Immobilienmarkt Europa Deutschland schlägt UK

Das Brexit-Votum zeigt Wirkung: Erstmals steckten Investoren mehr Geld in deutsche als in britische Gebäude. Asiaten traten in London kürzer und entdeckten ihre Liebe zu Immobilien Deutschland. Ob das so bleibt?

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Vor ein paar Wochen kaufte Patrizia mit dem Geld des koreanischen Konzerns Samsung in Frankfurt den Tower des Geldhauses. Quelle: dpa

Cannes Für Immobilieninvestoren kommt in Europa zuerst London und dann lange, lange nichts. Gemessen am Investitionsvolumen ist das auch so. Und deshalb lagen die Umsätze auf dem britischen Immobilieninvestmentmarkt auch immer höher als die auf dem Deutschen. Nicht nur das: Der Wert der allein in London gehandelten Gewerbegebäude lag viele Jahre höher als die Volumina der Besitzwechsel in den sieben deutschen Metropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart zusammen.

2016 war dies zum ersten Mal anders. Einer zur Immobilienmesse Mipim von der Wirtschaftsberatung PwC veröffentlichten Studie zufolge betrug das gesamte Immobilienhandelsvolumen in Deutschland im vergangenen Jahr 60,2 Milliarden Euro, in Großbritannien 59,9 Milliarden Euro. Insbesondere im zweiten Halbjahr übertrumpften die Investments in Deutschland die im Vereinigten Königreich. 34,2 Milliarden zu 26,8 Milliarden Euro bilanziert der Immobiliendienstleister BNP Paribas Real Estate den Gewerbeimmobilienumsatz der beiden Länder. „Man sieht die Auswirkungen des Brexit“, ist Reinhard Mattern, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate Investors, überzeugt. Die Gesellschaft gehört zu den großen Anbieter von Immobilienspezialfonds in Deutschland.

Vor allem asiatische Investoren suchen sich nach seiner Ansicht häufiger andere Investitionsziele. Eine Einschätzung, die Mario Caroli, persönlich haftender Gesellschafter der immobilienaffinen Privatbank Ellwanger & Geiger, teilt. „Großbritannien und vor allem London, der bisherige Lieblingstummelplatz für asiatische Investoren in Europa, werden an Bedeutung verlieren“, sagte Caroli im Vorfeld der Mipiem. Dies werde nicht schlagartig geschehen, wie es nach dem Brexit-Votum erwartet worden sei. Aber Caroli erinnert sich: „Die ersten Investoren haben ihren Abschied aus London bereits angekündigt, weitere werden folgen.“

BNP Paribas unterstützt die These mit Zahlen. Danach waren die asiatischen Investitionen in Großbritannien zwar 2015 fünf Mal so hoch wie 2010, gehen aber seitdem zurück. Dagegen stiegen die Immobilienkäufe in Deutschland seit 2010 bis 2016 auf das Vierfache. „Die asiatischen Investoren haben verstanden, dass Deutschland ein polyzentrisches Land ist“, beobachtet Mattern.

In Großbritannien und Frankreich haben sie es leichter. Die Immobilienmärkte dieser Länder werden von London und Paris dominiert. Über diese Märkte tasten sich Asiaten bisher nach Europa vor, auch in dieser Reihenfolge. Ein Muster, das auch heute noch gilt.


Deutscher Markt ist für Korea interessant

Besonders rege sind Koreaner in Deutschland. Vor ein paar Wochen kaufte der deutsche Immobilienvermögensverwalter Patrizia mit dem Geld des koreanischen Elektronikriesen Samsung in Frankfurt die Commerzbank-Zentrale für rund 660 Millionen Euro.
Es sind die Deals dieser Größenordnung, die die Asiaten in Europa suchen, weil ihre Fonds häufig mindestens 100, wenn nicht gar 150 Millionen Euro Mindestanlagevolumen brauchen. In Deutschland sind solche Objekte die Ausnahmen, anders als etwa in London. Dort kaufte der chinesische Immobilien-Tycoon Cheung Chung-Kiu für umgerechnet 1,3 Milliarden Euro Anfang des Monats das Leadenhall Building, wegen seiner Form besser bekannt als Käsereibe. Es ist mit 90.000 Quadratmetern verteilt über 46 Stockwerke eines der größten Gebäude der britischen Hauptstadt.

In Deutschland wird von chinesischen Immobilieninvestitionen in Deutschland mehr geredet als abgewickelt. „Chinesen schauen viel und kaufen wenig“, bringt es David A. Ironside, beim Immobilienvermögensverwalter LaSalle Investment Management für die Investitionen in Kontinentaleuropa verantwortlich, auf den Punkt.

Doch Asiaten allein machen weder hier noch an der Themse den Markt. Schließlich wird in Europa immer noch primär mit europäischem Geld gekauft. Als der Immobiliendienstleister CBRE im Vorfeld der Immobilienmesse Mipim in Cannes europäische Investoren nach ihren Vorlieben in diesem Jahr fragte, nannten 22 Prozent Deutschland als attraktivsten Markt vor Großbritannien mit 20 Prozent.

Doch es kam auch heraus, dass es trotz der durch den Brexit ausgelösten Unsicherheiten eine Tendenz gibt, mehr auf der Insel zu investieren als im Vorjahr. London behielt mit 17 Prozent Zuspruch seinen ersten Rang als populärstes Investitionsziel. Doch Berlin wurde deutlich höher eingeschätzt als in den Vorjahren und rückte in der Attraktivitätshitliste auf Platz zwei mit 15,8 Prozent der Stimmen. München und Hamburg rangierten nicht mehr unter den oberen zehn der attraktivsten europäischen Metropolen.

Georg Allendorf, Geschäftsführer der Deutschen Asset & Wealth Management, hegt Zweifel, ob Deutschland auch in Zukunft beim Investmentumsatz die Nase vor dem Vereinigten Königreich hat: „Es bleibt abzuwarten, ob das nachhaltig ist.“ Er erinnert daran: „Der britische Immobilienmarkt war immer der, der auf Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld am schnellsten reagiert hat.“ In der Finanz- und Immobilienkrise im Herbst 2008 fielen die Preise in London am schnellsten. Der Markt war aber auch der erste, der sich erholte.

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