häuser oder Wohnungen laufen meist über zehn, 20 oder 30 Jahre. Hierbei werden die Zinsen in aller Regel nur für einen begrenzten Zeitraum von mehreren Jahren festgelegt. Läuft diese sogenannte Zinsbindungsfrist ab, verhandeln Bank und Kunde die Verlängerung des Darlehens. Der Bauherr kann dann auch umschulden und zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Verbraucher sollten mehrere Monate vor Auslaufen der Frist neue Angebote einholen. Wegen der historisch niedrigen Zinsen gibt es derzeit auch besonders günstige Anschlusskredite.
An sich werden feste monatliche Raten vereinbart. Baukredite geben oft aber auch das Recht auf Sondertilgung, das heißt die Rückzahlung von Geld zusätzlich zu den vereinbarten Raten. Auch kann ausgehandelt werden, dass der Bauherr die Raten anpassen kann, etwa wenn sich das Einkommen verändert.
Finanzexperten sehen ein Eigenkapital von 20 bis 30 Prozent des Immobilienpreises als eine solide Basis an. Für ihre angebotenen Top-Zinsen wollen die Banken häufig allerdings 40 Prozent Eigenkapital sehen. Teils sind Banken auch bereit, den vollen Kaufpreis zu finanzieren. Dafür verlangen sie aber oft happige Risikoaufschläge beim Zins.
Bei der staatlichen Förderbank KfW gibt es Darlehen etwa für den Kauf selbstgenutzten Wohneigentums, energieeffizientes Bauen und Sanieren oder auch für altersgerechtes Wohnen. Daneben zahlt der Staat die Wohnungsbauprämie von 8,8 Prozent beim Bausparen. Auch gibt es in Form des sogenannten Wohn-Riesterns staatliche Unterstützung für den Kauf selbstgenutzter Immobilien zur Altersvorsorge.
Risiken wie diese können mit Versicherungen ganz oder zumindest teilweise abgedeckt werden. So gibt es Versicherungen gegen Berufsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Lebensversicherungen oder Restschuld-Versicherungen. Verbraucher sollten sich vor Abschluss einer Police und eines Baudarlehens gut über einen Versicherungsschutz beraten lassen. Die Stiftung Warentest rät zu Versicherungen für den Todesfall.
Längst haben auch die Politiker erkannt, dass sich in Schweden eine Immobilienblase aufbaut. Unternommen haben sie jedoch bislang nichts. Die konservative Regierung unter Reinfeldt hat das Thema gemieden und den Boom sogar noch weiter angeheizt. Wichtiger war der Regierung ein Staatshaushalt ohne Neuverschuldung angestrebt. Zuletzt brachte der es sogar auf einen kleinen Überschuss. Aber die privaten Schulden sind indessen weiter gewachsen.
Erst seit kurzem rudern die großen Hypothekenbanken zurück und gestatten Neukunden oft nur noch ein Kreditvolumen von 85 Prozent oder weniger des Kaufpreises einer Immobilie.
Löfvens neue rot-grüne Regierung will zwar Jobs und Wohnraum schaffen, aber an die halsbrecherischen Finanzierungsmethoden und allzu bereitwillige Kreditvergabe traut auch er sich bislang nicht recht ran. Den erlahmten Wohnungsneubau will er stärken, indem er die Vorschriften dafür lockert.
Er weiß, dass sich die Schweden darauf verlassen, dass der Staat die Immobilienbesitzer im Falle steigender Zinsen und fallender Immobilienpreise schützt. Zudem ist das Neubauvorhaben populär: Allein im Großraum Stockholm fehlen 122.000 Wohneinheiten – in zehn Jahren werden es schätzungsweise 400.000 sein, wenn die Regierung nicht gegensteuert.
Tilgung ist endlich Thema
Wie dringend Maßnahmen gegen die privaten Schulden sind, betonte zuletzt der Gouverneur der schwedischen Zentralbank (Riksbank) Stefan Ingves, nachdem er Ende Oktober den Leitzins überraschend auf Null gesenkt hatte, um die seit einem Jahr schwelende Deflation zu bekämpfen.
Wirtschaft und Wachstum seien zwar auf einem hohen Niveau, doch die Verschuldung der privaten Haushalte für den Immobilienerwerb müsse dringend von der Regierung angegangen werden. Ein guter Schritt wäre ihm zufolge eine obligatorische Tilgung der Kredite und eine Beschränkung der Abschreibungszeiträume. Der Bankenverband etwa schlug vor, die Tilgung von drei Vierteln der Kredite anzustreben.
Das würde vielen verschuldeten Haushalten sicher weh tun. Aber besser spät als nie.
*Name von der Redaktion geändert