Kapitalrechtler zu Widerruf bei Immobilienkrediten "Wenn Kunden ihre Rechte wahren, kann ich keinen Missbrauch erkennen"

Der Anwalt für Bank- und Kapitalrecht Mathias Corzelius fordert, bestehende Immobilienkredite von der Neuregelung des Widerrufsrechts auszunehmen. Wann Bauherren Immobilienkredite widerrufen können.

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Herr Corzelius, ab März gelten neue Regeln für Immobilienkredite. Dazu gehört auch der Widerruf, mit dem Darlehensnehmer aus einem Kredit aussteigen können. Künftig soll die Frist, einen Immobilienkredit widerrufen zu können, auf maximal zwölf Monate begrenzt werden. Halten sie das für sinnvoll?

Mathias Corzelius ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Bank- und Kapitalrecht Quelle: PR

Mathias Corzelius: Grundsätzlich ist es richtig, das Widerrufsrecht für den Fall zu begrenzen, dass die Banken ihre Kunden nicht korrekt über ihre Rechte aufgeklärt haben. Irgendwann muss es für beide Parteien Rechtssicherheit geben. Allerdings sollte sich diese Frist nur auf neue Kredite beziehen und nicht auf Altfälle — so wie es das neue Gesetz jetzt regeln soll.

Warum sollte es eine Sonderregel für Altkredite geben?

2002 hatte der Gesetzgeber das Widerrufsrecht so geändert, dass es bei falscher Belehrung quasi ewig wirkt. Vorher gab es eine Frist, nach deren Ablaufen ein Widerruf nicht mehr möglich war. 2002 haben die Banken nicht gegen die Gesetzesänderung protestiert. Jetzt, wo viele Kreditnehmer dieses Widerrufsrecht in Anspruch nehmen, haben sich die Banken für neue Regeln eingesetzt. Für bereits bestehende Kredite sollte es daher einen Vertrauensschutz geben.

Die Rechte der Kreditnehmer

Mit welchen Argumenten lehnen Banken einen Widerruf des Kreditnehmers bisher ab?

Entweder bestehen sie darauf, dass ihre Widerrufsbelehrung korrekt sei, oder sie erklären, dass der Widerruf des Kredits missbräuchlich sei. Ob eine Widerrufsbelehrung korrekt ist oder nicht, lässt sich anhand der Musterbelehrungen und der Vorgaben des Bundesgerichtshofs prüfen.

Wie sehen diese Vorgaben aus?

Banken, die sich wortwörtlich an die Musterbelehrungen des Gesetzgebers gehalten haben, sind auf der sicheren Seite. Dies gilt auch dann, wenn die Formulierung in der Musterformulierung selbst juristisch falsch ist. Der Gesetzgeber hatte zum Teil Formulierungen in Umlauf gebracht, die missverständlich waren. Problematisch ist es für die Banken, wenn sie von den Mustervorgaben abgewichen sind. Dann können sie sich nicht mehr darauf berufen, dass sie die Musterbelehrung wörtlich genutzt hätten.

Können Sie ein Beispiel nennen?

In vielen Widerrufsbelehrungen stand die Formulierung, dass die Frist für einen Widerruf „frühestens“ ab dem Tag läuft, an dem die Widerrufsbelehrung an den Kreditnehmer ausgehändigt wurde. Was genau soll frühestens heißen? Juristisch ist das jedenfalls nicht eindeutig. Trotzdem stand es in älteren Musterbelehrungen.

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Sprechen die Banken nicht zurecht von Missbrauch, wenn Kunden ihren Immobilienkredit aufgrund eines Formfehlers widerrufen, nur weil ihnen die Zinsen zu hoch sind?

Dass die Widerrufsbelehrungen fehlerhaft sind, ist die Schuld der Banken und nicht der Kreditnehmer. Wenn Bankkunden ihre Rechte wahren und sich dabei an die Gesetze halten, kann ich keinen Missbrauch erkennen. Den Banken waren die Mustervorgaben des Gesetzgebers bekannt. Diese hätten sie verwenden können. Darüber hinaus hätten sie die Kunden nachträglich mit korrekten Formularen über ihr Widerrufsrecht belehren können.

"Das Risiko eines Widerrufs ist nur noch gering"

Warum haben sie das nicht getan?

Sie wollten keine schlafenden Hunde wecken. Mit einem neuen Schreiben hätte jeder Kreditnehmer die Chance gehabt, seine Immobilienfinanzierung innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen. In einer Phase mit sinkenden Zinsen für Baukredite wäre das eine zu attraktive Option gewesen. Zudem waren sich viele Banken vermutlich auch nicht sicher, welche Musterformulierungen sie verwenden sollten. Entweder die, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültig waren oder jene, die aktuell waren, als sie den Kreditnehmer nachträglich aufklären wollten.

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In einigen Fällen sollen Kreditnehmer, die ihr Darlehen widerrufen haben, Probleme bekommen haben, bei einer anderen Bank eine Anschlussfinanzierung zu erhalten. Ist der Widerruf ein Risiko für Kreditnehmer?

Bis vor gut einem Jahr gab es einige Fälle dieser Art. Danach kamen meines Wissens keine neuen hinzu. In der Regel lehnen andere Banken eine Anschlussfinanzierung nicht allein deshalb ab, weil der Kreditnehmer sein Darlehen bei einem anderen Kreditinstitut widerrufen hat. Weil sich die Banken bei neuen Immobilienkrediten jetzt meist sklavisch an die gesetzlichen Mustervorgaben halten, ist das Risiko eines Widerrufs nur noch gering.

Warum gilt bei Krediten für Autos oder Küchen weiter ein ewiges Widerrufsrecht?

Hier kommt es nicht darauf an, wofür ein Kredit aufgenommen wird, sondern wie er besichert wird. Die Gesetzesänderung gilt nur für grundpfandrechtllich gesicherte Darlehen. Warum der Gesetzgeber offenbar diese Unterscheidung zieht, lässt sich nur schwer erklären. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es sich angesichts der deutlich kleineren Beträge für Kreditnehmer nicht lohnt, eine Finanzierung zu widerrufen. Für die Banken besteht also kein finanzielles Risiko wie bei den Immobilienfinanzierungen, bei denen es um deutlich größere Beträge geht. Juristisch wäre es sinnvoller gewesen, einheitliche Regeln für alle Kredite festzulegen.

Der Europäische Gerichtshof hat es abgelehnt, das Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen zeitlich zu begrenzen. Verstößt demnach das neue Gesetz für Immobilienkredite gegen EU-Recht?

Das ist juristisches Neuland. Ob sich die Rechtsprechung von Lebensversicherungen auf Immobilienkredite übertragen lässt, ist noch nicht geklärt. Denkbar wäre es. Klar ist, dass eine Befristung des Widerrufsrechts bei Immobilienkrediten nicht nötig gewesen wäre, um die EU-Vorgaben umzusetzen.

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