Wirtschaft im Weitwinkel

Steigen mit den Krediten auch die Risiken?

Der Immobilienboom in Deutschland beschleunigt sich: Wer heute ein Haus oder eine Wohnung mietet, kann dasselbe Objekt genauso gut auch kaufen. Steigt mit dem Immobilienhunger auch das Risiko?

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Wo es bis 2030 in Deutschland noch teurer wird
Platz 15: BremenIn mehr als 80 Prozent der deutschen Großstädte haben sich die Preise für Wohnungen und Häuser in den vergangenen zehn Jahren nach oben entwickelt. Dazu hat vor allem die Urbanisierung beigetragen. Nach einer Auswertung der Postbank wird es in Bremen in Zukunft auch so weiter gehen. In den folgenden Städten wird es sogar noch teurer.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose bis 2030*: + 0,48 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen bis 2030**: + 0,21 Prozent * Annahme: Von 2015 bis 2030 migrieren 1 Million Flüchtlinge in die Bundesrepublik (Bleiberecht inkl. Familienzuzug); die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel, innerhalb der Bundesländer nach Bevölkerungsanteilen. * Prognostizierte Preisentwicklung auf Basis der angenommenen Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingszuzug; Veränderungen des Verkaufspreises in Euro pro Quadratmeter.Quelle: Postbank Quelle: dpa
Platz 14: KölnAuch in Köln werden die Preise steigen. Insgesamt werden sich in den kommenden 15 Jahren sich Städte und Regionen sehr unterschiedlich entwickeln: Weniger als die Hälfte der Städte werden noch wachsen, trotz Flüchtlingszuzug. Und: Die Bevölkerungsentwicklung einer Stadt und die Preise am Immobilienmarkt hängen eng zusammen, wie die Studie der Postbank zeigt.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 1,22 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 3,38 Prozent Quelle: dpa
Platz 13: LeipzigIn vielen Städten mildern neue Mitbürger, denen nach dem Asylverfahren ein Bleiberecht und damit eine Perspektive gewährt werden, den Bevölkerungsrückgang zumindest ab. Vor allem der Osten kann vom Zuzug durch Flüchtlinge profitieren, während er in prosperierenden Städten Engpässe auf dem Immobilienmarkt noch verstärken wird. Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 1,38 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 3,40 Prozent Quelle: dpa
Platz 12: DresdenDer Studie liegt die Annahme zugrunde, dass bis 2030 insgesamt etwa eine Million Menschen zuwandern – und der Zuzug damit etwa der Zahl der Flüchtlinge entspricht, die im Jahr 2015 ins Land kam. Die gegenwärtige Verteilung auf die Bundesländer nach dem Königsteiner Schlüssel wird fortgeschrieben, innerhalb der Länder wird eine Aufteilung auf Städte nach Bevölkerungsanteilen angenommen.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 1,57 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 4,06 Prozent Quelle: dpa
Platz 11: MünchenGrund für die erhöhte Wohnflächennachfrage in Städten wie München sind die steigende Anzahl von Haushalten, insbesondere Single-Haushalten, sowie der Wunsch nach mehr Wohnraum. „Der steigende Wohnflächenbedarf wird vor allem die Nachfrage nach Eigentumswohnungen ankurbeln“, erklärt Postbank-Experte Dieter Pfeiffenberger.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 1,58 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 4,39 Prozent Quelle: dpa
Platz 10: AaachenDie Preisstürze in den schrumpfenden Städten hingegen werden der Studie zufolge wahrscheinlich durch einen weiteren Trend abgemildert – nämlich durch die steigende Wohnflächennachfrage.Bevölkerungs-entwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 2,06 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 6,33 Prozent Quelle: dpa
Platz 9: DüsseldorfIn allen 36 untersuchten Städten sind die Immobiliengrößen pro Haushalt in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Wurde im Jahr 2005 noch auf 71,8 Quadratmetern gewohnt, sind es jetzt im Schnitt 73,3 Quadratmeter. Bis 2030 wird die Wohnflächennachfrage in drei Viertel der untersuchten Städte weiter steigen, prognostiziert die Studie.Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingsprognose: + 2,18 ProzentBevölkerungsbedingte Preisentwicklung bei Eigentumswohnungen: + 6,74 Prozent Quelle: dpa

Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt Wirkung. In den letzten Tagen wurde erstmals ein Pfandbrief mit negativer Rendite emittiert. Ein paar Tage später senkte die EZB den Leitzins auf Null und reduzierte den Einlagenzins auf Minus 0,4 Prozent. Für Investoren, die vornehmlich Anleihen im Portfolio halten, sind das keine guten Nachrichten. Der "Anlagenotstand" wird größer, die Chancen auf steigende Zinsen kleiner.

Andererseits sind die Aussichten auf anhaltend niedrige oder negative Zinsen auch ein guter Anlass, sich Gedanken über die Solidität von Immobilienfinanzierungen zu machen. Denn günstige Finanzierungen treiben nicht nur die Preise für Immobilien nach oben, sie können auch den Appetit auf günstige Kredite vergrößern. Bislang haben deutsche Immobilienfinanzierungen den Ruf, konservativ ausgestaltet zu sein. Aber trifft das noch zu oder sind schon Trends zu einer höheren Risikoneigung zu erkennen?

