Immobiliengutachten „Die Party ist zu Ende“

Der „Immobilienweise“ Harald Simons warnt Wohnungskäufer: In den meisten der sieben deutschen Großstädte seien die Preise überhitzt, die Trendwende sei unausweichlich. Das gilt vor allem für eine Stadt.

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Die Attraktivität der Hauptstadt für Zuzügler aus Deutschland nimmt ab. Quelle: dpa

Berlin/Düsseldorf Seit Jahren boomen die deutschen Wohnungsmärkte: Mieter haben Mühe, eine neue Bleibe zu finden und müssen immer höhere Mieten akzeptieren; Käufern geht es nicht besser. Sich die eigenen vier Wände zu leisten wird stetig teurer, und die monatlichen Kreditraten fressen trotz der aktuell niedrigen Zinsen immer mehr vom Nettoeinkommen auf.

Auf den ersten Blick scheint auch das am Dienstag in Berlin vorgestellte Frühjahrsgutachten 2017 des „Rates der Immobilienweisen“ diesen Befund zu bestätigen. Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen seien in Deutschland seit 2010 kontinuierlich gestiegen, heißt es in dem Gutachten. „Mit 8,4 Prozent hat sich der Preisanstieg im Vergleich zum Vorjahr etwas beschleunigt.“ Gegenüber 2010 verteuerten sich die vier Wände auf der Etage – bereinigt um die Inflation – um 37 Prozent.

Auch die Wohnungsmieten legten 2016 zu: Allerdings bundesweit „nur“ um 2,6 Prozent. Auch im Langfristvergleich fällt das Plus gegenüber den Kaufpreisen deutlich geringer aus: Gegenüber 2010 müssen Mieter preisbereinigt heute 9,4 Prozent höhere Mieten zahlen.

„Seit nunmehr fünf Jahren in Folge steigen die Kaufpreise relativ stärker als die Mieten“, sagt der für die Wohnungsmärkte zuständige „Immobilienweise“ Harald Simons. Simons ist Mitglied des Vorstands des Forschungsinstituts Empirica und einer der vier Sachverständigen, die regelmäßig im Frühjahr eine Bestandsaufnahme und Prognose zum Zustand der deutschen Immobilienmärkte vorlegen.

Die sich öffnende Schere zwischen Kaufpreisen und Mieten lasse die „Sorge um eine Immobilienblase wachsen“, sagt Simons. Eine solche „Blase“ kann entstehen, wenn steigende Marktpreise nicht mehr die Folge des realen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage sind, sondern durch Spekulation verursacht werden. Ein Indiz dafür ist das Auseinanderdriften von Mieten und Kaufpreisen.

Für Deutschland insgesamt gibt Simons allerdings Entwarnung: Gemessen am Mietniveau seien die Kaufpreise landesweit um 16 Prozent überteuert, rechnet Simons vor. „Dies ist noch so gering, dass es sich mit den niedrigen Zinsen oder einem Nachholeffekt erklären lässt“, sagt der Volkswirt.

Ganz anders allerdings sieht die Situation in den sieben deutschen Metropolen aus. Dort, so schätzt Simons, sind die Wohnungspreise inzwischen erheblich überteuert: in Köln um 36 Prozent, in Frankfurt und Hamburg um 40 Prozent, in Berlin und Stuttgart um 50 Prozent und in München zahlen Käufer sogar 75 Prozent höhere Preise, als es durch die Miete gerechtfertigt wäre.

Simons warnt: „Die derzeit geforderten Kaufpreise stehen insbesondere in Berlin und München in keiner sinnvollen Relation mehr zu den Rahmenbedingungen.“ Käufer hofften offenbar darauf, dass die Mieten weiter ansteigen. Dafür sieht Simons allerdings keine Anzeichen: „Es ist aber gerade in Berlin und München – und möglicherweise auch in Hamburg – nicht mit weiter steigenden Neuvertragsmieten zu rechnen.“ Das liege vor allem daran, dass es den drei Städte nicht mehr so wie in der Vergangenheit gelingt, Zuwanderer aus ganz Deutschland anzuziehen.

