Kreditwiderruf Die Rückkehr des Widerrufsjokers

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Verweise von einem Paragrafen auf den nächsten

Tatsächlich haben Gerichte bereits einige Klauseln in neuen Verträgen verworfen. Kunden, in deren Verträgen diese stehen, haben gute Fluchtchancen. Ganz sicher ist das aber nicht. Denn zu Formulierungen in Neuverträgen gibt es bislang zwar Urteile von Oberlandesgerichten, aber noch keine bindenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH). Vorerst bleibt also offen, ob komplexe Verweise von einem Paragrafen auf den nächsten und andere umstrittene Formulierungen tatsächlich einen Widerruf erlauben.

„Banken lassen sich derzeit nicht auf außergerichtliche Vergleiche ein, wie es bei Altverträgen in den vergangenen Jahren Usus war“, sagt Julius Reiter von der Kanzlei Baum Reiter + Collegen. Kreditnehmer müssten vor Gericht ziehen. Das sei nur ratsam, wenn sie eine Rechtsschutzpolice haben, die auch in solchen Fällen greift.

Bei der Mehrzahl der Interessenten sei dies der Fall, berichtet Anlegeranwalt Tiffe. Probleme gebe es bei neuen Policen: „Verträge, die seit Anfang 2015 abgeschlossen wurden, können Klauseln enthalten, die Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit einem Kreditwiderruf pauschal ausschließen.“ Seit jeher ungeschützt steht da, wer mit dem Kredit einen Neubau bezahlt hat – in diesem Bereich arbeiten Versicherer traditionell mit umfassenden Ausschlussklauseln.

Neben Rechtsschutz brauchen Widerrufswillige eine verbindliche Zusage für eine Anschlussfinanzierung, bevor sie tätig werden. Denn wer erfolgreich widerruft, muss die Restschuld binnen 30 Tagen ablösen. Sonst droht schlimmstenfalls eine Zwangsversteigerung. „In der Regel ist es aber kein Problem, eine Anschlussfinanzierung zu finden“, sagt Reiter.

Abseits der Immobilienkredite kann der Widerruf weitere Vorteile bieten: Einige Anleger wollen sich so von schlecht gelaufenen Geldanlagen lösen. So widerrief etwa ein Kunde der HSH Nordbank einen Kredit über 8000 Euro, mit dem er 2001 seine Beteiligung an einem geschlossenen Medienfonds finanziert hatte. Er berief sich auf ein Widerrufsrecht, weil er Widerrufsbelehrung und eine folgende Empfangsbestätigung nur ein Mal unterschrieben hatte. Da es sich um ein Haustürgeschäft gehandelt habe – für das strenge Schutzregeln gelten –, sei das nicht korrekt gewesen. Besonders interessant wäre der Widerruf für ihn, weil damit auch seine verlustreiche Fondsbeteiligung rückabgewickelt werden müsste.

Den Kredit hatte der Mann schon 2007 zurückgezahlt. Erst 2014 widerrief er den Vertrag. Während das Oberlandesgericht Hamburg das für missbräuchlich hielt, zeigte sich der Bundesgerichtshof vergangene Woche offener (BGH, XI ZR 501/15): Nur weil Kunden auch andere als die vom Widerrufsrecht geschützten Motive hätten, sei der Widerruf nicht ausgeschlossen. Nun muss die Vorinstanz erneut entscheiden.

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