Stefan Bielmeier Quelle: Presse

Eigenheime mit Hypothekenzinsen zwischen einem und zwei Prozent sind trotz der in vielen Städten kräftig gestiegenen Kaufpreise weiter erschwinglich. Mehr noch: Wer heute ein Haus oder eine Wohnung mietet, kann dasselbe Objekt genauso gut auch kaufen – ohne dass seine Belastung steigt. Damit ist der Kauf eines Eigenheims inzwischen auch für weniger solvente Haushalte attraktiv. Zugleich steigt jedoch das Risiko, dass mehr Immobilienfinanzierungen auf Käufer entfallen, für die das gesamte finanzielle Risiko einer eigenen Immobilie eigentlich zu groß ist.

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Die hohen Preise in den gefragten Ballungsräumen können auch nur mit entsprechend hohen Hypotheken finanziert werden. Ob ein Käufer das für die Finanzierung notwendige Geld von seiner Bank bekommt, hängt maßgeblich von der Bonitätsprüfung ab. Anhaltspunkte für eine merkliche Lockerung bei diesen Prüfungen sind nicht bekannt.

Dennoch hat sich der Anstieg des Hypothekenvolumens sichtbar beschleunigt. Und dennoch kann aus diesen Daten bislang keine generelle Ausweitung des Risikos abgelesen werden. Das gilt sowohl für den durchschnittlichen Tilgungssatz von drei Prozent als auch für den mittleren Beleihungsauslauf von 78 Prozent. Die Durchschnittswerte sagen wenig darüber aus, ob die Zahl der „auf Kante genähten“ Finanzierungen zunimmt.

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Wie sieht es bei gewerblichen Immobilienkrediten aus? Hier war es in der Finanzmarktkrise bei Investoren und Hypothekenbanken zu erheblichen Ausfällen gekommen. Eine ganze Reihe von Instituten zog sich daraufhin aus der gewerblichen Immobilienfinanzierung zurück. Heute sorgen niedrige Anleiherenditen wieder für Rekordinvestments in gewerbliche Immobilien, seien es Mietwohnungen, Bürotürme oder Einzelhandelsobjekte.

Gefährliche Kombination

Die Kaufpreise ziehen stärker als die Mieten an und lassen auf diese Weise die Mietrenditen sinken. Für Investoren, die damit nicht zufrieden sind, bieten sich zwei Möglichkeiten: Entweder können risikoreichere Objekte, etwa in schwächeren Lagen, mit Renovierungsbedarf oder mit Leerstandsproblemen, gekauft werden. Oder der „Leverage“, also der Fremdmitteleinsatz, kann heraufgesetzt werden. Beides findet auch gegenwärtig statt. Für die hochgradig regulierten Banken sind riskantere Projekte allerdings nur eingeschränkt interessant. Aber sie können sich, wenn sie weiter am florierenden Immobilienmarkt partizipieren wollen, den sinkenden Margen und steigenden Beleihungsausläufen auch nicht entziehen.

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Allerdings dürften die Finanzierungsrisiken heute besser verkraftbar sein. Banken finanzieren bei Gewerbeobjekten nicht mehr als zwei Drittel des Wertes, sodass ein ordentlicher Verlustpuffer besteht. Zudem müssen sie höhere Eigenmittel vorhalten. Höhere Risiken können dagegen bei alternativen Kapitalgebern platziert werden, etwa auf dem wachsenden Markt für „Private Equity“. Verluste schmerzen diese Kapitalgeber zwar auch, aber sie treffen nicht die Banken. Ohnehin finanzieren viele Investoren Gewerbeimmobilien heute stärker mit Eigenkapital. Zwar kann die Anlagesumme durch Kreditaufnahme deutlich erhöht werden. Das löst aber nicht das Anlageproblem, denn die gesuchten Objekte sind in Deutschland aufgrund des hohen Investoreninteresses ohnehin schon knapp.

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Es wäre naiv zu glauben, dass der boomende deutsche Immobilienmarkt und die historisch niedrigen Zinsen nicht zu steigenden Finanzierungsrisiken führen. Die verfügbaren Informationen legen aber auch nahe, dass sich riskante Übertreibungen in der Finanzierung von Gewerbeimmobilien bislang nicht in dem Maße wie vor der Finanzmarktkrise abzeichnen.

Bei Eigenheimfinanzierungen ist das Schadenspotenzial aufgrund der moderaten Verschuldung der privaten Haushalte überschaubar. Zudem ist der Gesetzgeber dabei, die Weichen für den Einsatz makroprudenzieller Instrumente in Deutschland zu stellen, mit denen die Finanzaufsicht bei Bedarf Risikolimite wie Beleihungsobergrenzen vorgeben kann. Daraus wird deutlich, dass erstens die Sensibilität gegenüber Risiken am Immobilienmarkt zugenommen hat und zweitens beizeiten Maßnahmen ergriffen werden.

Beides ist notwendig, denn rasch steigende Immobilienpreise und zunehmende Risiken in der Finanzierung von Immobilien sind eine gefährliche Kombination. Insgesamt ist das Risiko im deutschen Immobilienmarkt also gestiegen. Jedoch ist das absolute Risikoniveau weiterhin überschaubar.

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