In Berlin, so sein Fazit, sei deshalb sicherlich, in München wahrscheinlich mit einem Trendbruch bei den Preisen zu rechnen: „Die Party ist over, wer jetzt kommt, darf beim Aufräumen helfen.“


Baukosten müssen gesenkt werden

Der Vorschlag von Bundesbauministerin Barbara Hendricks, einen staatlichen Eigenheimzuschuss von bis zu 20.000 Euro für Familien mit einem jährlichen Haushaltseinkommen unter 70.000 Euro auszuzahlen, stößt in dem Gremium daher auf Vorbehalte. Die Maßnahmen könnte genau zu einem gegenteiligen Effekt führen, also zu einer weiteren Preissteigerung am Immobilienmarkt. Damit würde man weiter von dem Ziel abrücken, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Vorschlag setze an der falschen Stelle an.

Anstatt über das Immobilienangebot der hohen Nachfrage entgegenzuwirken und damit gleichzeitig die Preislage zu entspannen, werde die Nachfrage nach Wohnimmobilien weiter verstärkt.

Zielführend wären dagegen Maßnahmen, die die Herstellungskosten verringerten, beispielsweise durch die Verringerung oder Optimierung von Regulierungsmaßnahmen. Darüber hinaus sollten Kommunen in beliebten Städten in die Verantwortung genommen werden, eine aktivere Flächenpolitik zu betreiben, beispielsweise durch die Ausweisung neuer Flächen, schnellere Baugenehmigungen oder die Änderung der Bebauungsart. Kontraproduktiv wäre dagegen eine weitere Verschärfung des Mietrechts.

Der Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Andreas Mattner, forderte zudem ein Ende „der Grunderwerbsteuer-Rally in den Ländern“ und sprach sich abermals für eine „Erhöhung der linearen Afa “ aus - die Möglichkeiten der steuerlichen Absetzung. Dies sei „kein Subventionsungetüm“.

Als problematisch und möglicher Preistreiber erweist sich auch der vom Bundeskabinett im November 2016 verabschiedete Klimaschutzplan 2050. Dieser enthalte deutliche Mehrbelastungen für die Immobilienbranche, vor allem im Hinblick auf die Herstellungskosten von Neubauten sowie die Sanierung von Bestandsgebäuden, monieren die Gutachter und mahnen, das Wirtschaftlichkeitsgebot unbedingt zu beherzigen.

Das hört sich selbstverständlich an, ist es aber längst nicht immer: Denn steigen die Preise zu stark, können sich in Zukunft nur noch einkommensstarke Haushalte Immobilien leisten, einen Zustand, den die Experten nicht für erstrebenswert halten. Zudem werden höhere Baukosten auf die Mieten umgelegt, was die angespannte Mietpreislage weiter verschärft.

Dazu kommt, dass die Wirtschaftlichkeit von Energieeinsparmaßnahmen nur aus Gebäudesicht berücksichtigt werde, so die Kritik, nicht aber aus Sicht unterschiedlicher Nutzungsgruppen wie Eigentümern, Mietern und Vermietern. Im Klartext: nicht jede Sanierungsmaßnahme ist sinnvoll und für alle bezahlbar.

„Die Herstellungskosten wurden in der Vergangenheit immer weiter durch politische Auflagen belastet“, kritisiert Andreas Mattner, Präsident des Verbandes Zentraler Immobilen Ausschuss, kurz ZIA. In einzelnen Gebäudetypen seien die neuesten Vorschläge der Politik zur vermeintlichen Verbesserung der Ökobilanz im Gebäudesektor schon gar nicht mehr umsetzbar. „Das schärfste Umweltrecht ist nicht das beste Umweltrecht.“ Mattner forderte, gemeinsam sollten Politik und Wirtschaft herausfinden, welche Ziele umzusetzen seien.

Da ist offenbar noch einiges an Denkleistung notwendig sein. „Wir brauchen für den Wohnungsbau neue Perspektiven“, erklärt am Dienstag auch Gunther Adler, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium. Er denkt dabei vor allem an das so genannte „Urbane Gebiet“, eine neue Gebietskategorie beim Bauplanungsrecht, die es erlaubt, künftig dichter zu bauen.

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